Hamburg. Bündnis aus Juden, Christen und Muslimen will 100.000 Unterschriften sammeln und so ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen.

Mit einer bundesweit einzigartigen Medienkampagne wollen Hamburger Persönlichkeiten 100.000 Unterstützer in der Hansestadt finden. Sie sollen ein Zeichen gegen Antisemitismus und für den Wiederaufbau der Bornplatz-Synagoge im Grindelviertel setzen. Für den Start der Aktion „Nein zu Antisemitismus. Ja zur Bornplatz-Synagoge“ haben die Initiatoren den heutigen 9. November gewählt.

Heute vor 82 Jahren zündeten Nazi-Schergen und ihre Helfer im ganzen Deutschen Reich Synagogen an. Auch die Bornplatz-Synagoge, neoromantisches Wahrzeichen jüdischen Lebens in Hamburg, brannte, wurde ausgeraubt und musste später abgerissen werden. Wie Daniel Sheffer, Sprecher der Kampagne, dem Abendblatt sagte, will die größte Aktion für jüdisches Leben nun Unterstützer vorzugsweise in der Hansestadt finden. Bis zum 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, können Bürger ihre Stimme auf einer Website anonym abgeben (www.bornplatzsynagoge.org) und „den Button drücken“, wie Sheffer sagt.

Alle 24 Minuten ereignet sich eine rechtsextreme Straftat

Es gehe nicht allein um die Vergangenheit, sondern auch um die Gegenwart und Zukunft jüdischer Identität, betont der Unternehmer. Der 49-Jährige wurde in Tel Aviv geboren und lebt seit seinem vierten Lebensjahr in Hamburg. Wie er sind viele Menschen besorgt über den wachsenden Antisemitismus in der Gesellschaft und die jüngsten gewaltsamen Attacken auch in Hamburg. Bundesweit ereigne sich alle 24 Minuten eine rechtsextrem motivierte Straftat, heißt es.

Zu den Initiatoren der Kampagne zählt neben dem früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs Landesrabbiner Shlomo Bistritzky. Er sagt: „Hamburg hat seit Jahrhunderten eine jüdische Identität.“ Diese Identität sei seit damals jäh geendet. Das Grindelviertel sei das Zentrum jüdischen Lebens gewesen, „und das Herz des Grindels war immer die Bornplatz-Synagoge.

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Ihr Fehlen ist eine offene Wunde. Die neue Bornplatz-Synagoge am historischen Ort war und soll wieder das Zen­trum der jüdischen Gemeinde dieser Stadt und auch für alle Hamburgerinnen und Hamburger werden.“ Weitere In­itiatoren sind Muslime genauso wie Christen.

"Nein zu Antisemitismus in unserer weltoffenen Stadt und Ja zur Bornplatz-Synagoge!‘“

Beate Timann, die im evangelischen Kirchenkreis Hamburg-Ost für den Kontakt zu Multiplikatoren zuständig ist, betont: „Jüdisches Leben gehört zu Hamburg – Antisemitismus nicht!“ Es gebe in Hamburg zum Glück die Tradition eines lebendigen interreligiösen Dialogs. Den stark zu machen, dafür zu werben, wach zu bleiben, die vielfältigen Glaubensrichtungen als Schatz zu sehen, sich gegenseitig zu stärken und das laut zu sagen – „darum bin ich dabei!“

Kommunikationsexpertin Eva Marhenke fügt hinzu: „Antisemitismus bricht sich auch in der Gegenwart noch Bahn. Dagegen möchte ich mit meinem Engagement für den Wiederaufbau der Bornplatz-Synagoge in Hamburg ein klares Zeichen setzen. Ich sage laut und deutlich ,Nein zu Antisemitismus in unserer weltoffenen Stadt und Ja zur Bornplatz-Synagoge!‘“

Die Synagoge am Bornplatz wurde von den Nazis 1938 zerstört.
Die Synagoge am Bornplatz wurde von den Nazis 1938 zerstört. © HA | ARCHIV

Mit einer besonderen Zeremonie auf dem heutigen Joseph-Carlebach-Platz soll die Aktion am heutigen Montag starten. Ein Kind wird dem Landesrabbiner jene bislang verschollene Silberkrone, die als Thora-Schmuck diente, symbolisch übergeben. Die Nazis hatten die gut 800 Gramm schwere und 23 Zentimeter hohe Krone während der Pogromnacht geplündert. Sie galt seitdem als verschollen, bis ein Hamburger Antiquitätenhändler sie vor einiger Zeit zum Verkauf anbot.

Politische Weichen für Wiederaufbau der Synagoge im Grindelviertel sind gestellt

Daniel Sheffer, Mitglied der Jüdischen Gemeinde, kaufte sie und stiftete sie für den künftigen Gebrauch in der wiederaufgebauten Synagoge. Dass die Krone tatsächlich aus der Bornplatz­-Synagoge stammt, lässt sich anhand der eingravierten Widmung für den damaligen Hamburger Rabbiner Markus Hirsch erkennen.

Die politischen Weichen für einen Wiederaufbau der Synagoge im Grindelviertel sind gestellt. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte im vergangenen Jahr auf Initiative des Bundestagsabgeordneten Rüdiger Kruse (CDU) und des damaligen Abgeordneten Johannes Kahrs (SPD) rund 600.000 Euro dafür bereitgestellt.

Danach machte die Hamburger Bürgerschaft den Weg frei und plädierte einstimmig für den Wiederaufbau. Zunächst sollen mit einer Machbarkeitsstudie verschiedene Varianten geprüft werden. Doch das Antragsverfahren erweist sich als komplizierter und aufwendiger als gedacht, sodass es zu einer Verzögerung gekommen ist.

Am Ort der zerstörten Synagoge finden heute zwei Mahnwachen statt

Initiator Daniel Sheffer gibt sich optimistisch, dass viele Hamburger bei der Medienkampagne mitmachen. „Wir haben nicht in Nazideutschland gelebt“, sagt er, „wir leben heute. Und heute darf das Unrecht der Nazis keinen Bestand haben.“ Deswegen, fügt er hinzu, sagen Hamburger laut und deutlich: „Bauen wir die Bornplatz-Synagoge wieder auf!“

Am Ort der zerstörten Synagoge finden heute zudem zwei Mahnwachen statt, zu denen der Akademische Senat der Universität und die Initiative „Grindel leuchtet“ aufrufen. Auch Hochschullehrer hätten sich damals mehrheitlich dem faschistischen Regime angedient, so der Akademische Senat. Im universitären Rahmen habe es aber auch Widerstand gegeben.