Ein aktueller Gesetzentwurf behandelt außerdem Erhöhung ab Dezember. Welche Kosten auf die Stadt Hamburg zukommen könnten.
- Wurden die rund 40.000 Beamten der Stadt angemessen entlohnt?
- Senat räumt ein, dass er Beamte jahrelang nicht angemessen alimentiert hat
- Staatsdiener sollen nachträglich rechnerisch 5750 Euro pro Kopf erhalten
- Lohn für Beamte: Urteil in Karlsruhe noch offen
Die Stadt Hamburg muss mehrere Hundert Millionen Euro an ihre Beamten nachzahlen – mindestens. Das geht aus einem Gesetzentwurf des Senats hervor, der dem Abendblatt vorliegt. Mit diesem versucht die rot-grüne Landesregierung einen mehr als zehn Jahre schwelenden Streit mit den Gewerkschaften zu beenden – doch diese sind nur mäßig begeistert.
Es geht um die „amtsangemessene Alimentation“, also die Frage, ob die rund 40.000 Beamten der Stadt angemessen entlohnt werden. Nach Ansicht der Betroffenen ist das nicht mehr der Fall, seit 2010 der damalige schwarz-grüne Senat den Staatsdienern das Weihnachtsgeld – bis dahin bis zu 66 Prozent eines Monatsgehalts – komplett streichen wollte.
Lohn für Beamte in Hamburg: Klagen eingereicht
Das hatte der neue Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) 2011 zwar etwas abgemildert und in eine Pauschale von 1000 Euro (Pensionäre 500 Euro) umgewandelt, die nur die höchsten B-Besoldungsgruppen nicht erhielten. Doch der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB und der Beamtenbund dbb organisierten seitdem Widerstand und reichten Musterklagen ein.
Erst 2020, nachdem das Bundesverfassungsgericht sich grundsätzlich zur Alimentierung geäußert hatte, gab das Verwaltungsgericht den Klägern im Prinzip recht – legte den Fall aber erneut Karlsruhe zur Entscheidung vor.
Senat bietet Kompensation für "Lohnklau" an
Gut ein Jahrzehnt später zahlt sich der Widerstand der Gewerkschaften nun aus: Der Senat räumt ein, dass er seine Beamten jahrelang nicht angemessen alimentiert hat, und bietet Kompensation an: Knapp 230 Millionen Euro, gestreckt auf die Jahre 2021 bis 2025, will er seinen Staatsdienern nachzahlen – also rechnerisch rund 5750 Euro pro Kopf.
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Mit dieser „Angleichungszulage“, solle „der gleichwohl bestehende Rückstand der Besoldungsentwicklung auf die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst auf ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Maß vermindert“ werden, schreibt der Senat.
Erhöhung der Beamtenhöhne ab Dezember?
Mit anderen Worten: Hamburgs Beamte wären zwar immer noch unterbezahlt, aber die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts würden nicht mehr verletzt werden. In dem Zusammenhang führt der Senat unter anderem an, dass die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst seit 2012 regelhaft auf die Beamten übertragen würden – das hatte Scholz seinerzeit versprochen, und der Senat hat sich stets daran gehalten.
So dient der aktuelle Gesetzentwurf auch dazu, dieses Versprechen einzulösen: Dabei geht es um eine Erhöhung der Löhne um 2,8 Prozent ab dem 1. Dezember 2022, die entsprechende Anhebung der Altersversorgung sowie eine Erhöhung der Anwärterbezüge um 50 Euro. Allein diese Besoldungsanpassung schlägt im Haushalt mit 107 Millionen Euro zu Buche.
Lohn für Beamte: „Hier muss nachgebessert werden“
Beim DGB wird dieser Schritt auch durchaus begrüßt – die angebotene „Angleichungszulage“ bleibe hingegen „deutlich hinter den Erwartungen der Gewerkschaften zurück“, so DGB-Chefin Tanja Chawla, die fordert: „Hier muss nachgebessert werden, damit Hamburg gegenüber anderen Bundesländern wettbewerbsfähig und attraktiv für Beamt*innen bleibt.“
Sie kritisiert, dass die Zulage nur den aktiven Beamten zugestanden werden soll, nicht aber den Pensionären. Außerdem fordere der DGB, dass die Angleichungszulage auch nach 2025 gewährt wird. „Gerade in Zeiten massiv steigender Lebenserhaltungskosten ist die Befristung das falsche Signal“, sagt Chawla.
Polizeizulagen im Norden höher
Die Gewerkschaften verweisen darauf, dass Hamburger Beamte wegen der höheren Lebenshaltungskosten in der Großstadt traditionell besser bezahlt wurden als die im Umland – dieser Vorsprung sei in einigen Lohngruppen bereits dahin.
So erhielten in Schleswig-Holstein Führungskräfte der Besoldungsgruppe B 1 vom 1. Dezember an 7012,90 Euro monatlich, in Hamburg aber nur 6867,25 Euro. Bei den Anwärtergrundbeträgen liege Hamburgs nördlicher Nachbar mit 1596,53 Euro monatlich (Besoldungsgruppe A 13) vor der Hansestadt, die 1575,04 Euro zahle. Auch Polizei- und Feuerwehrzulagen seien in Schleswig-Holstein höher.
Senat: Zulage gleicht Weihnachtsgeld aus
Aus Sicht des Senats, der noch ein „Besoldungsstrukturverbesserungsgesetz“ ankündigt, um gezielt die Alimentierung der Beamtinnen und Beamten mit drei und mehr Kindern zu verbessern, gibt es dagegen keinen weiteren Handlungsbedarf. Nach seiner Logik gleicht die Zulage das gekürzte Weihnachtsgeld aus, und mit den regelmäßig auf die Beamten übertragenen Tariferhöhungen erledige sich auf Sicht auch der Abstand in der Entwicklung von Tariflöhnen und Beamtenbesoldung.
Dennoch ist das letzte Wort in dieser unendlichen Geschichte noch lange nicht gesprochen. Denn über die vor zehn Jahren mit Unterstützung des DGB eingereichten Musterklagen gegen die Weihnachtsgeldkürzung wurde immer noch nicht abschließend entschieden. Das Verwaltungsgericht Hamburg hatte zunächst abgewartet, was das Bundesverfassungsgericht zur amtsangemessenen Alimentation sagt – diese Entscheidungen ergingen 2015 und 2020 –, und die Fälle daraufhin Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt.
Lohn für Beamte: Urteil in Karlsruhe noch offen
Das bedeutet: Die Hamburger Richter halten die hiesige Beamten-Alimentation für verfassungswidrig, darüber entscheiden dürfen aber nur ihre Kollegen in Karlsruhe. Wann deren Urteil fallen wird, ist offen. Hinzu kommt: Aus Sicht des Senats beziehen sich die Musterklagen nur auf die Jahre 2011 und 2012 – aus Sicht des DGB müssten die Urteile hingegen auch auf die Folgejahre 2013 bis 2019 angewandt werden.
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Allein um dieses Risiko abzusichern, hat der Senat eine weitere Rückstellung über 460 Millionen Euro gebildet. Die Jahre ab 2020 sind ein dritter Fall: Für sie wurden mit Unterstützung der Gewerkschaften 22.500 Anträge auf amtsangemessene Alimentation eingereicht. Daraus resultieren ungefähr 7500 Klagen vor dem Verwaltungsgericht, allein 4000 davon begleitet der DGB-Rechtsschutz. Schnelle Einigung? Unwahrscheinlich.