Hamburg. Grigoriy K. in Psychiatrie eingewiesen. Hunderte Teilnehmer bei Mahnwache. Tschentscher kündigt Antisemitismus-Beauftragten an.
Der 29 Jahre alte Deutsche Grigoriy K., der am Sonntag einen jüdischen Studenten vor der Hamburger Synagoge angegriffen und schwer verletzt hatte, bevor er von Sicherheitskräften überwältigt worden war, wurde in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht.
Polizei und Generalstaatsanwaltschaft gehen von einem Mordversuch mit antisemitischem und rechtsextremem Hintergrund aus. Der Tatverdächtige habe "Dämonen, geschickt von Juden" als Motiv für die Tat angegeben. Inwiefern der Mann schuldfähig ist, muss noch geklärt werden.
Antisemitische Attacke: Grigoriy K. trug einen selbstgebauten "Aluhut"
Nach Abendblatt-Informationen wurden in der Wohnung von Grigoriy K. medizinische Unterlagen gefunden, aus denen hervorgeht, dass der Mann mit kasachischen Wurzeln an paranoider Schizophrenie erkrankt ist. Zur Tatzeit trug der Mann eine Mütze, die mit Alufolie ausgekleidet war: So wollte sich der 29-Jährige vor "Strahlen" schützen. In einer Tasche trug er einen Zettel mit einem Hakenkreuz bei sich. Am Montagnachmittag wurde ein Unterbringungsbefehl gegen den Tatverdächtigen erlassen.
Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, war Grigoriy K. im Jahr 2016 als freiwillig Wehrdienstleistender bei der Bundeswehr. Die Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaften, Nana Frombach, sagte dazu auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, sie könne dies weder bestätigen noch dementieren. Es laufe derzeit dazu noch eine Anfrage bei der Bundeswehr. Es werde zudem geprüft, ob die Uniform, die der Tatverdächtige trug, eine echte Bundeswehruniform war.
Tschentscher: Senat will mit Jüdischen Gemeinden Antisemitismus-Beauftragten benennen
Nachdem am Vormittag die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank die Synagoge besucht und das Gespräch mit Landesrabbiner Shlomo Bistritzky und den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Hamburg, Philip Stricharz und Eli Fel, gesucht hatte, kündigte Bürgermeister Peter Tschentscher in einem weiteren Statement am Nachmittag an, neben der "konsequenten Verfolgung und Bestrafung der Täter" brauche es "eine langfristige Strategie gegen die Ursachen von religiös oder politisch motivierter Ausgrenzung und Gewalt". Zu dieser gehöre neben dem Schutz jüdischer Einrichtungen und Veranstaltungen auch, "die positive Sichtbarkeit des jüdischen Lebens in unserer Stadt" zu erhöhen.
Der Wiederaufbau der Synagoge am Bornplatz könne "hierzu einen wichtigen Beitrag leisten", so Tschentscher. Darüber hinaus kündigte der Bürgermeister an: "Gemeinsam mit den Jüdischen Gemeinden wird der Senat einen Antisemitismus-Beauftragten auswählen und benennen, der die Aktivitäten der Hamburger Behörden zur Bekämpfung von Antisemitismus und zum Schutz jüdischen Lebens koordiniert und unterstützt.“
Wie verschiedene andere Religionsgemeinschaften, darunter die Türkische und die Alevitische Gemeinde Hamburgs, erklärte der evangelische Kirchenkreis Hamburg-Ost seine Solidarität und sein Mitgefühl mit der Jüdischen Gemeinde: „Der brutale Angriff gegen einen Juden erschüttert die Jüdische Gemeinde und die Menschen unserer Stadt. Sie entsetzt auch evangelische Christinnen und Christen in und um Hamburg“, sagt Hauptpastor und Propst Dr. Martin Vetter.
Mahnwache vor der Synagoge: "Nun ist es auch hier passiert"
Bei der Mahnwache vor der Synagoge versammelten sich am späten Nachmittag rund 200 Menschen, um ihre Solidiarität mit den Hamburger Juden auszudrücken. „Diese Attacke zeigt, wie brisant die Lage im Moment ist“, sagte Andreas Brämer, stellvertretender Direktor des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden mit Sitz in der Hansestadt. „Ich würde mir wünschen, dass wir in der Zukunft in ganz Deutschland oder weltweit eine Situation haben, wo wir solche Mahnwachen nicht mehr organisieren müssen.“ Präventive Maßnahmen müssten weiter verstärkt werden. „Dass sie heute hier sind, zeigt, dass es auch eine Bereitschaft gibt, aktiv zu werden“, so Brämer weiter.
Aufgerufen zu der Mahnwache hatte das „Bündnis gegen Rechts“. Helga Obens vom Arbeitskreis „Bücherverbrennung - Nie wieder!“ verlas eine Grußbotschaft der Holocaust-Überlebenden Esther Bejarano. Diese forderte die Teilnehmer auf, nicht zu schweigen, wo auch immer Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auftauche. Obens sagte: „Irgendwie haben wir gedacht, hier in Hamburg passiert das nicht. Und nun ist es auch hier passiert.“