Hamburg. Die Corona-Pandemie konnte die Gastronomen in Hamburg nicht ruinieren. Jetzt drücken neue Probleme auf die Stimmung.

Gemütlich was essen gehen, einen Cappuccino schlürfen oder das Feierabend-Bier in der Kneipe trinken: Viele Hamburgerinnen und Hamburger genießen nach der langen Corona-Pause das abwechslungsreiche Gastro-Angebot der Stadt. Auch wenn die Branche vor großen Herausforderungen steht: Das Gas­tro-Geschäft boomt, die Nachfrage ebbt nicht ab.

Restaurants in Hamburg: „Es gibt immer ein „Weiter““

„Der Branche geht es gut. Egal was passiert – in der Gastro gibt es immer ein ,Weiter‘“, so deutlich sagt es die Landesgeschäftsführerin des Hamburger Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, Ulrike von Albedyll, am Dienstag gegenüber dem Abendblatt. Innovation und maximale Flexibilität – das sei die Devise in der Branche. „Die kreativen Köpfe der Betriebe werden immer einen Weg finden, das Gewerbe am Laufen zu halten“, so von Albedyll.

Seit März 2020 wurden 1281 Lokale in Hamburg geschlossen

Dies belegen auch Zahlen, die dem Abendblatt vorliegen: Der Hamburger Senat antwortete auf eine Kleine Anfrage des FDP-Abgeordneten Sami Musa vom 18. Juli dieses Jahres. Musa wollte wissen, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf die Gastronomie in Hamburg hat.

Die Überraschung ist groß: In dem Zeitraum von März 2020 bis zum Juni dieses Jahres mussten 1281 Cafés, Restaurants und Bars in Hamburg schließen – währenddessen gab es jedoch 1298 Neueröffnungen. In der Antwort des Senats heißt es weiter, dass davon auszugehen ist, dass die Schließungen „in erheblichem Umfang pandemiebedingt sind“.

Gastro-Branche in Hamburg: "Schon immer in Bewegung"

Für von Albedyll sind die Zahlen jedoch keinesfalls verwunderlich: „In der Branche hat es schon immer viel Bewegungen gegeben – das ist nicht coronaspezifisch.“ Die Schließungen und Neueröffnungen seien also keineswegs auf die Folgen der Pandemie zurückzuführen – sondern schlicht auf das Wesen der Branche.

„Jede und jeder kann ein Café, ein Restaurant oder eine Bar aufmachen – das geht dann eben auch immer mit dem Risiko einher, das mal etwas nicht bei den Leuten ankommt“, so Albedyll. Zudem haben die staatlichen Hilfen während der Corona-Pandemie dazu beigetragen, dass viele Betriebe trotz vorübergehender Schließung überlebt haben.

Personalmangel und Inflation: Gastro vor großen Herausforderungen

Trotz der erfreulichen Neueröffnungszahlen sind die Probleme, vor denen die Gastro steht, natürlich nicht gering: Besonders der Personalmangel und die Preissteigerungen durch die Inflation und dem Krieg in der Ukraine setzten der Branche zu. Nach Einschätzung von Dehoga-Chefin von Albedyll fehlen zurzeit 6000 Mitarbeitende in Hamburgs Gastro-Szene: „Alle Fragen sich: Wo sind die Leute geblieben?“

Die Hauptursache des Personalmangels sei die neue Unsicherheit der Branche: „Die Gastronomie war immer ein krisensicheres Gewerbe. Nach Corona sind viele Mitarbeitende geängstigt“, so von Albedyll. Einige ehemalige Beschäftigte aus der Gastronomie seien beispielsweise zu DHL oder zu Corona-Testzentren gewechselt – und nicht wiedergekommen.

Dehoga-Präsident Michael Conrad und Ulrike von Albedyll
Dehoga-Präsident Michael Conrad und Ulrike von Albedyll © MARK SANDTEN / FUNKE FOTO SERVICES | Mark Sandten / FUNKE FOTO SERVICES

Folgen des Personalmangels: Mehr Ruhetage

Mangelndes Personal bei gleichzeitiger hoher Nachfrage: Das geht nicht ohne Konsequenzen für die Betriebe. Während von Albedyll keine Schließungen aufgrund von Personalmangel bekannt sind, müssen viele Betriebe jedoch ihre Öffnungszeiten anpassen: „Einige Gewerbe haben kürzer geöffnet oder führen Ruhetage ein. Viele müssen auch Events wie Geburtstage oder Hochzeiten absagen, da es einfach an Mitarbeitenden fehlt.“

Einige würden sich laut Dehoga-Chefin von Albedyll um die kommenden Wintermonate sorgen: Der Verlauf des Krieges in der Ukraine, die steigenden Energiekosten und die Corona-Pandemie drücken auf die Stimmung. „Richtig Angst um die Branche hat jedoch niemand. Gerade während der Einschränkungen wurde doch deutlich: Ohne die Gastro fehlt etwas.“

Hamburgs Restaurantbesitzer rechnen mit höheren Gästezahlen

Auch Jochen Ebnet zeigt sich optimistisch, was die Zukunft seines Restaurants angeht: Der 36-Jährige ist der Geschäftsführer des im April eröffneten Cotidianos am Alten Wall: „Wir erleben von Woche zu Woche einen stärkeren Ansturm an Gästen.“ Auf der großen Terrasse des Cotidianos können hippe Bowls, Avocado-Toasts und saftige Burger geschlemmt werden.

Zwar spüre auch er die Probleme mit der Personalfindung – doch er hat Glück: „Es kommen immer wieder vor allem Studierende auf mich zu, die erst als Gäste bei uns sind und dann hier arbeiten wollen.“ Er wolle den Herausforderungen entgegentreten: „Natürlich kann niemand ausschließen, dass Einschränkungen wie in der Pandemie wieder passieren – gerade im Hinblick auf den Herbst. Wir jedoch bieten unseren Mitarbeitenden gute und sichere Konditionen.“

Jochen Ebnet, Chef vom Restaurant
Jochen Ebnet, Chef vom Restaurant "Cotidiano", Alter Wall 22. © Marcelo Hernandez / Funke Foto Services

Alles wird teurer: Ist auch Essengehen in Hamburg jetzt Luxus?

Die Preissteigerungen bei den Lebensmitteln und der Energieversorgung treffen nicht nur die Gastronomie-Besitzer: Jede und jeder ist davon betroffen. Ob sich das auf das Verhalten der Kundschaft auswirkt? „Die Menschen gehen unvermindert aus: Es ist Sommer, die Leute können ohne Maske ins Restaurant – es gibt einiges nachzuholen nach den Einschränkungen“, so von Albedyll. Und dennoch: Ins Restaurant oder Café gehen ist und bleibt für viele Menschen Luxus.

„Schon die Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen ist beispielsweise für ältere Menschen, die nur eine kleine Rente haben nur selten möglich“, sagte die Sprecherin des Sozialverbandes Hamburg, Susanne Rahlf, gegenüber dem Abendblatt. Essen und trinken gehen gehöre aber zur gesellschaftlichen Teilhabe dazu: „Wenn das nicht mehr geht, verlieren die Betroffenen auch einen Teil ihres sozialen Lebens und bleiben außen vor.“