Hamburg. Sieben-Tage-Inzidenz sinkt. Tschentscher fordert Unternehmen auf, mehr Homeoffice zu ermöglichen. Krebspatientin klagt Impftermin ein.

Nach dem Piks gab es Blumen. Frank Schubert, Vorstandschef des Hospitals zum Heiligen Geist in Poppenbüttel, überreichte Karin Sievers am Sonntag einen Blumenstrauß. Die 84 Jahre alte Bewohnerin der größten Pflegeeinrichtung der Hansestadt erhielt die erste Corona-Folgeimpfung in Hamburg – die erste gute Nachricht des Wochenendes. Bereits am 27. Dezember war Karin Sievers als erste Hamburgerin gegen das SARS-CoV-2-Virus geimpft worden. „Ich fühle mich gut und hoffe sehr, dass die Pandemie bald vorbeigeht und ich nach der Impfung jetzt keine Angst vor Ansteckung mehr haben muss“, sagte die Bewohnerin. „Aber erst einmal werde ich weiter Maske tragen und abwarten.“

Heute und morgen gehen die Impfungen im Hospital zum Heiligen Geist weiter. 1300 Bewohner und Mitarbeiter erhalten dann ihre zweite Impfung. Insgesamt werden dann 90 Prozent der Bewohner und 75 Prozent der Mitarbeiter geschützt sein. Schubert geht von einer stark steigenden Impfbereitschaft aus: „Es sind nur sehr wenige Fälle von leichten Nebenwirkungen aufgetreten. Das unmittelbare Erleben dieses erfreulichen Umstandes hat die zum Teil vorhandene Impfskepsis erheblich reduziert.“

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Corona: Behörde hat Terminvergabe für Impfzentrum vorerst eingestellt

Für das Hospital zum Heiligen Geist könnte dies auf Sicht zu Erleichterungen im Corona-Alltag führen. „Wir diskutieren mit den Hausleitungen Schritte wie die Wiederaufnahme von gemeinsamen Mahlzeiten und Hobbygruppen, kleinere Veranstaltungen und veränderte Besuchsregelungen“, sagt Schubert. Allerdings müsse man auch den noch nicht Geimpften gerecht werden: „Wir sind für jeden einzelnen uns Anvertrauten verantwortlich.“

Am Montag sollte es dann mit Bewohnern der Einrichtung Pflegen und Wohnen Finkenau weitergehen. Unterdessen war auch am Sonntag noch nicht absehbar, wann die Gesundheitsbehörde wieder Termine für eine Erstimpfung im Impfzentrum in den Messehallen vergeben kann. Nach der Ankündigung von Biontech/Pfizer, dass mit Lieferverzögerungen zu rechnen sei, hatte die Behörde die Terminvergabe vorerst eingestellt.

Die aktuellen Corona-Regeln für Hamburg im Überblick

  • Alle Regeln, die im Rahmen der Eindämmungsverordnung bis zum 10. Januar gelten sollten, werden grundsätzlich bis zum 14. Februar verlängert – ein Großteil des Einzelhandels bleibt geschlossen, bestellte Waren dürfen aber abgeholt werden. "Körpernahe Dienstleistungen" wie Friseure, Nagel-, Massage- und Tattoo-Studios dürfen nicht angeboten werden. Auch Kultur- und Freizeiteinrichtungen bleiben geschlossen, Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit bleibt verboten.
  • Kontaktregeln Angehörige eines Haushalts dürfen sich nur noch mit einer weiteren Person treffen. Ausnahmen für Kinder gibt es nicht.
  • Die Maskenpflicht wird angepasst: Stoffmasken reichen in den meisten Fällen nicht mehr aus. Stattdessen müssen medizinische Masken (mindestens OP-Masken, auch FFP2- oder KN95-Masken sind möglich) getragen werden. Bis zum 1. Februar gilt eine Übergangsphase, danach werden Verstöße mit Bußgeldern geahndet.
  • Kitas und Schulen: Die Präsenzpflicht an den Schulen bleibt aufgehoben, stattdessen soll so weit wie möglich Distanzunterricht gegeben werden. Kinder sollen – wann immer möglich – zu Hause betreut werden. Die Kitas wechseln in die "erweiterte Notbetreuung". Die privat organisierte Kinderbetreuung in Kleingruppen bleibt gestattet.
  • Arbeitgeber sind angehalten, so weit wie möglich ein Arbeiten von zu Hause aus zu ermöglichen. Zusätzlich soll eine neue Bundesverordnung Arbeitgeber dazu verpflichten, Homeoffice anzubieten, so weit das möglich ist. Betriebskantinen dürfen nur öffnen, wenn sie für den Arbeitsablauf zwingend erforderlich sind.
  • Sollte die Sieben-Tage-Inzidenz auf einen Wert über 200 steigen, müsste eine Ausgangsbeschränkung erlassen werden, die den Bewegungsradius auf 15 Kilometer rund um den Wohnort einschränkt. Wie genau diese Regel in Hamburg angewandt würde, ist noch nicht bekannt – der Senat will darüber entscheiden, sollte sich die Inzidenz dem Grenzwert annähern.
  • Senioren- und Pflegeeinrichtungen sollen mehrmals pro Woche Personal und Besucher testen. Das war in Hamburg schon verpflichtend und gilt nun bundesweit.
  • Zwei-Test-Strategie bei Reiserückkehrern aus Risikogebieten: Ein Corona-Test direkt nach der Einreise ist verpflichtend, die zehntägige Quarantäne kann frühestens fünf Tage nach der Einreise durch einen weiteren Test verkürzt werden. Die Kosten für die Tests werden nicht übernommen.

Inzidenz ist weiter gesunken

Zweite gute Nachricht: Auch der momentane Trend bei den Neuinfektionen in Hamburg ist erfreulich. Die Zahl der in Hamburg bestätigten Neuinfektionen stieg am Sonntag um 146. Das sind 232 neue Fälle weniger als am Sonnabend und 65 weniger als am Sonntag vor einer Woche, wie die Gesundheitsbehörde mitteilte. Die Inzidenz – also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen – sank weiter von 118,5 auf 115,1. Vor einer Woche hatte die Sieben-Tage-Inzidenz noch bei 154,9 gelegen. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) stieg die Zahl der Toten im Zusammenhang mit dem Coronavirus seit Freitag allerdings um neun auf 904.

So kann auch von einer Lockerung der Corona-Beschränkungen keine Rede sein. Im Gegenteil: Angesichts der Sorge vor mutierten, erheblich ansteckenderen Viren hat sich Bürgermeister Peter Tschentscher für weitere Einschränkungen auch am Arbeitsplatz ausgesprochen. „Die immer noch hohen Infektionszahlen und alarmierenden Berichte über neue Virusmutationen erfordern es, die Lage in der Pandemie zeitnah neu zu bewerten“, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf die nächste Bund-Länder-Runde mit der Kanzlerin am morgigen Dienstag. „Wir müssen die Mobilität über die privaten Kontaktbeschränkungen hinaus weiter verringern, indem die Unternehmen Homeoffice und mobiles Arbeiten noch konsequenter umsetzen“, sagte der Bürgermeister. „Wenn Präsenz am Arbeitsplatz erforderlich ist, sollte der Arbeitgeber flexible Arbeitszeiten ermöglichen, um die Auslastung des öffentlichen Nahverkehrs in den üblichen Hauptverkehrszeiten zu verringern.“ Zudem müsse der Bund sicherstellen, dass bei Einreisen nach Deutschland aus Hochrisikogebieten ein negativer PCR-Test vorgelegt werde. Schnelltests seien nicht zuverlässig genug.

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Krebspatientin setzt Impfung bei Gericht durch

Unterdessen sorgt ein juristischer Corona-Streit für Aufsehen. Laut „Spiegel“ zog eine Hamburgerin mit Erfolg vor Gericht, um eine frühere Impfung zu erstreiten. Das Nachrichtenmagazin schreibt, dass bei der Frau, deren Alter zwischen 60 und 70 Jahren angegeben wird, ein Tumor diagnostiziert worden war, der dringend operiert werden sollte. Danach sollte sich eine Chemotherapie anschließen. Da diese das Immunsystem sehr schwächt, hätten die Ärzte zuvor eine Impfung gegen Corona empfohlen.

Doch nach der geltenden Impfordnung, die zwischen höchster, hoher und erhöhter Priorität unterscheidet, wäre sie nur in die dritte Kategorie gefallen. „Das ist meines Erachtens gerade keine valide Abstufung nach dem Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf, wie es eigentlich als gesetzliches Ziel vorgesehen ist. Für Menschen mit einer Immunschwäche kann es um Leben und Tod gehen“, sagte ihr Anwalt Jascha Arif dem „Spiegel“.

Testlauf für das Hamburger Impfzentrum

In den Messehallen befindet sich Hamburgs Impfzentrum. Ein Schild weist den Weg zum Eingang.
In den Messehallen befindet sich Hamburgs Impfzentrum. Ein Schild weist den Weg zum Eingang. © Markus Scholz/dpa
Der Schriftzug
Der Schriftzug "Welcome to corona vaccination center" steht über dem Eingangsbereich des Hamburger Corona-Impfzentrums in der Messehalle A3. © Markus Scholz/dpa
Das Corona-Impfzentrum findet sich in der Halle3 der Hamburg Messe.
Das Corona-Impfzentrum findet sich in der Halle3 der Hamburg Messe. © Markus Scholz/dpa
Mitarbeiterinnen des Hamburger Corona-Impfzentrums warten bei einem Problauf an ihren Anmeldeschalter auf Test-Impflinge.
Mitarbeiterinnen des Hamburger Corona-Impfzentrums warten bei einem Problauf an ihren Anmeldeschalter auf Test-Impflinge. © Markus Scholz/dpa
Eine junge Frau meldet sich als Test-Impfling bei einem Probelauf des Hamburger Corona-Impfzentrums an einem Anmeldeschalter an.
Eine junge Frau meldet sich als Test-Impfling bei einem Probelauf des Hamburger Corona-Impfzentrums an einem Anmeldeschalter an. © Markus Scholz/dpa
Fingierte Impfung für den Testlauf: Eine Frau wartet im Ruheraum.
Fingierte Impfung für den Testlauf: Eine Frau wartet im Ruheraum. © Markus Scholz/dpa
Eine Spritze mit dem Impfstoff liegt in einer Nierenschale im Corona-Impfzentrum bereit.
Eine Spritze mit dem Impfstoff liegt in einer Nierenschale im Corona-Impfzentrum bereit. © Markus Scholz/dpa
Rollatoren und Rollstühle stehen im Eingangsbereich des Impfzentrums der Hansestadt.
Rollatoren und Rollstühle stehen im Eingangsbereich des Impfzentrums der Hansestadt. © Markus Scholz/dpa
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Eilantrag beim Verwaltungsgericht hatte Erfolg

Deshalb habe er die Gesundheitsbehörde gebeten, dass seine Mandantin als Härtefall vorgezogen werde: „Die erste Impfdosis vor der Operation, die zweite vor Beginn der Chemotherapie. Das hat die Behörde abgelehnt. Darauf haben wir beim Verwaltungsgericht Hamburg einen Eilantrag gestellt – der letztlich zum Erfolg geführt hat.“

Laut Arif habe die Behörde „nach Hinweisen des Verwaltungsgerichts noch während des Verfahrens nachgegeben und ihre Haltung revidiert. Meine Mandantin hat dann sehr schnell einen Impftermin bekommen – mutmaßlich, um eine stattgebende Gerichtsentscheidung zu vermeiden.“

Gericht kritisiert Fehlen einer Härtefallregelung

Der Jurist sagte, dass schon in einer Zwischenverfügung deutlich gewesen sei, dass das Verwaltungsgericht den Inhalt der Verordnung ebenfalls kritisch sehe: Das Gericht habe die Behörde gefragt, ob vorgesehen sei, „bestimmte Härtefälle“ vorzuziehen, und falls ja, warum man das im Fall seiner Mandantin nicht tun wolle. Die Behörde habe darauf entgegnet, „dass Personen mit Krebserkrankungen nach der Verordnung nun mal explizit erst der dritten Personengruppe mit Anspruch auf Schutzimpfung zugeordnet sind. Bei meiner Mandantin wollte man jedenfalls nicht von der Reihenfolge abweichen.“

Laut Arif habe sich das Gericht dann nochmals telefonisch bei der Stadt gemeldet, und klargemacht, dass es das Fehlen einer Härtefallregelung und das Vorgehen der Stadt sehr kritisch sieht: „Daraufhin hat die Stadt dann eine Kehrtwende vollzogen und die Impfung noch am selben Tag durchgeführt.“

Ärztliche Stellungnahmen für eine Impfung

Zuvor habe die Behörde laut „Spiegel“ geltend gemacht, dass es wissenschaftlich nicht eindeutig belegt sei, ob eine Schutzimpfung vor einer Chemotherapie wirklich bessere Wirkung entfalte. Arif nannte diese Argumentation zynisch. „Dass eine Impfung vor Beginn einer Chemotherapie wirksamer und verträglicher ist, lässt sich schon aus dem allgemeinen Verständnis des Immunsystems herleiten. Wir hatten auch ärztliche Stellungnahmen, die das im Fall meiner Mandantin ausdrücklich befürworteten.“

Der Rechtsanwalt plädiert dafür, dass bei jedem Menschen mit einer Immunschwäche gemeinsam mit den Ärzten geprüft werden sollte, ob ein Vorrang bei der Impfung gewährt werden müsste. Dies könnten demnach auch andere Patienten mit einer ähnlichen Vorerkrankung geltend machen.