Hamburg. Legen nach dem Bodenpersonal weitere Beschäftigtengruppen der Lufthansa die Arbeit nieder? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Es dürfte ein teures Jahr für die Lufthansa werden: Kerosin kostet in Europa heute gut 80 Prozent mehr als noch vor zwölf Monaten. Zudem sieht sich das Unternehmen mit Tarifforderungen von gleich drei Beschäftigtengruppen – Bodenpersonal sowie Kabinen- und Cockpitcrews – und jeweils unterschiedlichen Gewerkschaften konfrontiert. Schon angesichts der aktuellen Inflationsraten oberhalb von sieben Prozent und des allgegenwärtigen Personalmangels haben die Arbeitnehmervertreter gute Argumente auf ihrer Seite.

An Entschlossenheit fehlt es offensichtlich dabei auch nicht, denn in der vergangenen Woche legte ein ganztägiger Warnstreik den Flugbetrieb weitgehend lahm, ebenso die Hamburger Konzerntochter Lufthansa Technik mit ihren rund 7000 Beschäftigten. Wie geht es nun weiter? Drohen schon bald – auch in der Hansestadt – weitere Streiks? Hierzu die wichtigsten Fragen und Antworten.

Lufthansa-Streik am Flughafen Hamburg: Unternehmen hoch verschuldet

Zwar zieht der Luftverkehr seit dem Frühjahr nach dem Corona-Tief wieder kräftig an. Aber die Lufthansa ist nach zwei Krisenjahren mit Milliardenverlusten noch immer hoch verschuldet. Vor diesem Hintergrund ist der Konzern im zweiten Quartal 2022 in die Gewinnzone zurückgekehrt. Das operative Ergebnis (bereinigtes Ebit) lag nach vorläufigen Angaben bei 350 Millionen bis 400 Millionen Euro und war damit erheblich besser als von Analysten erwartet. Allerdings schrieben bis auf Swiss alle Passagierfluggesellschaften der Gruppe weiter rote Zahlen.

Der Gewinn stammte vor allem von der Fracht-Tochter Lufthansa Cargo, aber auch Lufthansa Technik erzielte ein positives Ergebnis. Es lag den Angaben zufolge auf einem ähnlichen Niveau wie schon im ersten Quartal (120 Millionen Euro). Die Hamburger Tochter des Konzerns hatte bereits 2021 wieder einen Gewinn erwirtschaftet. Am Donnerstag will die Lufthansa die exakten Halbjahreszahlen vorlegen.

Welche Bedeutung haben die Personalkosten für die Lufthansa?

Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren die Kosten für Personal und Treibstoff mit 9,1 Milliarden Euro beziehungsweise 6,7 Milliarden Euro die beiden größten Aufwandspositionen. Zusammen machten allein sie gut 43 Prozent des Umsatzes aus. Allerdings hat die Beschäftigtenzahl seitdem um mehr als 30.000 Personen oder 22 Prozent abgenommen.

Wie ist die Situation im Tarifstreit des Bodenpersonals?

Am Mittwoch vergangener Woche hatte die Gewerkschaft Ver.di nach nur zwei vorherigen Tarifverhandlungsrunden die 20.000 Beschäftigten des Bodenpersonals, zu dem auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Lufthansa Technik zählen, zu einem Warnstreik aufgerufen. Bundesweit fielen über 1000 Flüge aus, rund 134.000 Passagiere mussten ihre Reisepläne ändern. Ver.di fordert 9,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 350 Euro mehr pro Monat, was für niedrigere Lohngruppen ein Plus im deutlich zweistelligen Prozentbereich bedeuten würde.

Die Lufthansa hatte ein Angebot vorgelegt, das nach eigenen Angaben für Beschäftigte mit einer monatlichen Grundvergütung von 3000 Euro brutto einen Anstieg um neun bis knapp elf Prozent binnen der kommenden zwölf Monate bedeuten könnte. Ver.di-Verhandlungsführerin Christine Behle bezeichnete dies jedoch als „schöngerechnet“, zudem solle die Gehaltsentwicklung an das Konzernergebnis gekoppelt werden. Bei einem Flugzeugmechaniker kämen lediglich 3,4 Prozent feste Gehaltssteigerung heraus, heißt es von Ver.di. Eine ergebnisorientierte Gehaltsentwicklung sei „für uns inakzeptabel“, so Behle, denn dies bedeute „einen Blankoscheck für eine unsichere Zukunft der Beschäftigten“. Am Mittwoch und Donnerstag wird in Frankfurt wieder verhandelt.

„Man wird sich auf einen aus Sicht der Mitarbeiter attraktiven Abschluss einigen“, ist der Hamburger Luftverkehrsexperte Cord Schellenberg überzeugt. Ver.di habe so früh in der Tarifaus­ein­andersetzung zum Warnstreik aufgerufen, um das Ergebnis dann als Resultat dieses Arbeitskampfs darstellen zu können.

Droht den Passagieren bald auch noch ein Pilotenstreik?

In einer Urabstimmung der Vereinigung Cockpit (VC) haben sich gerade 97,6 Prozent der Piloten der Lufthansa-Passagierflugsparte für einen Arbeitskampf ausgesprochen. Die VC verlangt Gehaltssteigerungen von 5,5 Prozent im laufenden Jahr und einen automatisierten Inflationsausgleich ab 2023. Besonders brisant ist aber etwas anderes. „Die Pilotengewerkschaft versucht häufig, im Rahmen von Tarifverhandlungen auf unternehmerische Entscheidungen der Lufthansa Einfluss zu nehmen“, sagt Schellenberg.

So sei das auch diesmal: Man versuche zu verhindern, dass der Konzern eine neue Gesellschaft mit niedrigeren Personalkosten für Europa-Strecken einführt, um gegenüber Billigfliegern konkurrenzfähiger zu werden. Zwar sagte der VC-Tarifexperte Marcel Gröls, das Ergebnis der Urabstimmung sei zunächst als „Warnsignal“ der fast 5000 Lufthansa-Piloten an den Vorstand zu verstehen, man wolle weiterverhandeln. Insidern zufolge könnte ein Streik aber noch in den Sommerferien stattfinden. Er beträfe dann auch Hamburg.

Wie sieht die Lage bei den Flugbegleitern aktuell aus?

Auch aus der Kabinenpersonal-Gewerkschaft Ufo ist von „einer aufgeheizten Stimmung“ unter den Mitgliedern zu hören, weil die Lufthansa während der Corona-Pandemie zu viel Personal abgebaut habe, teils mit hohen Abfindungen. Nun müssten zu wenige Beschäftigte die hohe Passagiernachfrage bewältigen. „Zudem werden die Flugbegleiter stark dadurch belastet, dass immer weniger Passagiere Verständnis für die bei Lufthansa noch immer geltende Maskenpflicht haben“, so Schellenberg.

Beim Kabinenpersonal droht aber nicht unmittelbar ein Streik. Die Ufo hatte mit der Lufthansa einen Zwischen-Tarifvertrag abgeschlossen, der bis Ende Oktober läuft. Weil die Ufo jedoch in Konkurrenz zu Ver.di steht, wird sie dann einen Bodenpersonal-Abschluss zweifellos als Messlatte ansehen.