Hamburg. 60 Fakten und Anekdoten aus 125 Jahren Geschichte: von kleinen blauen Pumpen, Erzengeln und Bürgermeistern.
125 Jahre Rathaus: Mehr als fünfzig Jahre dauerte es, bis die Hamburger einen Nachfolger, für das während des Großen Brandes zerstörte Rathaus bekommen haben. Dafür wurde der Neubau umso prächtiger. 112 Meter hoch und fast auf den Meter genau so breit, verziert mit Heiligen, Königen und Tugenden – und das ist nur die Fassade. 60 Fakten über das Hamburger Rathaus.
125 Jahre Hamburger Rathaus: 4000 Eichenpfähle und elf Jahre Bauzeit
- Der Vorgänger des heutigen Rathauses wurde am 6. Mai 1842 gesprengt, um eine weitere Ausbreitung des Großen Brandes einzudämmen.
- Die Realisierung des Neubaus dauerte 43 Jahre von den ersten Wettbewerbsentwürfen 1854 (43 Entwürfe) und von 1876 (128 Entwürfe) über die endgültige Annahme 1884 bis zur Fertigstellung 1897.
- Der Turm des Hamburger Rathauses hat eine Höhe von 112 Metern. 436 Stufen führen bis zur obersten Ebene des Rathausturms hinauf.
- Um den scheinbar ewigen Streit über die Pläne zu beenden, überredete der Architekt Martin Haller acht seiner Kollegen (und Konkurrenten), gemeinsam den „Bund der Rathausbaumeister“ zu bilden.
- Neben Haller sind Johannes Grotjan, Bernhard Hanssen, Wilhelm Hauers, Leopold Lamprecht, Emil Meerwein, Henry Robertson, Hugo Stammann und Gustav Zinnow an den Plänen beteiligt.
- Elf Jahre dauerte der Bau des Rathauses.
- Den einen Bauherrn gibt es nicht: Bauherr ist die Rathausbaukommission, die paritätisch mit Vertretern aus Senat und Bürgerschaft besetzt war.
- 178-mal tagte die Rathausbaukommission zwischen ihrer Gründung 1872 und ihrer Auflösung 1906.
- Das Fundament des Rathauses ist aufgrund der Bodenbeschaffenheit auf mehr
als 4000 Eichenpfählen gegründet. - Die Baukosten betrugen 11 Millionen Mark. Zum Vergleich: Ein Hafenarbeiter hatte 60 bis 65 Mark Monatslohn, ein Kilo Kartoffeln kosteten rund 6 Pfennig, ein Pfund Kaffee dagegen 2,10 Mark.
Heißer Dampf unter dem Büro des Bürgermeisters und tonnenschwere Könige
- Die Fassade zum Rathausmarkt ist 111 Meter breit.
- Das 10.000 Quadratmeter große Dach ist kupfergedeckt.
- Weil das Rathaus nicht durch einen Schornstein verschandelt werden sollte, nutzte man ein damals einmalig modernes Heizsystem: Fernwärme.
- Das Rathaus wurde bei seiner Eröffnung mit dem Dampf aus einem Kraftwerk für elektrischen Strom an der Poststraße beheizt.
- Der heiße Dampf aus der Poststraße wurde direkt unter dem Büro des Bürgermeisters ins Rathaus geleitet. Später wechselte die Wärmequelle für das Rathaus in den Hafen – der Einspeisepunkt aber blieb unter dem Schreibtisch des Bürgermeisters.
- Die Sandsteinanteile bestehen vor allem aus Wünschelburger Sandstein aus dem heutigen Polen.
- Die kupferne Turmspitze krönt ein vergoldeter Reichsadler, die vier Steingiebel verzieren vier in Kupfer getriebene Wappenfähnchen haltende Ritter.
- Am Turmschaft zwischen der großen Turmuhr und dem Wappen von Hamburg erinnert der Phönixsaal an die große Brandkatastrophe von 1842. Genau 50 Jahre nach dem großen Brand vom 6. Mai 1842 wurde das Richtfest des „neuen Rathauses“ gefeiert. Die von dem Bildhauer Aloys Denoth geschaffene große Phönixfigur wurde von vier Rappen zum Rathaus gezogen. Der vollplastisch durchmodellierte Phönix breitet seine Flügel weit auseinander, um neugeboren aus dem Feuer aufzusteigen. Ein Medaillon darunter zeigt in vergoldeter Zeichnung das alte, 1842 abgebrannte Rathaus mit der darüber schwebenden Parole „RESURGAM“ (lateinisch für „Ich werde wieder auferstehen“).
- Auf der Rathausmarktseite stehen zwischen den Fensternischen 20 Könige und Kaiser des alten deutschen Reiches, von Karl dem Großen, dem ersten Kaiser des Fränkischen Reichs (reg. 768–814), bis Franz II., dem letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, der den Titel 1806 niederlegte und bereits ab 1804 als Franz I. Kaiser von Österreich war.
- Die Figuren sind jeweils 600 Kilogramm schwer und aus Bronze.
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Die Tugenden stehen über den Königen – und die Hygiene im Innenhof
- Der reine Metallwert aller Figuren liegt bei etwa 130.000 Euro.
- Über den Monarchen thronen am Mittelturm die Darstellungen der bürgerlichen Tugenden: Tapferkeit, Frömmigkeit, Eintracht und Klugheit. Dass die bürgerlichen Tugenden oberhalb der Kaiser angeordnet sind, versinnbildlicht die Freiheit der Stadt Hamburg gegenüber der Krone, da Hamburg keine Kaiserstadt, sondern eine Hansestadt war.
- Über dem Haupteingang befindet sich ein Mosaik, das die hamburgische Landesallegorie Hammonia darstellt.
- Über 28 Fenster der Repräsentationsetage wurden auf die Fensterverdachung 28 Charakterbüsten für Vertreter der bürgerlichen Berufe gesetzt.
- Im Innenhof des Rathauses befindet sich der Hygieia-Brunnen, gestaltet 1895/1896 von dem Bildhauer Joseph von Kramer (1841–1908), einem Bruder des Architekten Theodor von Kramer. Die weibliche Bronzefigur, die Hygieia, eine Allegorie für Gesundheit, tritt auf einen Drachen, der symbolisch für die Choleraepidemie von 1892 steht. Auch praktisch steht dieser Brunnen für Hygiene, da sich in seinem Sockel die Einlässe des Belüftungssystems des Rathauses befinden. Ursprünglich war auf dem Platz eine Figur des Handelsgottes Merkur geplant. Nach der großen Choleraepidemie mit Tausenden von Toten entschied man sich aus Pietätsgründen jedoch für die Göttin der Reinheit. Die die Hygieia umgebenden Figuren stellen den Nutzen und die Verwendung des Wassers dar.
- Insgesamt 647 Räume befinden sich im Rathaus.
- Am Aufgang zur Bürgerschaft, auf halber Treppe zum Plenarsaal, wurde 1981 eine Gedenktafel zur Erinnerung an die während der NS-Zeit ermordeten 25 Bürgerschaftsabgeordneten angebracht. Es waren 17 Abgeordnete der Kommunistischen Partei (KPD), fünf Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei (SPD) und drei aus bürgerlich-demokratischen Parteien, die durch Maßnahmen von SA- und
SS-Einheiten, in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern oder im Exil während der stalinistischen Säuberungen ihr Leben ließen. - Der Lebensbaum am Eingang zum Senatsflügel: Das goldene „Sandsteingewände“ um das Rankenwerk des schmiedeeisernen Gittertors hat eine gobelinartige kostbare Wirkung und leitet hinein in das prächtige Senatstreppenhaus. Was aber hat der Bildhauer Carl Börner (1828–1905) zwischen den Eichenzweigen versteckt? Allerlei kleine Tiere, ein Eichhörnchen, einen Specht und am Scheitel des Bogens einen Uhu.
- Die Räume des Senats heißen bis heute „Senatsgehege“, was geschützter Raum bedeutet. Wer sie betreten wollte, musste vorher seine Waffen ablegen.
- An der Decke des Treppenhauses zum Sitzungssaal der Bürgerschaft sind elf Gemälde des Malers Hermann de Bruycker (1858–1950). Sie zeigen, wie das Leben eines Hamburger Bürgers verlief, von seiner Geburt bis ins Alter – jedenfalls zur Zeit des Rathausbaues.
Wie eine riesige Betonplatte und eine kleine blaue Pumpe das Rathaus stabil halten
- Das Hamburger Rathaus steht nicht nur auf 4000 Eichenpfählen – sondern auch auf einer 1,65 Meter dicken Betonplatte, die über den Pfählen liegt und unter anderem dafür sorgt, dass sie nicht aufschwemmen.
- Eine kleine blaue Pumpe im Keller des Rathauses ist verantwortlich dafür, dass die 4000 Eichenpfähle immer unter Wasser stehen. Sinkt der Pegel, springt die Pumpe an und setzt die Pfähle unter Wasser. Denn sonst würde das Holz beginnen zu faulen.
- Die Brautpforte im Innenhof des Rathauses war eigentlich nie offiziell geplant. Sie wurde der Symmetrie wegen (als Gegenstück zu einem großen Fenster der Rathausküche) eigenmächtig von den Rathausbaumeistern hinzugefügt. Trauungen im Rathaus waren eigentlich nie vorgesehen.
- Heute kann man allerdings sehr wohl im Rathaus heiraten: An einem Freitag pro Monat traut ein Standesbeamter im edlen Phönixsaal bis zu vier Brautpaare.
- Die Trauung im Rathaus kostet einen Aufpreis: Das Standesamt nimmt einen Servicezuschlag von 300 Euro, das Hamburger Rathaus für die Nutzung der Räume noch einmal 150 Euro.
- Erst zwölf Jahre nach der Einweihung des Rathauses wurde das Wandgemälde im Großen Festsaal 1909 vollendet.
- Das Wandgemälde stammt von dem 1855 in Magdeburg geborenen Maler Hugo Vogel.
- Nicht nur das Hamburger Rathaus enthält ein Wandgemälde von Hugo Vogel – auch im Berliner Rathaus malte er. Vogel starb 1934 in Berlin.
- Die sich über drei Wände erstreckenden Historienbilder Hugo Vogels im Großen Festsaal sind 354 Quadratmeter groß.
- Fast 70 Meter lang ist das Historien-Panorama im Festsaal.
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Warum der Bischof im Rathaus ins Leere segnet – und wo das Staatsgeschirr lagert
- Eines der Bilder im Festsaal zeigt die Christianisierung Hamburgs. Dazu gibt es eine oft erzählte Anekdote: Der Bischof auf dem Gemälde segnet ins Leere. Der kniende Jüngling, den Vogel ursprünglich
dargestellt hatte, musste übermalt werden. Die Bauherren störten sich an der gebeugten Haltung. Einen knienden Hamburger wollte man hier nicht sehen. - Der Große Festsaal ist 46 Meter lang.
- Wer einmal sehen möchte, wie der Senat zur Zeit der Rathauseinweihung aussah, wird im Bürgermeistersaal fündig: Das drei mal fünf Meter große Gemälde von Hugo Vogel zeigt den gesamten damaligen Senat im traditionellen Ornat.
- Das Hamburger Rathaus ist auch ein Teil des Gedächtnisses der Stadt: Im Rathaus befinden sich gleich mehrere Archive – zum einen für die Drucksachen der Bürgerschaft, aber auch für die des Senats:
Mehr als 60.000 Akten, 1,6 Millionen Zeitungsartikel, gut 50.000 Bücher und vieles mehr lagert hier. - Ein Schatz aus 210 großen und kleinen Stücken: Das Ratssilber der Hansestadt besteht aus einmaliger Handwerkskunst, reich verzierten Tintenfässern, Bechern, Siegelstempeln, Kannen, Fruchtschalen und vielem mehr.
- Nur einmal wurden zwei Stücke des Ratssilbers verschenkt: Die Weinkannen „Elbe“ und „Alster“ schenkte der Senat 1904 dem britischen König Edward VII., der überaus begeistert von den Weinkannen war. Der Senat ließ Duplikate anfertigen – und der britische König schickte als Dank einen mit Diamanten, Amethysten, Granaten und Türkisen verzierten Pokal nach Hamburg. Der 65 Zentimeter hohe Pokal schmückt einmal im Jahr den Ehrentisch des Matthiae-Mahls.
- Lange war es Tradition, dass ausscheidende Senatoren dem Rathaus ein Silberbesteck mit eingraviertem Namen schenken. Wirtschaftssenator Helmuth Kern ließ die Tradition 1976 wieder aufleben.
- Hoch oben, auf einem der Giebel des Rathauses, schwingt Erzengel Michael sein Schwert. Das wurde ihm auch schon einmal vom Sturm aus der Hand gerissen.
- Hinter der Tür 115 b befindet sich ein besonderer Raum: In dem fensterlosen Zimmer lagert das Staatsgeschirr. 1220 Teller, 534 Mokkatassen, 246 Teetassen, je 400 Weiß- und Rotweingläser.
- Die Tür mit der Nummer 118 im Treppenhaus am Alten Wall führt zu keinem Büro: Sie verdeckt lediglich eine alte stählerne Panzerschranktür. Der Panzerschrank hier ist ein Relikt aus den Zeiten, in denen im Rathaus auch noch die Finanzbehörde untergebracht war. Hier bewahrt der Senat Medaillen auf, die er verdienten Bürgern verleiht oder seinen Ehrengästen schenkt.
Wer sich als Erster ins Goldene Buch der Stadt eintrug – und warum es gar kein Buch ist
- Hamburger Bürgermeister empfangen ihre Gäste nicht vor dem Rathaus, sondern auf dem Treppenabsatz des Senatstreppenhauses. Der Grund dafür (so heißt es): Die Bürgermeister wollten nicht zu Steigbügelhaltern eines Gastes werden, der zu Pferd vor dem Rathaus eintraf. Die Anekdote bezieht sich auf die häufigen Besuche dänischer Könige, die bis 1768 Anspruch auf Hamburg erhoben.
- Eine Ausnahme machte Paul Nevermann 1965 beim Besuch von Königin Elizabeth II. Er kam ihr einige Schritte auf der Treppe entgegen und betonte später, dass diese höfliche Geste der Dame, nicht
der Königin galt. - Bis 1918 trugen die Mitglieder des Hamburger Senats eine Amtstracht mit spanischer Halskrause.
- Bis 1918 betrug die Amtszeit der Ersten Bürgermeister nur ein Jahr, dann rückte der Zweite Bürgermeister auf. Der Vorgänger machte ein Jahr Pause und wurde dann in der Regel wieder Zweiter und dann Erster Bürgermeister.
- Neu gewählte Senatoren mussten bis 1918 einige Tage zu Hause bleiben (um über die Bedeutung ihres Amtes nachzusinnen), dann wurden sie sonntags vom jüngsten Senator mit einer Kapelle zum Gottesdienst abgeholt.
- Die Inschrift über dem Rundbogen des Rathauseingangs lautet: „Die Freiheit, die erwarben die Alten, möge die Nachwelt würdig erhalten.“
- Das Goldene Buch gibt es seit der Einweihung 1897 – der Erste, der sich einträgt, ist Otto von Bismarck, der in der Nähe in Friedrichsruh seinen Alterssitz hat. Gestiftet wurde das Goldene Buch von der Bürgermeisterfamilie Petersen zur Einweihung des neu erbauten Rathauses.
- Eine Besonderheit des Goldenen Buches: Es ist eigentlich gar kein richtiges Buch. Blättern kann man darin nicht, denn es ist eine Sammlung von losen Büttenpapier-Blättern. Diese werden in einer goldenen Kassette – aus mit Blattgold besetztem Leder – verwahrt.
- Das praktische am „ungebundenen Buch“: Unliebsame Gäste können wieder
entfernt werden. So geschehen zum Beispiel bei den Eintragungen der Nationalsozialisten. Nur Propagandaminister Joseph Goebbels blieb im Buch – er hatte auf demselben Blatt wie Reichspräsident von Hindenburg unterschrieben. - Die Zifferblätter der Uhr im Rathausturm haben eine Seitenlänge von fünf Metern, jeder große Zeiger ist 2,20 Meter lang, die kleinen Zeiger 1,55 Meter.
125 Jahre Hamburger Rathaus – das Magazin zum Jubiläum
Noch viel mehr Spannendes und Interessantes rund um das Hamburger Rathaus erfährt man im Magazin „125 Jahre Hamburger Rathaus“. Es ist in der Abendblatt-Geschäftsstelle, unter abendblatt.de/magazine sowie im Handel für 9,50 Euro (Treuepreis 8 Euro) erhältlich.