Hamburg. Der beleidigende Tweet von Marlon P. führte zu einer politisch und gesellschaftlich umstrittenen Durchsuchung durch die Polizei.

Die Razzia, die im Zuge der "Pimmelgate"-Affäre um Innen-und Sportsenator Andy Grote bei Marlon P. durchgeführt wurde, war unrechtmäßig. Das hat das Landgericht Hamburg entschieden, wie das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) am Freitag mitteilte. Marlon P. hatte den SPD-Politiker in einem Tweet mit den Worten „Du bist so 1 Pimmel“ beleidigt.

Andy Grote: Gericht beklagt fehlende Verhältnismäßigkeit

Die Lebensgefährtin von Marlon P., die damals mit dem Tweet-Verfasser eine gemeinsame Wohnung teilte, hatte sich am 2. Juni dieses Jahres gegen den ermittlungsrichterlichen Beschluss des Amtsgerichts Hamburg gewandt, das die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten damals angeordnet hatte. "Nach der Entscheidung des Landgerichts war die vom Amtsgericht Hamburg angeordnete Durchsuchung rechtswidrig, weil diese Maßnahme unter Berücksichtigung der geringen Schwere der dem Beschuldigten vorgeworfenen Beleidigung unverhältnismäßig gewesen sei", erklärte das OLG gegenüber dem Abendblatt.

Nach Auffassung der zuständigen Strafkammer habe ursprüngich zwar ein Anfangsverdacht gegen Marlon P. bestanden, schließlich stelle der "Pimmel"- Tweet eine Formalbeleidigung und damit eine Straftat dar. Zum Zeitpunkt der Anordnung habe zudem die begründete Vermutung bestanden, die Durchsuchung der Wohnung würde zum Auffinden von Beweismitteln in Form von Speichermedien von Marlon P., mit denen er auf den genutzten Twitter-Account zugegriffen hat, führen. Doch habe es an Verhältnismäßigkeit gefehlt.

"Pimmelgate"-Razzia: Strafverfahren gegen Marlon P. eingestellt

"Auch wenn damit die gesetzlichen Voraussetzungen einer Durchsuchung an sich vorlagen, fehlt es nach Auffassung der Kammer an der stets zu beachtenden Verhältnismäßigkeit zwischen dem mit der Durchsuchung verbundenen Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung und der Schwere der Straftat und dem daraus folgenden Strafverfolgungsinteresse des Staates", so das OLG.

Hamburgs Innen-und Sportsenator Andy Grote stand wegen der
Hamburgs Innen-und Sportsenator Andy Grote stand wegen der "Pimmelgate"-Affäre stark in der Kritik. © Imago Images

Die Razzia hatte bundesweit für große Diskussionen gesorgt. Grote hatte damals nach Bekanntwerden des Einsatzes seinen Strafantrag damit begründet, dass „Hate Speech“ im Internet konsequenter verfolgt werden solle und sich niemand beleidigen lassen müsse. Das gelte auch für Spitzenpolitiker. Das Strafverfahren gegen Marlon P. wegen Beleidigung bereits im März eingestellt worden, weil Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich erklärte, es gebe ein „fehlendes öffentliches Interesse an der weiteren Strafverfolgung“.

Andy Grote: Corona-Party hatte Einfluss auf das Urteil

In der Begründung des Gerichts sorgte derweil auch ein früheres Fehlverhalten von Grote selbst dafür, dass die Anklage gegen Marlon P. fallen gelassen wurde.

"Zudem sei der Kommentar des ehemals Beschuldigten im Gesamtkontext zum Vorverhalten des Innensenators zu betrachten. Dieser habe am 10. Juni 2020 selbst gegen geltende Corona-Auflagen verstoßen, indem er anlässlich seiner Wiederernennung als Senator 30 Personen in eine Bar in Hamburg eingeladen habe, weswegen gegen ihn ein Bußgeld in Höhe von 1000 Euro verhängt und von ihm akzeptiert worden sei", erklärte das OLG und fügte an:

"Vor diesem Hintergrund sei die Wortwahl des Senators in seinem Post vom 30. Mai 2021, in dem er Feiernde in der Schanze, die ebenfalls gegen Corona-Auflagen verstießen, als „dämlich“ und ihr Verhalten als „ignorant“ bezeichnet habe, bei der Beurteilung der Beleidigung durch den Beschuldigten zu berücksichtigen."

So kam das Gericht letztlich zu der Ansicht, die Schwere der Beleidigung vor diesem Hintergrund „eher am unteren Rand der Erheblichkeitsschwelle einzustufen. Nach alledem habe Marlon P. allenfalls eine geringfügige Geldstrafe gedroht. Die Anordnung der Durchsuchung sei daher vor diesem Hintergrund unangemessen gewesen", heißt es.