Hamburg. Streitgespräch: Während die CDU mehr Ausnahmen fordert, wollen die Grünen weitere Anwohnerzonen schaffen und Parkplätze abbauen.

Immer mehr Anwohnerparkzonen in Hamburg sollen den Parkdruck in vielen Stadtteilen mindern. Darüber, ob das funktioniert, gehen die Meinungen allerdings sehr auseinander. In einem Streitgespräch fordert CDU-Fraktionschef Dennis Thering mehr Ausnahmegenehmigungen für Gewerbetreibende, die Wiedereinführung der Stellplatzabgabe und den Bau von Quartiersgaragen.

Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen hält das Bewohnerparken, wie es offiziell heißt, dagegen für eine gute Lösung, Fußgängern und Radfahrern im öffentlichen Raum mehr Gewicht zu geben, und hofft, dass künftig viele ihr Auto abschaffen.

Hamburger Abendblatt: Herr Thering, Sie haben das Bewohnerparken zuletzt viel kritisiert. Ist es für Sie überhaupt grundsätzlich ein gutes Instrument, oder eher nicht?

Dennis Thering: Grundsätzlich kann das Bewohnerparken ein gutes Instrument sein, um den Parkdruck zu reduzieren. Gerade rund um den Flughafen oder auf dem Hamburger Kiez. Aber so wie der Senat das aktuell umsetzt, sorgt es für mehr Verärgerung und für mehr Probleme, als es Lösungen bietet.

Was sind denn die großen Schwächen momentan aus Ihrer Sicht?

Thering: Vor allem, dass Gewerbetreibende vom Senat keine Ausnahmegenehmigung bekommen. Ich war zuletzt gerade im Kinderkrankenhaus in Altona und beim Agaplesion Klinikum in Eimsbüttel. Die Angestellten dürfen dort nicht parken, was dazu führt, dass viele kündigen und abwandern aus Hamburg. Und gerade weil wir wissen, dass Fachkräfte weiterhin Mangelware bleiben, können wir so nicht mit den Fachkräften umgehen, das ist fahrlässig. Da muss der rot-grüne Senat auf jeden Fall nachbessern.

Das betrifft ja zum Beispiel auch Bäcker oder andere kleine Ladenbesitzer, die nicht mehr vor ihrem Geschäft parken dürfen.

Thering: Ja, das ist absurd. Ich habe auch mit einem Bäcker gesprochen, der gesagt hat, er könne seine Rohstoffe gar nicht mehr anliefern, geschweige denn die fertigen Backwaren wieder abholen, weil er nicht fahren dürfe, und er bekäme auch keine Ausnahmegenehmigung. Wenn der rot-grüne Senat zumindest großzügig mit Ausnahmegenehmigungen wäre, könnte man ja grundsätzlich drüber sprechen. Aber dass das so zulasten der Wirtschaft geht, ist auch ein klares Statement des Senats, dass die Wirtschaft offensichtlich bei SPD und Grünen nicht im Fokus steht.

Dominik Lorenzen: Ich habe da einen anderen Kenntnisstand. Da, wo Ausnahmegenehmigungen erteilt werden können, werden sie im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeit auch erteilt. Was aber nicht geht ist, dass man es komplett aufweicht, weil der gesetzliche Rahmen ist ja eben, dass das Bewohnerparken für Anwohner ist und das kann man ja nicht einfach ändern. Aber die Spielräume, die da sind, um Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, werden auch genutzt.

Eine Ladenbesitzerin, die uns angesprochen hat, hat zwei Standorte und an keinem darf sie jetzt noch parken. Sie bekommt keine Ausnahmegenehmigung.

Lorenzen: Es gibt ja noch andere Möglichkeiten. Die meisten Gewerbetreibenden haben ja private Parkflächen, für die sie entsprechend auch bezahlen.

Ob das die meisten sind, wissen wir nicht, aber viele haben die Möglichkeit nicht.

Lorenzen: Aber das Be- und Entladen ist grundsätzlich immer möglich.

Und danach soll man sofort wieder wegfahren, obwohl man da arbeitet?

Lorenzen: In Einzelfällen werden Ausnahmegenehmigungen erteilt. Aber diese sind eben die Ausnahme, nicht die Regel. Das Bewohnerparken in Deutschland ist in der bundesweit gültigen Straßenverkehrsordnung reguliert, und es ist keine Entscheidung, die die Behörde treffen kann. Wir können nicht jedem, der eine Ausnahmegenehmigung haben möchte, also jedem Gewerbetreibenden oder jedem Pendler, diese auch geben. Dann würde man ja das Instrument ad absurdum führen. Das würde auch gegen die bundesgesetzlichen Vorgaben verstoßen.

Thering: Aber ihr könntet viel großzügiger Ausnahmegenehmigungen vergeben. Andere Städte machen das viel liberaler, Köln zum Beispiel. Da gibt es Handwerker-Parkausweise, mit denen können Handwerker überall in den Anwohnerparkzonen kostenlos parken. Da frage ich mich, warum das in Hamburg nicht möglich sein soll. Also es braucht in diesem Senat einfach mehr Affinität, auch für den Mittelstand, für die Wirtschaft. Das kommt mir durch Rot-Grün völlig zu kurz.

Lorenzen: Mein Kenntnisstand ist, dass das Kölner Modell rechtlich äußerst bedenklich ist und dass unsere eigene Fachbehörde sagt, dass man das so nicht umsetzen kann. Das ist ja keine triviale Frage. Für Fahrten zu den Kunden liegt die Genehmigungsquote in Hamburg übrigens bei 98 Prozent – das ist also gar kein Pro­blem aus der Praxis.

Und nehmen wir mal den schwierigen Fall der Pendlerinnen, die zum Beispiel im UKE arbeiten. Da will ich mich gar nicht wegducken. Natürlich ist das für das UKE mit den gewachsenen Strukturen nicht leicht. In dem verdichteten Bereich der Stadt können und werden wir aber nicht allen Menschen kostenlose Parkflächen bereithalten. Das geht einfach nicht. Diese Flächen sind einfach zu wertvoll. Und aus meiner Sicht ist es Aufgabe des UKE, den Mitarbeiterinnen Parkflächen zur Verfügung zu stellen, die nicht mit ÖPNV dort angebunden sind. Genau das machen die im Übrigen auch und bauen ein Parkhaus auf dem eigenen Gelände.

Können Sie noch mal umreißen, was eigentlich das Ziel des Bewohnerparkens ist?

Lorenzen: Das Bewohnerparken soll den Parkdruck in dicht besiedelten Quartieren senken. Wer dort wohnt, bekommt für günstige 65 Euro im Jahr einen Parkausweis, mit dem er dort parken kann. Alle anderen zahlen relativ hohe Gebühren pro Stunde. Die meisten Bewohner wünschen sich die Einführung, weil der Parkdruck sonst zu hoch ist und sie keine Parkplätze finden. Das bessert sich deutlich durch das Bewohnerparken. Das ist eine gute und sinnvolle Maßnahme, die wir auch weiter ausbauen in der Stadt.

Thering: Der Parkdruck ist ja erst künstlich erzeugt worden von SPD und Grünen. Unter anderem hat man ja ohne Not die Stellplatzabgabe abgeschafft, es gibt also keine Verpflichtung mehr, beim Wohnungsbau auch Parkplätze zu errichten. Früher mussten pro Wohneinheit 0,6 Parkplätze mit entstehen oder man musste eine Ablöse zahlen. Die Abschaffung war ein Fehler. Und zum Thema Akzeptanz: In einigen Gebieten haben sich bei den Umfragen der Behörde nur vier Prozent der dort Ansässigen dafür ausgesprochen. Wenn am Ende nur sechs Prozent der Leute, die dort wohnen, daran teilnehmen, dann kann man da ja nicht von einer repräsentativen Umfrage sprechen. Deshalb stelle ich das mal infrage, ob alle da wirklich so begeistert sind. Und wenn wir uns angucken, wie die Ausnahmegenehmigungen erteilt werden: Ich habe die Zahlen noch mal in einer Senatsanfrage nachgelesen. Im Jahr 2020 wurden 70 Prozent der Ausnahmegenehmigung am Arbeitsort abgelehnt. Das ist ein klares Zeichen, dass Rot-Grün offensichtlich den Einzelhandel und den Mittelstand in Hamburg nicht im Fokus hat.

Die Pkw-Zahlen steigen wieder, die Leute kaufen Autos, auch wenn sie weniger fahren, aber wenn sie nicht fahren, müssen die Autos trotzdem irgendwo stehen. Glauben Sie, dass eine Stadt wirklich für jeden Autofahrer und seine Autos Platz vorhalten kann und muss?

Thering: Die Stadt kann nicht für jeden Autofahrer einen Parkplatz freihalten. Die Stadt sollte die Situation aber auch nicht immer weiter verschärfen. Parkplatzsuchverkehre sind schlecht für Verkehrssicherheit und das Klima. Und SPD und Grüne sollten die Situation nicht dadurch immer weiter verschärfen, dass sie die Abschaffung der Stellplatzabgabe im Wohnungsbau beibehalten und jeden Tag weiter Parkplätze im öffentlichen Raum zurückbauen. Wir schlagen den Bau von Quartiersgaragen vor, um die Parkplätze unter die Erde zu verlegen. Das schafft oberirdisch Platz für Radfahrer und Fußgänger und unterirdisch mehr Parkraum.

Quartiersgaragen muss aber jemand bauen, für den es sich lohnt. Das heißt, da müssen die Nutzer hohe Monatsgebühren zahlen. Viel mehr als beim Bewohnerparken, sagen wir mal: vielleicht 100 Euro im Monat statt 65 im Jahr wie beim Bewohnerparken.

Thering: Ob das 100 Euro im Monat sind, muss man sehen, aber Hamburg braucht auf jeden Fall eine Lösung. Man kann es auf keinen Fall so machen, wie der Senat es macht. Immer mehr Parkraum abschaffen und dann sagen: Ist uns doch egal, wo die Leute parken. Und dann gleichzeitig überall Bewohnerparken einführen, bis es zum totalen Kollaps kommt.

Konkret heißt das: Die CDU möchte, dass die Leute in Quartiersgaragen parken und das auch selbst bezahlen, richtig?

Thering: Ich glaube, viele Hamburgerinnen und Hamburger wären dazu bereit, wenn sie nicht jeden Tag stundenlang einen Parkplatz suchen müssen. Und man muss das auch mal mit den Tickets vergleichen, die Pendler dann für drei Euro die Stunde, wenn sie etwa zum Arbeitsplatz in der Bewohnerparkzone fahren, bezahlen müssten. Das wären dann mehr als 400 Euro im Monat. Und da wäre eine Quartiersgarage deutlich günstiger.

Herr Lorenzen, war es ein Fehler, die Stellplatzabgabe abzuschaffen, also die Pflicht, beim Wohnungsbau auch Parkplätze zu bauen?

Lorenzen: Nein, ich erinnere mich, dass das vor allem damit zu tun hatte, dass man den Wohnungsbau nicht mehr zusätzlich verteuern wollte. Außerdem sagen alle Untersuchungen, die ich kenne: Je mehr Parkplätze man hat, desto mehr Menschen haben Pkw und desto mehr Menschen fahren auch damit. In hoch verdichteten Gebieten haben jetzt schon viele Menschen keine Autos mehr, sondern nutzen andere Verkehrsangebote. Wir brauchen weniger Stellplätze, damit Menschen ihre Autos abschaffen.

Thering: Eure Theorie geht ja nicht auf. Es werden immer weniger Parkplätze und trotzdem immer mehr Autos.

Ist nicht eine große Hoffnung des Bewohnerparkens auch, dass die Leute ihr Auto abschaffen? Wirkt das überhaupt bei so einem vergleichsweise günstigen Preis von nur 65 Euro für den Jahresausweis?

Lorenzen: Ja, die Hoffnung ist, dass mehr Menschen auf das Auto verzichten – und das tun auch immer mehr. Bewohnerparken senkt den Parkdruck erheblich. Das spricht dafür, dass auch Menschen ihre Autos abschaffen. Und dafür, dass also schon der geringe Preis zur Sensibilisierung reicht. Als ich noch in Eimsbüttel wohnte, habe ich mein Auto auch irgendwann abgeschafft, nachdem ich dreimal abgeschleppt wurde und sowieso nur Fahrrad und Bahn gefahren bin. Ich war einer von diesen vielen Leuten, die irgendwo noch die alte Möhre von Oma stehen haben, mit der sie alle acht Wochen mal einen Ausflug machen. Und dafür nehmen wir aber unglaublich viel öffentlichen Raum ein, den wir auch für Grünflächen benutzen können, für Fußgängerverkehr, für alle, Mobilitätswende, Fahrradverkehr. Und das ist doch die Geschichte, dass dieser öffentliche Raum einfach sehr wertvoll ist und deswegen auch anders genutzt werden kann, als Autos darauf stehen zu haben, die gar so gut wie gar nicht bewegt werden.

Die CDU will die alten Möhren in die Quartiersgaragen verschieben, da stören sie ja nicht.

Lorenzen: Die CDU benennt das Problem zum Beispiel bei Handwerkerparken ja total klar. Und daran arbeiten wir auf allen Ebenen. Ich verstehe aber nicht, Dennis, dass ihr den Leuten so Sand in die Augen streut mit den Quartiersgaragen. Die kosten das 12- bis 15-fache verglichen mit dem Bewohnerparken. Also damit überholt ihr uns doch quasi links auf der Überholspur, weil das würde nämlich bei der Preisbildung bedeuten, dass in den Quartieren wahrscheinlich 90 Prozent der Leute ihr Auto abschaffen. Wir sagen, solche Mobilitätsveränderung geht langsam, und deswegen ist das Bewohnerparken doch nur ein kleiner weiterer Schritt, dass man zum Beispiel diese Autos, die eigentlich nie bewegt werden, erst mal wegschafft aus dem Quartier, damit die Leute, die ihr Auto regelmäßig bewegen, wieder einen Parkplatz finden.

So funktioniert es

In Hamburg gibt es bereits mehr als 50 Bewohnerparkgebiete. Die Parkgebühr pro Stunde ist je nach Gebiet unterschiedlich hoch und liegt zwischen 1,50 und 3 Euro pro Stunde, die Höchstparkdauer beträgt zwei oder drei Stunden. Die Zonen werden auch unterschiedlich lang pro Tag bewirtschaftet.

Auf Flächen wie etwa dem Großneumarkt müssen Auswärtige von 8 bis 24 Uhr täglich bezahlen, am Wohlers Park von 9 bis 2 Uhr nachts, im Kontorhausviertel dagegen nur werktags von 9 bis 20 Uhr. In einigen Gebieten werden im Automaten auch Tagestickets für 10 Euro angeboten.

Besucherparkausweise kosten in der Regel 3 Euro, in vereinzelten Gebieten, beispielsweise in Billstedt und Langenhorn, nur 2,50 Euro.

Tatsächlich findet man heute in manchen Vierteln leichter einen Parkplatz. Und 65 Euro wirkt ja fast wie ein Schnäppchen für ein Jahresticket.

Lorenzen: Das ist ein Megaschnäppchen im europäischen Vergleich. Und um das klar zu sagen: Es sind auch aktuell keine weiteren Preiserhöhungen geplant. Denn der geringe Preis reicht ja schon, um eine Wirkung zu erzielen.

Thering: Eines muss noch mal zentral festgehalten werden: Der Parkdruck nimmt überhaupt nicht ab durch das Bewohnerparken. Er verlagert sich nur in benachbarte Viertel ohne Bewohnerparken.

Lorenzen: Das ist einfach falsch. Das traf früher zu, als es nur wenige vereinzelte Bewohnerparkgebiete gab und die Autofahrer einfach ausweichen konnten. Heute muss man sich doch nur die Karte ansehen: Es gibt immer mehr Bewohnerparkgebiete in der Fläche. Wenn ich jetzt in Eimsbüttel im Bewohnerparkgebiet bin, kann ich nicht mehr ausweichen, weil das benachbarte Viertel eben auch immer öfter Bewohnerparkgebiet ist. Und das senkt langfristig den Parkdruck überall.

Also soll irgendwann die ganze Stadt Bewohnerparken bekommen?

Lorenzen: Überall dort wo es sinnvoll ist, sollte es eingeführt werden. Aber wir müssen mal auf die Grundfrage kommen, und die lautet: Wie schaffen wir es, Flächen von Autos zu befreien, die sowieso sehr wenig bewegt werden. Was können wir mit all diesen Flächen anfangen, um unsere Stadt lebenswerter zu machen? Das ist die Grundfrage, die wir uns stellen. Man kann in jede moderne Stadt gucken, und überall findet das statt, dass öffentliche Flächen umverteilt werden – weg vom Auto, hin zu neuer Nutzung.

Sie wollen also noch mehr Parkplätze abbauen?

Lorenzen: Ja, Teil der Mobilitätswende ist selbstverständlich die Umverteilung von Flächen für andere Nutzung. Die braucht man für Radverkehr, für mehr Grünflächen und mehr Flächen für Fußgänger. Es gibt in ganz Deutschland keine Straßenplanung in Städten mehr, bei denen nicht auch Parkflächen wegfallen. Es geht aber nicht darum, etwas wegzunehmen. Es geht darum, etwas gutes Neues zu schaffen.