Hamburg. Eimsbüttel verhängt die meisten Bußgelder, doch ein anderer Bezirk ist stärker betroffen. Die Beispiele sind gravierend.

Krise im Wohnungsbau, fieberhafte Suche nach Unterkünften für ukrainische Geflüchtete – und nun stellt sich heraus, dass es nach wie vor einen beträchtlichen Leerstand in Hamburg gibt. Gut 2600 Wohnungen sind derzeit unvermietet – das geht aus der Senatsantwort auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten André Trepoll hervor.

In vielen Fällen wissen die Behörden nicht einmal, wie lange die Wohnungen schon leer stehen, aus welchen Gründen und ob und wann Bußgelder verhängt werden. Offenbar ist auch die Zahl dieser Strafen zurückgegangen.

Immobilien Hamburg: Viele Wohnungen stehen leer

Die Beispiele sind gravierend: Rumpelstilzchen, Dornröschen und Co – im Hamburger Märchenviertel in Schnelsen klingen die Straßennamen so idyllisch, wie sie aussehen: Schmucke Einfamilienhäuser mit Vorgärten reihen sich an kleine Villen inmitten von üppigem Grün. Doch am Königskinderweg Ecke Goldmariekenweg stört etwas das Idyll: zwei leer stehende Gebäude rotten vor sich hin. Hier tischte lange Der Insulaner auf, neben dem griechischen Restaurant war ein Wohnhaus. Nach fünf Jahren Leerstand sind die Häuser zu Ruinen verkommen.

Leerstand in Hamburg: "Es ist ein Jammer"

„Das ist ein Jammer für Schnelsen“, sagt Nachbar Bernd Glodek, „und ein Schandfleck für die Anwohner.“ Nur ein verwittertes Schild erinnert daran, dass man hier einst Plätze reservieren musste, so beliebt war das Lokal. Zwei neue Doppelhäuser soll der Eigentümer der Immobilie hier geplant haben, sagt Anwohner Glodek. Das Bezirksamt Eimsbüttel erklärte, es seien inzwischen zwei Grundstücke zusammengelegt worden. Ein Bauantrag für ein Haus liege seit Längerem vor, die Genehmigung dafür seit März dieses Jahres. Von Bauzäunen oder Baggern ist jedoch nichts zu sehen.

Der CDU-Abgeordnete André Trepoll hat eine Anfrage zum Leerstand in Hamburg gestellt.
Der CDU-Abgeordnete André Trepoll hat eine Anfrage zum Leerstand in Hamburg gestellt. © Roland Magunia / Hamburger Abendblatt

Hamburgs Bezirksämter tun sich schwer mit dem Leerstand in der Stadt. Warum haben Wohnungen und ganze Komplexe keine Mieter? Wer meldet das? Muss man jedem Fall nachgehen? Ist es nur vorübergehend, weil neu- oder umgebaut wird? Und was bedeutet „vorübergehend“? Eine Antwort auf die kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten André Trepoll hat kein klares Bild ergeben. So meldete der Bezirk Bergedorf gar keinen neuen Leerstand, während es in Mitte mit 612 Wohneinheiten mutmaßlich am schlimmsten war. Was sagt die Zahl von rund 2600 Wohnungen aus, die nach den Senatszahlen im Juli 2022 in Hamburg leer standen?

Mitte, Nord und Wandsbek haben die Gründe für den Leerstand nicht erfasst. Baumaßnahmen sind der überwiegende Grund in den anderen Bezirken. Auffällig ist, dass in Eimsbüttel in 89 Fällen noch „der Sachstand ermittelt wird“. In anderen Teilen Hamburgs sind es laut Senatsantwort erheblich weniger unbekannte Fälle oder keine. „Dass der Senat es zulässt, dass trotz des extrem angespannten Wohnungsmarktes 2610 Wohnungen in Hamburg leer stehen, ist alarmierend“, sagt der für die Bezirke zuständige CDU-Mann Trepoll. „Und noch alarmierender ist es, dass die zuständigen Stellen in manchen Bezirken weder wissen, wie lange der jeweilige Leerstand besteht, noch aus welchen Gründen das so ist.“

Woran der Wohnungsbau in Hamburg oft krankt

Der Senat habe seine Wohnungsbauziele erheblich verfehlt. Umso wichtiger sei es, „dass Bestandswohnungen nicht jahrelang leer stehen, sondern Mietern zur Verfügung gestellt werden“, so Trepoll.

Schon das „Ermitteln“ kann sich hinziehen. Auch mal über Jahre. Das zeigt das Beispiel des einstmals vier gelbgeklinkerte Wohnblöcke umfassenden Ensembles zwischen Grandweg und dem Park An der Lohbek in Lokstedt. Seit Jahren steht die überwiegende Zahl der Wohnungen leer. Ein Block wurde mittlerweile abgerissen, um einen zweiten steht eine Art Bauzaun. Zwischenzeitlich waren hier eine Kleiderkammer und Geflüchtete untergebracht, die längst in regulären Wohnungen leben.

Das Bauland-Mobilisierungsgesetz soll das Bauen erleichtern – in der Theorie. Oft scheitert die Geschwindigkeit an Widersprüchen, langen Verfahren und dem Mangel an Handwerkern und Material.
Das Bauland-Mobilisierungsgesetz soll das Bauen erleichtern – in der Theorie. Oft scheitert die Geschwindigkeit an Widersprüchen, langen Verfahren und dem Mangel an Handwerkern und Material. © Daniel Reinhardt/picture alliance/dpa

Jetzt hat das Bezirksamt dem Eigentümer, der Potenberg Gruppe, einen Bußgeldbescheid wegen Verstoßes gegen das Wohnraumschutzgesetz geschickt. Nachbarn und Bezirkspolitiker wie Ernst Christian Schütt (SPD) fragen sich ohnehin, warum das so quälend lange dauerte.

Hamburg sucht Wohnraum für Kriegsflüchtlinge

Doch so einfach ist es nicht. Es gab Begehungen und Expertisen, ob man die Gebäude nicht zwischenvermieten könne. Denn Hamburg sucht wieder händeringend Wohnraum für ukrainische Kriegsflüchtlinge. Doch die maroden Gebäude haben Schäden, die eine Unterbringung offenbar nicht erlauben.

Aus der Potenberg Gruppe heißt es, man wolle so neu bauen, dass es sich auch rechne. Drei statt bislang vier Blöcke waren genehmigt. Den Antrag auf sechs Geschosse statt vier hat das Bezirksamt aber abgelehnt. Dagegen geht der Eigentümer und potenzielle Bauherr jetzt vor. Man befinde sich im Widerspruchsverfahren, heißt es. Und: Mit Verweis auf das von Hamburg so gepriesene Baulandmobilisierungsgesetz müsse es doch möglich sein, sechs statt vier Geschosse zu bauen. Bezirkspolitiker Schütt sagt: „Ich verstehe wirklich nicht, dass in dieser exzellenten Lage mit dem Park vor der Haustür nicht gebaut wird.“

Bußgelder bis zu 500.000 Euro

Verdichten und aufstocken hat sich der Senat auf die Fahnen geschrieben, um sein Wohnungsbauziel zu erreichen. Dazu wurde im vergangenen Jahr extra eine Verordnung erlassen, die das beschleunigen soll. Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Kay Gätgens (SPD) sprach von mehr Flexibilität bei Baugenehmigungen. Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) sagte: „Das Baulandmobilisierungsgesetz bietet große Chancen für mehr bezahlbaren Wohnraum, den wir dringend brauchen.“ In Lokstedt geht es dennoch nicht voran.

Hamburg hat mit diesem Gesetz und dem Wohnraumschutz bereits Instrumente, um auch gegen Leerstand hart und nachhaltig vorzugehen. Wie berichtet, geht zum Beispiel der Bezirk Altona sogar gegen die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben vor, die zahlreiche Wohnungen in Osdorf und Iserbrook seit Jahren unvermietet lässt.

Vermieter müssen einen Leerstand nach vier Monaten melden – außer, es steht eine Sanierung oder ein Abriss an. Bußgelder können bis zu 500.000 Euro betragen. Bei besonders widerspenstigen Eigentümern kann als nächste Eskalationsstufe ein Treuhänder eingesetzt werden, der die verlassenen Wohnungen saniert und vermietet.

Leerstand in Hamburg-Iserbrook: Auch dieses Haus im Grotefendweg gehört der Bima – es steht ebenfalls leer.
Leerstand in Hamburg-Iserbrook: Auch dieses Haus im Grotefendweg gehört der Bima – es steht ebenfalls leer. © HA | Thorsten Ahlf

Das ist bereits in Einzelfällen geschehen. Nach dem Hamburgischen Wohnraumschutzbericht wurden im Jahr 2020 insgesamt 1,4 Millionen Euro an Bußgeldern für 48 Fälle eingetrieben. Das war eine erkleckliche Steigerung gegenüber den Jahren 2018 (932.500 Euro) und 2019 (1,1 Millionen Euro).

Anwohner in Eimsbüttel melden den meisten Leerstand

In der Senatsantwort auf die Anfrage von CDU-Mann Trepoll heißt es, dass Bergedorf und Mitte keine oder keine neuen Bußgelder verhängt hätten. Für Wandsbek war eine Auswertung wegen der Kürze der Beantwortungsfrist nicht machbar. Die übrigen Bezirke schrieben in den Jahren 2021 und 2022 insgesamt 47-mal Bußgeldbescheide, Eimsbüttel die meisten (36) und höchsten. Doch es war bislang ein erheblicher Rückgang von 2021 auf 2022 zu beobachten.

Diese Villa an der Niendorfer Straße 70 in Lokstedt steht seit Jahren leer.
Diese Villa an der Niendorfer Straße 70 in Lokstedt steht seit Jahren leer. © Michael Rauhe

Eimsbüttel ist speziell, was den Leerstand angeht. In keinem anderen Bezirk kommen so viele Hinweise (417) auf unvermietete oder unbewohnte Objekte von Anwohnern oder aus den Medien, ergab die Senatsantwort. In Nord (195) waren es nicht mal die Hälfte, in Altona nur 52.

Möglicherweise sind die Menschen in den dichter besiedelten Quartieren auch aktiver, wenn es um das Schicksal so besonderer Häuser geht wie in Lokstedt an der Niendorfer Straße. Dort steht eine Stadtvilla unter Denkmalschutz seit Jahren leer. Das Bezirksamt kann dazu noch nichts Positives verkünden. Aber: Immerhin für das rückwärtige Grundstück liege ein Plan für ein Stadthaus mit drei Wohneinheiten vor. Er werde geprüft, so die Behörde. Mit Geschick und Glück könnten die künftigen Bewohner in wenigen Jahren auf eine Villen-Baustellen schauen.