Hamburg. Hunderte Demonstranten hatten sich im Vorfeld der Blockaden im Hamburger Hafen selbst verletzt. Die Polizei ist frustriert.

Verklebte Finger, deren Kuppen selbst verstümmelt wurden – mit diesem Vorgehen haben die Teilnehmer der Klimawoche, die am Sonnabend Bahngleise blockiert hatten, die Polizei aus dem Konzept gebracht. Zwar wurden 526 sogenannte identitätssichernde Maßnahmen von mutmaßlichen Straftätern durchgeführt. Allerdings konnte tatsächlich nur ein Bruchteil identifiziert werden. Die meisten vorläufigen Festgenommenen entließ die Polizei, ohne zu wissen, wen sie da festgesetzt hatte. Jetzt versuchen die Beamten in mühevoller Kleinarbeit, nachträglich ihre Identität zu klären.

Die schiere Masse an Aktivisten, die ihre Identität auf ebenso schmerzhafte wie effektive Weise verschleiert hatten, ließen die polizeilichen Maßnahmen zunächst ins Leere laufen. Sie hatten gezielt alle Register gezogen, um eine Identifizierung zu erschweren. Dazu gehörte auch, dass sie ihre Fingerkuppen zumeist mit Kleber, aber auch mit dicker Farbe beschmiert hatten.

Der Clou: Auch die Papillarleisten, also die Hautrillen auf den Fingern, hatten die Blockierer zerstört. „Das passierte durch Einritzen, Ätzen oder gezieltes Verbrennen“, so ein Beamter. Für die Polizei ein unüberwindliches Hindernis bei der Identitätsfeststellung.

Polizei Hamburg kann Klimacamper nicht identifizieren

Die Festgenommenen sagten nicht ihren Namen, hatten keine Ausweispapiere und konnten nicht über die Fingerabdrücke, jedenfalls nicht in der dafür rechtlich zur Verfügung stehenden Zeit, namhaft gemacht werden. „Die Polizei hat maximal zwölf Stunden Zeit, eine freiheitsentziehende Maßnahme zur Identifizierung einer Person durchzuführen“, so Polizeisprecherin Sandra Levgrün.

Ist allerdings absehbar, dass das nicht in den zwölf Stunden klappt, muss die Person früher auf freien Fuß gesetzt werden. Nur ein Richter hätte die Zeit in der Zelle verlängern können. Das wird bei Taten wie Nötigung, die am Sonnabend der Tatvorwurf war, in der Regel aber nicht gemacht.

Aktivisten haben die Gleise im Hamburger Hafen besetzt, um für Klimagerechtigkeit zu protestieren.
Aktivisten haben die Gleise im Hamburger Hafen besetzt, um für Klimagerechtigkeit zu protestieren. © picture alliance/dpa | Markus Scholz

Hinzu kam, dass die Polizei mit dem Festsetzen von mehr als 500 Menschen an ihre Grenzen stößt. Die Kapazitäten der Wachen reichen für so große Gruppen nicht aus – auch wenn eigens Gefangenensammelstellen eingerichtet worden waren. Im Ergebnis kamen nur wenige Blockierer an die Wache. Viele wurden mit HVV-Bussen bis zum Bahnhof Veddel gefahren – und dort entlassen. „Höhnisch winkend“, so erinnert sich ein Beamter, seien die Freigelassenen gegangen.

„Bei den Kollegen, die an dem Sonnabend in der Schutzausrüstung bei glühender Hitze ihren Dienst verrichteten, hat das einen verheerenden Eindruck hinterlassen“, sagt Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Da werden als Vorbereitung zur Begehung von Straftaten ganz gezielt identitätsverschleiernde Maßnahmen durchgeführt. Und das bleibt zunächst einmal folgenlos. Das ist weder den Kollegen, noch der Bevölkerung zu erklären“, so Jungfer.

Polizei Hamburg: „Das ist hochgradig unbefriedigend“

Die Polizei selbst ist auch nicht glücklich mit der Situation. „Das ist hochgradig unbefriedigend“, sagt Polizeisprecherin Levgrün. „Die koordinierten Vorbereitungen zeigen ja ganz deutlich, mit was für einer Klientel wir es zu tun hatten. Man wird sich mit der Justiz zusammensetzen müssen, um eine Lösung zu finden, die der Praxis gerecht wird.“ Ganz aufgegeben hat die Polizei nicht.

Das LKA 7, die Staatsschutzabteilung, hat die Ermittlungen übernommen. Dort hofft man, dass man viele der nicht identifizierten Blockierer namhaft machen kann. Dabei sollen Fotos helfen, die die Polizei von jenen gemacht hat, die sie zuvor von den Gleisen geholt hat. Sie werden an Polizeidienststellen in ganz Deutschland, aber auch ins Ausland geschickt – in der Hoffnung, dass jemand die Verdächtigen erkennt. Viele der Blockierer dürften schon bei früheren Aktionen dabei gewesen sein, bei denen auch ihre Identität festgestellt wurde.

Gute Erfahrungen machte die Polizei mit der Identifizierung von Gesuchten über Fotos schon nach den Krawallen rund um die G20-Tagung in Hamburg. Die Erfolge der Soko „Schwarzer Block“ hatte in den rund 15 Monaten ihres Bestehens rund 850 Personen, zu einem großen Teil über Fotos, identifiziert. „Das ist im Zusammenhang mit den jetzt anstehenden Ermittlungen personell nicht machbar“, sagt Jungfer. Denn es geht bei den Ermittlungen um Nötigung und Beleidigung.

Zwar wird auch im Zusammenhang mit den Aktionen am Sonnabend wegen des gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr ermittelt. Aktivisten hatten an der Straße Hohe Schaar Drahtseile über die Gleise gespannt. Verdächtige gibt es bisher nicht. Es liege aber nahe, dass auch diese Tat „im Zusammenhang mit den Aktionen“ erfolgt sei, so Levgrün.