Hamburg. Die große Mehrheit hält die Erinnerungslücken des Bundeskanzlers für unglaubwürdig. Die Ansicht der SPD-Anhänger überrascht.

Mehr als 70 Prozent der Deutschen glauben einer Umfrage zufolge nicht, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) keine Erinnerungen an Gespräche mit Vertretern der in die Cum-Ex-Affäre verstrickten Hamburger Warburg-Bank hat. Selbst eine Mehrheit der SPD-Anhänger von 56 Prozent vertritt diese Auffassung, wie eine repräsentative Erhebung des Instituts Kantar für das Magazin „Focus“ ergab. Lediglich elf Prozent glauben Scholz demnach in der Sache.

In einer anderen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für „Focus Online“ hatte zuvor eine deutliche Mehrheit gefordert, dass Scholz sich ausführlicher zur Cum-Ex-Affäre äußern solle. 78 Prozent der Umfrageteilnehmer antworteten darauf mit „ja“ oder „eher ja“.

Cum-Ex-Skandal: Scholz kann sich nicht erinnern

Der Kanzler hatte sich kürzlich vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft erneut mehrfach darauf berufen, sich an Inhalte von drei Treffen mit den Eignern der Warburg-Bank in den Jahren 2016 und 2017 nicht mehr erinnern zu können. Unter anderem diese Treffen hatten den Verdacht genährt, dass der damalige Bürgermeister und die Banker Absprachen zum Schutz der Bank getroffen haben könnten.

Denn vor den Gesprächen hatte das Finanzamt für Großunternehmen vor, rund 47 Millionen Euro an erstatteten Kapitalertragsteuern von Warburg zurückzufordern. Dann kam es zu den Treffen im Rathaus, beim zweiten übergaben die Warburg-Gesellschafter Scholz ein Papier mit dem Standpunkt der Bank. Einige Tage später rief Scholz zurück und riet, das Papier an Finanzsenator Peter Tschentscher zu schicken.

Auf Forderung wurde verzichtet

Dieser leitete es mit der Anmerkung „Bitte um Informationen zum Sachstand“ an die Steuerverwaltung weiter. Wieder einige Tage später, im November 2016, entschieden Mitarbeiter des Finanzamts und der Finanzbehörde gemeinsam, auf die Forderung zu verzichten. Im Ausschuss begründeten sie das damit, dass nicht nachzuweisen gewesen sei, dass es sich um Cum-Ex gehandelt habe.

Für die CDU reicht Tschentschers kleine Anmerkung als Beleg dafür, dass er politischen Einfluss auf das Verfahren genommen hat. Die SPD verweist hingegen darauf, dass alle an der Entscheidung beteiligten Personen im Untersuchungsausschuss ausgesagt hätten, dass niemand Druck auf sie ausgeübt habe. Im Übrigen sei gar kein Schaden für Hamburg entstanden, da Warburg nach einem Gerichtsurteil alle Forderungen beglichen habe. Auch Tschentscher und Scholz selbst weisen die Vorwürfe zurück.

Cum-Ex-Skandal: PUA soll erweitert werden

Wie berichtet, soll der Untersuchungsausschuss auf die Cum-Ex-Geschäfte der HSH Nordbank erweitert werden. Am Donnerstag berät der Verfassungsausschuss der Bürgerschaft über den Antrag von CDU, Linken und FDP.