Hamburg. Zwei Tage nach dem Tod eines 22-Jährigen beschäftigt die Polizei Hamburg ein ähnlicher Fall mit drei Teenagern.
Nur zwei Tage nach dem Tod eines 22-Jährigen bei einer Drogenparty in einem Hotelzimmer auf der Reeperbahn hat am Donnerstag ein ähnlicher Vorfall die Polizei in Langenhorn beschäftigt. Am Morgen mussten Beamte und Rettungskräfte ausrücken, weil zwei 17- und eine 14-Jährige benebelt auf einem Spielplatz lagen. Einer musste reanimiert werden. Alle kamen ins Krankenhaus. Vermutlich hatten sie Medikamente als Ersatz für Drogen genommen.
Im Fall der Drogenparty auf dem Kiez dauern die Ermittlungen der Polizei an. Ein Fremdverschulden wurde bislang nicht festgestellt. In dem Zimmer war auch ein 13 Jahre altes Mädchen, das, wie zwei weitere Männer, wegen einer Überdosis Rauschmittel ins Krankenhaus kam. Die 13-Jährige ist Bewohnerin einer Jugendeinrichtung in Harburg.
Mittlerweile kam heraus, dass das Kind von Betreuern bereits rund 40-mal als vermisst gemeldet worden war. Nahezu wöchentlich soll sie aus der Einrichtung in Harburg, in der sie lebt, verschwinden. Zuletzt war sie am 23. August – also am Tag der Drogenparty im Hotel – vermisst worden. Das Hotelzimmer selbst war bereits seit Montag gebucht gewesen. Offenbar war das Kind zu der Gruppe aus vier Männern dazugestoßen.
Polizei Hamburg: Drogen in Hotelzimmer gefunden
In dem Hotelzimmer hatte die Polizei verschiedene Substanzen sichergestellt, bei denen es sich laut Schnelltests um Drogen – vermutlich Kokain und Marihuana – handelt. Ergebnisse einer genauen Analyse durch die Kriminaltechnik stehen noch aus. Auch lagen am Donnerstag noch keine Ergebnisse der Obduktion des verstorbenen 22-Jährigen vor. Unklar ist auch, wie die Männer und die 13-Jährige zueinander in Verbindung stehen.
Die Männer wohnen alle in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs. Einen relevanten kriminellen Hintergrund haben sie nicht, da sie in der Vergangenheit allenfalls durch Drogendelikte in Verbindung mit Eigenkonsum auffielen. Das „härteste Kaliber“ ist dabei offenbar die 13-Jährige, die in der Vergangenheit mehrfach wegen Diebstahls-, aber auch Körperverletzungsdelikten von der Polizei aufgegriffen wurde. Verantworten muss sie sich jedoch nicht, da sie als Kind strafunmündig ist.
Balduintreppe gilt als Umschlagplatz für Drogen
Woher die Drogen kommen, ist unklar. Ganz in der Nähe ist die Balduintreppe, die als Umschlagplatz für Drogen wie Kokain, Marihuana und Haschisch, aber auch synthetische Drogen gilt. Seit Jahren ist die Polizei mit der „Task Force“ gegen Drogenkriminalität dort im Einsatz. Die Balduintreppe gilt als Versorgungspunkt für Partygänger, die auf dem nahen Kiez unterwegs sind. Diese ungewöhnliche Konstellation sieht die Polizei auch als Grund für eine teilweise Solidarisierung von Anliegern mit der Rauschgifthändlerszene gegen die Polizei.
„Dort kaufen nicht, wie in St. Georg oder Altona, die schwerstabhängigen, oft verwahrlosten Konsumenten Drogen, die alle Nebenwirkungen für die Nachbarschaft solcher Umschlagplätze mitbringen, sondern unauffällige Partygänger. Damit ist der Leidensdruck für die Anlieger nicht so hoch und gleichzeitig die Toleranz für das Treiben ausgeprägt“, so ein Beamter. „Das ist eine in Deutschland einmalige Situation.“
Jugendliche nach Medikamenten-Einnahme in Klinik
Im Fall der drei Jugendlichen, die am Donnerstagmorgen in einer Grünanlage nahe der Grundschule Krohnstieg aufgefunden wurden, dauern die Ermittlungen der Polizei ebenfalls an. Auch die beiden Jungen und das Mädchen stammen, wie die 13-Jährige, aus einer Jugendhilfeeinrichtung. Alle drei kamen nach der mutmaßlichen Medikamenten-Einnahme ins Krankenhaus. Der Zustand des 17-Jährigen, der reanimiert werden musste, habe sich stabilisiert. Am Freitag musste er jedoch weiterhin auf der Intensivstation behandelt werden, wie ein Polizeisprecher sagte.
Der Teenager war zusammen mit einem weiteren 17-Jährigen und einer 14-Jährigen in ein Krankenhaus gebracht worden. Der zweite Junge habe das Krankenhaus inzwischen verlassen, sagte der Sprecher am Freitag. Auch das Mädchen sollte in Kürze entlassen werden. Alle konnten laut Polizei noch nicht befragt werden. Die Ermittler gehen von „Medikamenten-Beeinflussung“ aus. Die Ergebnisse, was die Jugendlichen genau zu sich nahmen, seien noch nicht da.
Gegenüber der Polizei hatten die beiden ansprechbaren Jugendlichen, die keine Ausweispapiere dabeigehabt haben sollen, keine Angaben gemacht, nicht einmal zu ihrer Identität. Zumindest die konnte jedoch zwischenzeitlich festgestellt werden.
Polizei Hamburg: Medikamente nur mit BtM-Rezept erhältlich
Bislang besteht der Verdacht, dass das Trio verschreibungspflichtige Medikamente eingenommen hat. Sie sind in der Szene verbreitet. Solche Medikamente, die mutmaßlich auch in dem Hotelzimmer auf dem Kiez konsumiert wurden, werden benutzt, um nach dem Gebrauch aufputschender Drogen wie Kokain oder Amphetaminen Ruhe zu finden.
In anderen Fällen werden bestimmte Medikamente konsumiert, weil sie beruhigen, Angstzustände lösen und euphorisch machen. In der Regel handelt es sich um Opioide, die in der Medizin als Schmerzmittel zum Einsatz kommen.
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Solche Medikamente erhält man nur mit einem speziellen BtM-Rezept, das an besondere Formalien gebunden ist. Legal sind sie nicht zu bekommen. Deshalb werden sie wie Rauschgift von Dealern gehandelt. Falsch dosiert kann die Einnahme dieser Mittel tödlich enden, weil sie zu einem Kreislaufkollaps oder Atemlähmung führen können. Eine Einnahme über einen längeren Zeitraum macht die Konsumenten psychisch und physisch abhängig.