Hamburg. Masken, Testen, Sport: Vor dem Winter raten Kinderärzte und Sachverständige zum Umdenken an Schulen. Es gibt aber einen Vorbehalt.

Die führenden Ärzte und Experten für Kinder- und Jugendmedizin haben sich vor dem anstehenden Corona-Winter 2022/2023 für neue Regeln an den Schulen ausgesprochen. In einer neuen Leitlinie (S3) fordern sie, auf Lockdown oder Schulschließungen und Homeschooling zu verzichten. Die bisherigen Folgen für die Kinder und Jugendlichen seien nachgewiesen erheblich gewesen. Es habe „beträchtliche“ Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern gehabt, nicht wie gewohnt am Unterricht teilzunehmen, schreibt der Verband der Kinder- und Jugendärzte in einer Mitteilung vom Freitag.

An der neuen Leitlinie haben zahlreiche Mediziner und Wissenschaftler mitgearbeitet, die UKE-Expertin Prof. Ulrike Ravens-Sieberer (Forschungsdirektorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik) war federführend dabei.

Corona-Maßnahmen an Schulen: Neue Empfehlungen

Prof. Ulrike Ravens-Sieberer leitet die COPSY-Studie zur Erforschung der Pandemieauswirkungen auf die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (Archivbild).
Prof. Ulrike Ravens-Sieberer (UKE) leitete die COPSY-Studie zur Erforschung der Pandemieauswirkungen auf die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (Archivbild). © picture alliance

Es gibt jedoch eine Ausnahme von den Empfehlungen und Forderungen: Zwar betrachten die Experten nicht mehr allein, wie viele Infizierte es aktuell gibt. Die Einschätzungen über die Maßnahmen auch an Schulen müssten jedoch geändert werden, wenn es eine „infektionsepidemiologische Risikolage“ gebe, also wenn neue Virusvarianten auftauchen, die Schülerinnen und Schüler sowie ihre Kontaktpersonen schlimmer treffen – oder wenn in bestimmten Regionen das Gesundheitssystem überlastet ist.

Die Corona-Risiken an den Schulen seien gering, schreiben die Kinderärzte. Schwere oder tödliche Verläufe von Sars-CoV-2-Infektionen bei Kindern oder Jugendlichen seien nicht zu befürchten. Zum einen seien viele geimpft, die derzeitigen Varianten (in Hamburg Omikron-Unterlinie BA.5.) harmloser. Zuletzt hatte auch das UKE herausgefunden, dass Kinder zu Beginn der Corona-Pandemie keine Infektionstreiber waren.

Masken, Testen, Sport und Musik an Hamburger Schulen

Nur bei „hoher Risikolage“ solle in den Schulen getestet werden. Die Experten glauben:

  • Zweimal pro Woche sei ausreichend, allerdings seien PCR-Tests sinnvoller, weil sich – siehe Hamburg – die Antigentests als fehlerhaft erwiesen haben.
  • Das Lüften wird empfohlen, Luftreiniger abgelehnt. CO2-Ampeln halten die Sachverständigen für sinnvoll.
  • Wer Halsschmerzen, Husten oder Schnupfen hat, soll zu Hause bleiben und erst zurückkehren, wenn er einen Tag ohne diese Symptome war.
  • Masken würden von allen als wirksame Mittel im Kampf gegen das Coronavirus akzeptiert. Es gebe keine Hinweise, so die Experten, dass sie einen negativen Einfluss auf das Lernen haben oder ernstere gesundheitliche Schäden hervorrufen.
  • Jüngere Kinder (sechs bis elf) folgen bereitwillig der Maskenempfehlung, auch wenn ihre Eltern das seltener gutheißen. Ältere Kinder sehen das Masketragen generell als nützlich an.

Corona Hamburg: "Präsenzbetrieb an Schulen muss bleiben"

Doch diese Maßnahme soll nur bei allgemein „hoher Infektionslage“ gelten. Sport und Musik sollen wie gewohnt unterrichtet werden, unter Bedingungen: Sport am besten im Freien, in Innenräumen soll gelüftet, Abstände und Hygieneregeln wenn möglich eingehalten werden. Das Singen sollte bei hoher Risikolage eingeschränkt sein.

Der COVerCHILD-Netzwerksprecher Prof. Reinhard Berner (TU Dresden) sagte: „Die aktualisierte Leitlinie betont in ihren Empfehlungen, dass sich die infektionsepidemiologische Risikolage seit Erstellung der vorherigen Leitlinienversion erheblich verändert hat. Die empfohlenen Maßnahmenpakete müssen daher an die jeweilige Risikolage angepasst werden.“ Im Vordergrund stehe jetzt: Der Präsenzbetrieb an den Schulen müsse bleiben. Es gehe darum, ein „möglichst normales Kontaktverhalten zu ermöglichen“.