Hamburg. Neue Regeln gelten nach den Herbstferien. Senator fordert mehr Rücksicht von älteren Schülern. 355 bestätigte Infektionen seit August.

Neue Lüftungsregeln für Klassenräume, ein weiterer Verdacht auf Infektionen innerhalb einer Hamburger Schule und eine eindringliche Bitte an ältere Schüler – vor dem Beginn der Herbstferien hat Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Dienstag im Rathaus eine Bilanz des Unterrichts unter Corona-Bedingungen seit dem 4. August gezogen – und das weitere Vorgehen erläutert.

Um mit dem Ausblick zu beginnen: Nach den Herbstferien, also vom 19. Oktober an, gilt für die Hamburger Schulen, dass vor und nach dem Unterricht sowie alle 20 Minuten in jedem Unterrichtsraum für jeweils fünf Minuten so viele Fenster wie möglich geöffnet werden sollen. Mit einem so erzeugten kräftigen Durchzug werde deutlich mehr Luft im Unterrichtsraum ausgetauscht, und es gehe nicht so viel Wärme verloren wie durch dauerhaft gekippte oder ganz geöffnete Fenster, sagte Rabe.

Die Schulbehörde folge damit der Empfehlung von Experten wie Prof. Martin Exner, Chef des Hygiene-Instituts an der Uni Bonn, und Prof. Bodo Plachter vom Institut für Virologie der Universität Mainz. Diese hätten vor Kurzem auf einer Fachkonferenz deutlich gemacht, dass ein solches Stoßlüften das Risiko erheblich reduzieren könne, sich mit Coronaviren zu infizieren, die sich in winzigen Schwebeteilchen (Aerosolen) in der Luft im Raum verteilen, wenn Infizierte dort atmen und husten.

Schule in Corona-Zeiten: Filtergeräte nicht nötig?

Der Einsatz von Filtergeräten hingegen sei in regelmäßig und gut gelüfteten Räumen nicht nötig, eine schützende Wirkung im Zusammenhang mit Corona sei nicht hinreichend erwiesen, habe die Mehrheit der Experten erklärt.

Ties Rabe zufolge sollten alle Hamburger Schulen die neuen Lüftungsregeln umsetzen können. Eine Raumbegehung habe zwar gezeigt, dass 68 von knapp 13.000 Klassenzimmern nicht die Mindestvorgabe erfüllten, dass sich ein großes Fenster öffnen und drei weitere kippen lassen.

Da für Unterricht aber mehr Klassenzimmer zur Verfügung stünden als nötig, sollte es ein leichtes sein, die wenigen betroffenen Räume bei der Belegung zu vermeiden, sagte Rabe.

Schule in Hamburg: Die Corona-Bilanz

Was das Infektionsrisiko im Unterricht angehe, zeige die Bilanz der vergangenen acht Wochen, „dass die Schulen nach wie vor ein sicherer Ort“ seien, an dem es „nur äußerst selten zu einer Übertragung der Krankheit“ komme, erklärte der Schulsenator. Ihm zufolge sind seit dem 4. August aus 149 von 372 Schulen in Hamburg 355 Schüler und Schulbeschäftigte gemeldet worden, die sich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert hatten, das die Erkrankung Covid-19 auslöst.

In den meisten Fällen sei die Erkrankung sehr mild verlaufen, bei vielen Betroffenen hätten sich gar keine Symptome gezeigt. Schwere Komplikationen seien nicht bekannt, so Rabe.

Aktuell seien 122 der insgesamt 256.000 Schüler sowie 24 von insgesamt rund 24.000 Schulbeschäftigten an Covid-19 erkrankt. Dies betreffe 64 verschiedene Schulen, so die Schulbehörde. Ihr zufolge befinden sich derzeit vorsorglich 58 von 9500 Schulklassen sowie 162 Schulbeschäftigte in Quarantäne.

106 Hamburger Klassen in Quarantäne

Seit dem 4. August seien insgesamt 106 Klassen oder Teilklassen auf Anordnung der regional zuständigen Gesundheitsämter zeitweise in Quarantäne geschickt worden. Die Vorgabe, dass sich nur Schüler einer Jahrgangsstufe begegnen dürfen, habe sich bewährt, sagte Ties Rabe. Eine ganze Schule habe bisher nicht geschlossen werden müssen.

Bekannt war, dass es zu Infektionen innerhalb der Heinrich-Hertz-Schule in Winterhude und der Stadtteilschule Winterhude gekommen ist. Am Dienstag sagte Rabe, möglicherweise sei das Virus auch innerhalb der Julius-Leber-Schule in Schnelsen verbreitet worden. Bei 146 der insgesamt 149 von Corona betroffenen Schulen sei davon auszugehen, dass die Ansteckungen außerhalb der Schule stattfanden.

307 Lehrer in Hamburg vom Unterricht befreit

Nach wie vor nicht bewahrheitet hat sich die Befürchtung, dass sich Lehrerinnen und Lehrer aus Sorge vor einer Covid-19-Erkrankung in großer Zahl vom Präsenzunterricht befreien lassen würden. Aktuell seien 307 der mehr als 20.000 Lehrkräfte aufgrund eines ärztlichen Attestes vom Präsenzunterricht abgemeldet, teilte die Schulbehörde auf Abendblatt-Anfrage mit.

Hinzu kommen 68 von mehr als 1900 Erziehern und Sozialpädagogen, die an Schulen in Hamburg tätig sind. Zum Vergleich: Mitte August waren 301 Lehrer und 63 weitere Pädagogen aufgrund eines Attestes vom Präsenzunterricht freigestellt.

Corona: Rabe kritisiert ältere Schüler

Ties Rabe erklärte, es sei sehr wichtig, dass sich weiterhin alle an die Hygienemaßnahmen in Schulen hielten. „Insgesamt ist der Anstieg der Infektionen in allen deutschen Großstädten wie auch in Hamburg besorgniserregend“, sagte der Schulsenator. „Gerade Jugendliche und junge Menschen sind in ihrer Freizeit viel zu sorglos und vergessen außerhalb des Schulgeländes und außerhalb der pädagogischen Kontrolle zu oft die Regeln.“

Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD).
Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD). © dpa | Daniel Bockwoldt

Das berichteten Schulleiter, Lehrer, aber auch Schüler selbst – und es spiegele sich in der Zahl der Infektionen bei älteren Schülern wider, sagte Rabe. „Ich appelliere deshalb an die jungen Menschen, mit Rücksicht auf die große Gefahr der Krankheit für ältere Menschen, sich auch außerhalb der Schulen verantwortungsvoll zu verhalten.“

Für den Fernunterricht einzelner Schüler und ganzer Klassen in Quarantäne hat die Schulbehörde Konzepte veröffentlicht. Ein mit den Schulen erarbeitetes Konzept für „Hybrid-Unterricht“ – ein Teil der Klasse ist anwesend im Klassenraum, der andere Teil nimmt via Internet teil – werde die Schulbehörde wohl bis Ende dieser Woche veröffentlichen, sagte Ties Rabe am Dienstag.

CDU: Schulstart in Hamburg verpatzt

Nach Ansicht der CDU-Abgeordneten Birgit Stöver läuft vieles auch zwei Monate nach dem „von Schulsenator Rabe verpatzten Schulstart“ nicht gut. „Noch immer herrscht Regelungschaos im Umgang mit dem Lernen unter Corona-Bedingungen“, sagte Stöver. Es gebe noch immer kein einheitliches Vorgehen bei Corona-Verdachtsfällen und –Infektionen, die Kommunikation mit den Gesundheitsämtern laufe schleppend, Eltern erhielten zu spät Informationen.

„Rabe lässt Schulen und Lehrkräfte bei der Umsetzung von Corona-Schutzmaßnahmen häufig vor Ort allein“, sagte Stöver. „Gerade mit Blick auf die insgesamt wieder stark gestiegenen Infektionszahlen und die kommende Erkältungssaison im Herbst und Winter wird es immer knapper, das Ruder herumzureißen.“

Linke: Rabe handelt „fahrlässig“

Linken-Fraktionschefin Sabine Boed­dinghaus sagte, sie begrüße es zwar, „dass endlich Schritte zum Lüften unternommen werden“. Sie bezweifele aber, dass das Lüftungskonzept der Schulbehörde den Leitlinien für solche Fälle gerecht werde. Sich alleine auf ein fünfminütiges Lüften alle 20 Minuten zu verlassen, ohne Instrumente, den Luftaustausch überprüfen zu können, sei „fahrlässig“, sagte Boeddinghaus.

Vielmehr müsse ein „Lüftungskataster“ von Hamburger Klassenzimmern erstellt werden. Schulsenator Ties Rabe hält nichts von einem solchen Verfahren: Es führe zu einer „unglaublichen Bürokratie“.