Hamburg. Hamburger Arzt ruft im Internet zum Widerstand auf. Ärztekammer prüft Beschwerden gegen Befreiungsatteste für Schüler.
Die Maskenpflicht ist ein zentraler Punkt im Corona-Hygieneplan des Schulsenators Ties Rabe (SPD). Insofern wäre es schon wichtig zu wissen, wie viele Schüler sich mithilfe eines ärztlichen Attests von dieser Maskenpflicht haben befreien lassen. Denn jeder, der ohne Maske auf den Schulfluren unterwegs ist, gefährdet nicht nur sich, sondern auch andere. Aber die Behörde weiß es nicht. „Diese Daten werden bei uns nicht zentral erfasst“, sagt Behördensprecherin Claudia Pittelkow.
Offenbar gibt es nicht viele Hamburger Ärzte, die bereit sind, solche Atteste auszustellen. Aber wer ein wenig sucht, der findet sie. Dem Abendblatt liegen zwei Atteste eines Hamburger Mediziners vor, die in der Formulierung identisch sind. Der Patient, so heißt es dort, „ist aus gesundheitlichen Gründen vom Tragen einer mechanischen Mund-Nasen-Bedeckung im Rahmen der Corona-Verordnungen befreit“.
Atteste werden offenbar ohne weitere Prüfung anerkannt
Und weiter: Die Maske sei „wissenschaftlich belegbar gesundheitsschädlich und im Sinne der Psychohygiene traumatisierend und somit unzumutbar“. Fachleute halten es für ausgeschlossen, dass das Tragen einer Maske etwa für den kurzen Gang über den Schulflur gesundheitliche Probleme auslösen könnte. Im Unterricht selbst muss sie in Hamburg nicht getragen werden. Dennoch werden derartige Atteste offenbar ohne weitere Prüfung anerkannt. Die Schulbehörde jedenfalls antwortet auf die Frage, ob bislang Atteste von Schulleitern abgelehnt wurden: Dazu lägen keine Daten vor. Warum der Mediziner solche Atteste ausstellt, erklärt sich bei einem Blick auf seine umfangreiche Internetseite.
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Dort fordert er die Leser auf: „Setzen Sie sich gegen Schulen zur Wehr, die Ihre Kinder mit wissenschaftlich unfundierten Masken oder Abstandsregeln quälen und drangsalieren!“ Und weiter: „Die WHO hat 2019 in einer seriösen internen Studie festgestellt, dass die jetzt erfolgenden Corona-Maßnahmen allesamt keine bewiesene Wirksamkeit haben.“ Ein seltsamer Satz, denn 2019 war SarsCoV-2 noch gar nicht bekannt, die WHO-Erkenntnisse können sich also nicht auf die aktuelle Pandemie beziehen. Ein auf YouTube mittlerweile nicht mehr abrufbares Video offenbart weitere Merkwürdigkeiten.
„Wir leben in einer Scheindemokratie“
Es zeigt den Mediziner als Redner bei einer „Querdenken“-Demo. Corona sei „eine kriminelle Inszenierung“, sagt er da. „Wir hatten nie eine Pandemie. All das ist Krieg der Mächtigen gegen ihre Völker.“ Die „Krönung“ dieses Krieges sei: „Maskenfolter als Unterwerfungstraining“. Im Hintergrund dieses Krieges sollten „die Bilanzsysteme neu aufgesetzt werden und neue Kontrollmechanismen eingeführt werden“. Der Mensch solle „technisiert werden durch Eingriffe in den Körper“.
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Der Mediziner weiter: „Wir leben in einer Scheindemokratie. Sie ist eine Erfindung, um die Elitenherrschaft zu erhalten.“ Dort seien „kriminelle Machtpsychopathen“ amWerk.Er verstehe diejenigen, die die Corona-Regeln einhielten. Denn es gebe ein menschliches Bedürfnis nach Gruppenwärme. Dennoch: Solche Menschen seien „Schlafschafe“. Vielleicht hat aber auch er geschlafen. Denn es gibt durchaus Urteile, die den Schluss zulassen, dass seine Atteste die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllen und von den Schulleitern getrost ignoriert werden könnten.
Hamburger Ärztekammer hat sich mit dem Problem der Atteste bereits beschäftigt
So hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) am 24. September festgestellt, dass die allgemeine Formulierung „aus gesundheitlichen Gründen“ nicht ausreicht, um eine Maskenbefreiung zu begründen. In dem Urteil heißt es: „Aus dem Attest müsse sich regelmäßig nachvollziehbar ergeben, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu erwarten seien und woraus diese im Einzelnen resultierten.“ Zu ähnlichen Einschätzungen waren zuvor schon die Verwaltungsgerichte (VG) Düsseldorf und Neustadt an der Weinstraße gekommen.
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Auch das VG Würzburg verlangte „konkrete Angaben“ zu den jeweiligen gesundheitlichen Gründen – anderenfalls drohe die Gefahr von „Gefälligkeitsattesten“. Im Gegensatz zur Hamburger Schulbehörde hat sich die Hamburger Ärztekammer mit dem Problem der Atteste bereits beschäftigt. Dort liegen acht Beschwerden vor. Ob es dabei auch um Atteste des Arztes geht, für den die Maskenpflicht ein „Unterwerfungstraining“ ist, wollte die Kammer aus Datenschutzgründen nicht mitteilen.
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Die Prüfung der Beschwerden dauert an. Sandra Wilsdorf, Sprecherin der Kammer, sagt: „Aus einer Bescheinigung sollte schon klar erkennbar sein, welche gesundheitlichen Gründe im konkreten Einzelfall dieses Patienten ein Tragen der Maske ausschließen.“ Kämen Ärzte dem nicht nach, könne dies berufsrechtlich, eventuell auch strafrechtlich relevant sein.