Erster Bezirk mahnt Bundesanstalt wegen nicht vermieteter Immobilien ab. Mieterverein: „Behörde verhält sich wie ein Finanzinvestor.“

Behörde gegen Behörde: Im Fall der seit Jahren leer stehenden Wohnungen in Osdorf und Iserbrook hat das Bezirksamt Altona nun gegen die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) ein Verfahren eingeleitet. Eine erste Frist zu einer Stellungnahme zum Leerstand hat die Bundesbehörde bereits verstreichen lassen.

Nach Auskunft des Bezirksamtssprechers Mike Schlink erhalte die Bundesbehörde, die in Hamburg mehr als 260 Wohnungen und zahlreiche Grundstücke besitzt, nun eine Mahnung. „Sollte daraufhin keine Rückmeldung erfolgen, würde das Bezirksamt ein drittes Schreiben übermitteln. Dieses dritte Schreiben wäre die gebührenpflichtige Anordnung der Auskunft – die Bima müsste dann eine Gebühr in Höhe von 300 Euro für jede leer stehende Wohnung zahlen, die dem Bezirksamt bislang nicht gemeldet wurde.“

Leerstand in Hamburg: Wohnungen sollen saniert werden

Nach der letzten Auskunft der Bima stünden in Hamburg acht Wohnungen leer, einige seit drei oder vier Jahren. Das klingt zunächst nicht dramatisch. Doch Mieter der Bima im Hamburger Westen – zumeist Bundesbeamte und Soldaten – hatten sich im Abendblatt darüber beschwert, dass an ihren Wohnungen seit Jahren nichts gemacht worden sei. Die Bima erklärte, auch die leer stehenden Wohnungen sanieren und wieder vermieten zu wollen. Man arbeite noch an einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, wolle aber keines der Objekte verkaufen.

Mieterverein-Hauptgeschäftsführer Rolf Bosse sagte dem Abendblatt: „Diese bundeseigene Anstalt benimmt sich wie ein Finanzinvestor, der durch Verfall und Desinteresse seine Bestände entmieten und dann teuer weiterverkaufen will.“ Auch hätten die Bezirke zu lange weggeschaut.

Mieterverein: Bezirke haben zu lange weggeschaut

Rolf Bosse ist neuer Hauptgeschäftsführer des Hamburger Mietervereins
Rolf Bosse ist neuer Hauptgeschäftsführer des Hamburger Mietervereins © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Aus anderen Städten wird ebenfalls ein jahrelanger Leerstand von Bima-Immobilien berichtet – aber auch von Verkäufen. Nach Abendblatt-Informationen kommt die Bonner Behörde, die ans Finanzministerium angedockt ist, vor allem wegen Personalmangels nicht mit der Verwaltung ihrer Wohnungen und Häuser hinterher. Weil sie viele neue „Liegenschaften“ verwalten muss, die in den vergangenen Jahren in Bundesbesitz übergegangen sind, wollte sie Personal aufstocken, findet aber keine (geeigneten) Mitarbeiter.

Das ist vor dem Hintergrund der Suche nach Unterkünften für Ukraine-Flüchtlinge besonders bitter. In Hamburg drohen nach dem Wohnraumschutzgesetz empfindliche Strafen. Sogar eine Enteignung wäre möglich. Der Fall ist politisch kurios: Das weiß auch der Vorstandssprecher der Bima: Christoph Krupp ist ein Vertrauter von Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) und war mal Bezirksamtsleiter in Bergedorf.

Wohnraumschutzgesetz: Spekulanten können sogar enteignet werden

Im Hamburgischen Wohnraumschutzgesetz ist es so eindeutig formuliert, dass Spekulanten wissen sollten, was ihnen blüht: Vermieter müssen einen Leerstand nach vier Monaten melden – sofern keine Sanierung oder ein Abriss ansteht. Die Bußgelder können theoretisch bis zu 500.000 Euro betragen. Es kann in Fällen hartnäckig widerspenstiger Eigentümer sogar ein Treuhänder eingesetzt werden, der die ver­lassenen Wohnungen saniert und vermietet. Das ist bereits in Einzelfällen geschehen.

Nach den letzten verfügbaren Zahlen des Hamburgischen Wohnraumschutzberichtes wurden im Jahr 2020 insgesamt 1,4 Millionen Euro an Bußgeldern für 48 Fälle eingetrieben. Das ist eine Steigerung gegenüber den Jahren 2018 (932.500 Euro) und 2019 (1,1 Millionen Euro). Als letztes Mittel steht eine Enteignung im Raum.

Kann Hamburg mit der SAGA die Bima-Wohnungen übernehmen?

Kaum denkbar, aber theoretisch möglich, dass das Bezirksamt Altona der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) die zum Teil seit Jahren leer stehenden Wohnungen in Osdorf und Iserbrook entreißt. Der Bezirk geht nach eigenen Angaben jetzt gegen den Leerstand in Wohnungen der Bundesbehörde des Finanzministeriums vor und hat die erste Eskalationsstufe gezündet. Die Bima erklärte zuletzt, sie wolle die Wohnungen sanieren und erneut vermieten. Zuvor müsse die Wirtschaftlichkeit geprüft werden. Wie lange das dauert, ist ungewiss. Dann könnte ein Bußgeldbescheid bereits von Behörde zu Behörde geflattert sein.

Auch dieses Haus am Grotefendweg gehört der Bima – es steht ebenfalls leer.
Auch dieses Haus am Grotefendweg gehört der Bima – es steht ebenfalls leer. © HA | Thorsten Ahlf

Mieterverein-Hauptgeschäftsführer Bosse erklärte dem Abendblatt: „Wir nehmen den Umgang der Bima mit ihren Beständen seit Jahren mit wachsender Fassungslosigkeit zur Kenntnis. Diese bundeseigene Anstalt benimmt sich wie ein Finanzinvestor, der durch Verfall und Desinteresse seine Bestände entmieten und dann teuer weiterverkaufen will. Wird der Abriss geplant? Das würde ich gerne mal wissen.“

Hamburgs Bezirke hätten nach seinen Worten „schon längst“ im Rahmen der Gesetze gegen die Bima vorgehen müssen. „Hier wurde zu lange weggeschaut.“ Er erwarte, dass „Bima und Bezirksämter jetzt nicht im Konflikt, sondern im Konsens einen Weg finden, wie die Leerstände zügig saniert und wieder vermietet werden können“. Scheitere das oder sehe sich die Bima nicht zum Beheben des Leerstandes in der Lage, solle Hamburg mit der Saga die Wohnungen übernehmen.

Hamburg: Bima-Wohungen sogar für Geflüchtete gedacht

Die Bima steht unter Druck, weil sie mit einer dünnen Personaldecke viele neue „Liegenschaften“ verwalten muss, die in den vergangenen Jahren in Bundesbesitz übergegangen sind. Aus anderen Städten wie Lüneburg wird ebenfalls ein über Jahre andauernder Leerstand von Bima-Immobilien berichtet. Es gibt allerdings auch Verkäufe aus dem Staatsbesitz.

Um kurzfristig ukrainischen Flüchtlingen eine eigene Unterkunft zu bieten, könnte man leer stehende Wohnungen renovieren und zur Verfügung stellen. Das ist eigentlich auch der Zweck dieses staatlichen Eigentums. Noch vor drei Jahren hatte die Bundesregierung auf eine Grünen-Anfrage im Namen der Bima beteuert: „Zwischennutzungen bundeseigener Wohneinheiten erfolgen vor allem zur Unterbringung von Asylbegehrenden und Flüchtlingen.“