Hamburg. Viele Abendblatt-Leser klagen über Probleme, die Hotline sei überlastet. Verwirrung stiften gezielte Desinformations-Kampagnen.
Der Ärger könnte größer kaum sein: Wer einen Termin beim Hamburger Corona-Impfzentrum buchen möchte, landet in der Warteschleife, wird vertröstet oder kommt erst gar nicht durch. Gerade die jetzt zum Impfen aufgerufenen Menschen, die über 80 Jahre alt sind, zum Teil körperlich eingeschränkt, aber von den Gefahren einer möglichen Covid-19-Erkrankung hören, die wollen so schnell es geht zum Piks in die Messehallen.
Abendblatt-Leserin Sabine Hinz schrieb stellvertretend für viele über die zahlreichen Versuche seit Montag, über die Hotline 116 117 einen Termin für ihre 92 Jahre alte, schwerbehinderte Mutter zu buchen. Der Name sei zunächst gar nicht richtig aufgenommen worden. Es habe Verständigungsprobleme gegeben, es sei schlampig mit den Informationen zu der E-Mail-Adresse umgegangen worden.
„Dieses ganze Prozedere ist eine Farce. Meine Mutter und ich kommen uns, gelinde gesagt, veralbert vor. Nicht jeder alte und gebrechliche Mensch lebt in einem Pflegeheim und ist etwa von der Pandemie weniger betroffen.“
Laut Bundesregierung sollen erst alle Heime durchgeimpft werden
Dabei hatte gerade die Kassenärztliche Vereinigung dazu aufgerufen, am Montag und Dienstag nicht die Hotline zu wählen. Zunächst sollen laut Bundesregierung alle Heime durchgeimpft werden, dann gebe es wieder Impfstoff für die Impfzentren, die die Dosen auch für die Heime aufbereiten. Die Verteilung scheint undurchsichtig. Doch wer hat als Impfkandidatin schon immer alle aktuellen Informationen parat?
Sabine Hinz ist verwirrt: „Seit drei Wochen wird verbreitet, dass die über 80-jährigen einen Brief von der Behörde bekommen. Wo ist dieser Brief? Meine Mutter hat noch immer keinen Brief erhalten. Warum werden nicht direkt Impftermine an die Ältesten der Stadt verschickt und nach und nach an immer Jüngere? Wer sich dann nicht impfen lassen möchte bzw. den Termin ändern muss, kann ja die 116 117 anrufen.“
Leider ist das nicht so einfach, denn das Jonglieren mit den Einladungen, Terminen und verfügbaren Dosen ist die Herausforderung dieser Tage. Kann ein Impfling nicht zu einem bestimmten Termin, fürchtet er, seine Chance verpasst zu haben. Erscheint er nicht am vereinbarten Tag, könnte das Impfzentrum denken, er wolle nicht.
Es gibt derzeit nicht ausreichend Impfstoff
In etlichen Zuschriften an das Abendblatt bezeichnen Leserinnen und Leser die Informationspolitik des Senates als „katastrophal“. Die Sozialbehörde und Senatorin Melanie Leonhard haben noch einmal beteuert, dass die Briefe jetzt eintreffen sollten: „Bitte informieren Sie sich. Und wenn Sie sich entschieden haben und unserer Einladung zur Corona-Schutzimpfung folgen möchten, können Sie im Internet oder per Telefon einen Termin vereinbaren“, sagte Leonhard. Es würden mehrere Hundert neue Termine freigeschaltet. Außer der 116 117 könne man sich im Internet informieren und buchen, etwa bei:
https://www.impfterminservice.de/impftermine
oder über http://www.hamburg.de/corona-impfung
Die Sozialbehörde erklärte: Geschätzt 190.000 Menschen in Hamburg hätten einen Anspruch auf eine Impfung in der „höchsten Priorität“ nach der Corona-Impfverordnung des Bundes. Zurzeit gebe es aber noch nicht ausreichend Impfstoff. Die „zweite Dosis“ für die bereits erstmals Geimpften sei aber sicher.
Keine Termine am Impfzentrum
Und die Bewohner in Senioreneinrichtungen, die wie in einer Servicewohnung leben, müssen sich zunächst selbst um einen Termin über die Hotline 116 117 oder im Internet bemühen. Zum Impfzentrum zu gehen, macht keinen Sinn. Dort gibt es keine Termine. Sie werden anders als die Menschen in der stationären Pflege nicht im Heim geimpft.
Schwierig ist es auch für Menschen, die von einem Pflegedienst zu Hause versorgt werden. Das Abendblatt erfuhr von einer 100-Jährigen, die fast blind ist und sich den Brief der Behörde vorlesen lassen musste. Wer macht für sie den Termin?
Mythen rund um das Impfen in Hamburg
Es haben sich unterdessen Mythen rund um das Impfen in Hamburg entwickelt, die vielen Angst machen oder das sogar sollen. So wird fälschlicherweise verbreitet, nicht genutzte Impfdosen würden weggeworfen, der Biontech-Impfstoff sei ein gentechnischer Eingriff beim Menschen. In einer gezielten Desinformationskapagne hat eine mit russischen Mitteln betriebene Internetseite verbreitet, in Israel seien Hunderte Geimpfte mit Corona infiziert worden.
Es wurde als Folge der Impfung dargestellt, was falsch war. In Israel, wo auch die Infektionszahlen leider wieder gestiegen sind, ist die Zahl der Impfungen besonders hoch: Viel Impfstoff ist verfügbar und das Impfen wird zumeist über die Krankenkassen gemanagt. Sie haben eigene medizinische Versorgungszentren und sind fortgeschritten digitalisiert. Das Militär unterstützt die Aktion. Zwei Millionen von neun Millionen Bürgern wurden bereits geimpft.
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Die Behörden verschicken die Impfinformation, die Kassenärzte müssen über die Hotline 116 117 oder das Internet die Termine machen und im Impfzentrum mit dem zurechtkommen, was sie haben. In Niedersachsen erhalten Impfinteressierte die Auskunft, dass das Land schon die Deutsche Post gebeten habe, um mit Angaben aus der Vermietdatenbank auszuhelfen. Das gefühlte Chaos ist groß. Ein Gesundheitsexperte aus Hamburg versuchte am Mittwoch, für ein Ehepaar Termine zu machen – unmöglich. Irgendwann kam er bei der Hotline durch und wollte gleich für beide Zeiten haben. Eine Mitarbeiterin sagte, für den zweiten Impfkandidaten müsse er ein zweites Mal anrufen.
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