Hamburg. Wichtige Hintergründe zu dem Projekt: Lesen Sie hier Auszüge aus dem neuen Buch von Abendblatt-Autor Matthias Gretzschel.

Mit der Rückkehr der sehr aufwendig restaurierten „Peking“ nach Hamburg wird für jene Menschen ein Traum wahr, der schon Anfang der 1970er-Jahre in Hamburg heiß diskutiert wurde und über den damals das Abendblatt ausführlich berichtet hatte. Der nachfolgende Text füllt eines der Kapitel aus dem neuen Buch „Peking – Schicksal und Wiedergeburt eines legendären Hamburger Segelschiffes“, welches das Abendblatt und der Verlag Koehler Mittler jetzt herausbringen. Neben einer kompletten Historie der „Peking“ finden sich darin auch zahlreiche Bilder sowie Hintergründe zu jenen Personen und Umständen, die das Projekt überhaupt erst möglich gemacht haben.

Noch bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein wird das Bild des Hamburger Hafens von Segelschiffen geprägt, obwohl die Tage der Windjammer damals schon gezählt sind. Längst bewundern die Menschen die immer größer werdenden Dampfer und Motorschiffe, vor allem die Ozeanriesen wie den Luxusdampfer „Imperator“, der 1913 in Dienst gestellt wird.

Die Segelschiffe, die seit 1888 nicht mehr im Binnenhafen, sondern am Kleinen Grasbrook und im Holzhafen liegen, gelten inzwischen als altmodisch und technisch überholt. Nach dem Ersten Weltkrieg ist der für Hamburg einst so typische Mastenwald schon arg gelichtet, und bald verschwinden die Frachtsegler nahezu vollständig aus dem Hafen – 1912 sind in Hamburg noch 108 Segelschiffe zu Hause, 1929 nur noch neun. Nach der Weltwirtschaftskrise ist die Ära der Frachtsegler dann fast ganz vorbei, nur die „Padua“ und die „Priwall“ sind noch im Einsatz.

Doch die Faszination bleibt, was gewiss mit der romantischen Verklärung zu tun hat, die sich mit den Seglern verbindet. Aber auch die in vielen Jahrhunderten entwickelte Technik und vor allem das überaus ästhetische Erscheinungsbild faszinieren die Menschen.

Um 1929: Passagiere der „Cap Arcona“ stehen an der Reling und bestaunen das Segelschiff „Peking“.
Um 1929: Passagiere der „Cap Arcona“ stehen an der Reling und bestaunen das Segelschiff „Peking“. © Archiv F. Laeisz | Archiv F. Laeisz

Gerade weil sie so selten geworden sind, richtet sich das Interesse der Öffentlichkeit schon seit den 1950er-Jahren wieder verstärkt auf Segelschiffe und deren Schicksale. Als die Viermastbark „Pamir“, die 1905 von der Reederei Laeisz in Dienst gestellt wird und nach wechselvollem Schicksal seit 1954 unter neuer Regie wieder als frachtfahrendes Schulschiff unterwegs ist, am 21. September 1957 in einem Hurrikan sinkt, ist das für die Bundesrepublik eine nationale Tragödie. 80 der 86 Besatzungsmitglieder, von denen die meisten Kadetten sind, kommen ums Leben. Nur wenige Wochen nach der Katastrophe übersteht die „Passat“, die wie ihr Schwesterschiff „Peking“ 1911 in Dienst gestellt worden ist, auf der Rückreise von Argentinien einen schweren Orkan nur knapp.

Nach einem Zwischenstopp in Lissabon schafft es der ehemalige Flying P-Liner zwar noch aus eigener Kraft nach Hamburg, wird aber anschließend ausgemustert. Offenbar kommt damals niemand auf die Idee, dass sich der bei Blohm & Voss gebaute Laeisz-Segler als Museumsschiff für Hamburg gut machen würde. Stattdessen kauft die Hansestadt Lübeck 1960 die „Passat“, die seither als Museumsschiff, Veranstaltungsort und Hotel am Priwallufer liegt und inzwischen als Wahrzeichen von Travemünde gilt.

1974 wird „Windjammer für Hamburg“ gegründet

Als man 1974 aus Kostengründen die Gelegenheit ausschlägt, die nun auf „Arethusa­“­ umgetaufte „Peking“ zurück nach Hamburg zu holen, beschließen die damals Verantwortlichen zugleich, den gemeinnützigen Verein „Windjammer für Hamburg“ ins Leben zu rufen, der sich dafür einsetzen soll, ein anderes Segelschiff für den Hafen zu sichern. Wenig später wird der Verein mit dem Ziel gegründet, „Hamburgs Vergangenheit als Kauffahrtei- und Schiffahrtstadt in lebendiger Erinnerung zu halten“. Den Vorsitz übernimmt Wilhelm „Fiete“ Schmidt, der umtriebige Chef des Hafen-Vereins, der sich nun auf die Suche nach einem Segelschiff macht.

Decksplan des Frachtseglers „Peking“. Das 680.000 Mark teure Schiff lief am  28. Februar 1911 bei Blohm & Voss vom Stapel.
Decksplan des Frachtseglers „Peking“. Das 680.000 Mark teure Schiff lief am 28. Februar 1911 bei Blohm & Voss vom Stapel. © Stifung Hamburg Maritim | Stifung Hamburg Maritim

Nach einigen Fehlversuchen wird der Verein auf einen dreimastigen Frachtsegler aufmerksam, der als Depotschiff unter dem Namen „Santo André“ im Marinehafen Arsenal do Alfeite unweit von Lissabon vor sich hin rottet. Einst war es ein stattliches Schiff, doch nach einer wechselvollen Geschichte ist es nun nur noch ein Hulk, also ein Depotschiff ohne Rigg und Takelage. Trotzdem interessiert sich der Verein „Windjammer für Hamburg“ für den ziemlich heruntergekommenen Dreimaster. Statt ihn zu kaufen, bieten die Hamburger den Portugiesen einen Tauschhandel an: Sie erwerben die 1977 in Westerbroek gebaute Schoneryacht „Anne Linde“ und tauschen sie gegen den Dreimaster, der 1983 nach Hamburg geschleppt wird und seitdem wieder „Rickmer Rickmers“ heißt. Damit hatte Hamburg endlich wieder ein eigenes, wenn auch nicht fahrtüchtiges Segelschiff – allerdings keinen der berühmten Flying P-Liner.

Noch viel zu tun im Juni 2019: die „Peking“ im Trockendock der Wewelsflether Peters Werft.
Noch viel zu tun im Juni 2019: die „Peking“ im Trockendock der Wewelsflether Peters Werft. © Thorsten Ahlf

Doch nach der Jahrtausendwende zeichnet sich auch hier eine neue Per­spektive ab; denn das South Street Seaport Museum in New York, seit Mitte der 1970er-Jahre Eigentümer und Aussteller der „Peking“, bekommt zunehmend Probleme. Insgesamt verfügt das Museum über sechs Schiffe, aber nicht über die Mittel, sie alle dauerhaft zu erhalten. Und hinsichtlich der Werterhaltung steht die „Peking“ in direkter Konkurrenz zur gleich nebenan liegenden „Wavertree“. Das hat auch historische Gründe: Während die „Peking“ in ihrer aktiven Zeit niemals in New York gewesen ist, hat die 1885 in Southampton als „Southgate“ gebaute „Wavertree“ Manhattan oft angelaufen. Bei Lichte betrachtet, passt das englische Schiff viel besser nach New York als der Hamburger Flying P-Liner. Das sehen auch die Volonteers so, die Ehrenamtlichen, ohne die das Museum nicht überleben könnte. Sie stimmen quasi mit den Füßen ab und engagieren sich mit ihrer freiwilligen Arbeit vor allem für die „Wavertree“, während sich der Zustand der „Peking“ immer weiter verschlechtert.

Wichtige Begegnung

Nach ersten Verhandlungen, die der damalige Hamburger Handelskammer-Geschäftsführer Reinhard Wolf und Stiftungsvorstand Joachim Kaiser im Jahr 2002 in New York über den möglichen Ankauf des Schiffs führen, kommt es 2003 zu einer weiteren wichtigen Begegnung. Am Rande der Jubiläumsregatta des Norddeutschen Regatta Vereins (NRV) trifft der Anwalt und Unternehmensberater Henning Schwarzkopf amerikanische Segelfreunde. Durch persönliche Vermittlung ergeben sich erste Vereum schon nicht mehr in der Lage sieht. Nun endlich ringt sich die New Yorker Seite dazu durch, auf einen Kaufpreis zu verzichten und die „Peking“ für die symbolische Summe von 100 Dollar anzubieten. Doch auch das hilft noch nicht, weil die Hamburger trotz hoher Spendenzusagen die Mittel für den Rücktransport nicht zusammenbekommen.

Für Reinhard Wolf und seine Mitstreiter ist es ein Wechselbad der Gefühle: Einerseits könnten sie das Schiff jetzt haben, doch andererseits droht noch alles am fehlenden Geld zu scheitern. Am 8. November 2013 treffen sich Wolf und Schwarzkopf zusammen mit weiteren fünf an der „Peking“ interessierten Personen, um mit dem Verein „Freunde der Viermastbark Peking e. V.“ einen Rechtsträger für die weiteren Verhandlungen und die Transaktion der Rückholung des Schiffes zu haben. Die Eintragung ins Vereinsregister erfolgt im Dezember.

September 2016: Verholung der „Peking“ in New York. Hier lag das Segelschiff gut 40 Jahre – und verfiel.
September 2016: Verholung der „Peking“ in New York. Hier lag das Segelschiff gut 40 Jahre – und verfiel. © Stiftung Hamburg Maritim

Im Frühjahr 2015 spitzt sich die Lage in New York zu: Das South Street Seaport Museum gibt aus Kostengründen einen Teil seines Geländes auf und kündigt an, dass Pier 16 bis Ende Juni geräumt sein muss. Allen Beteiligten ist klar: Wenn nicht ein Wunder geschieht, wird die „Peking“ nach 104 Jahren schon bald ihre letzte Fahrt antreten, die Fahrt zur Abwrackwerft. Doch es kommt anders. Jahrelang sitzen die beiden Hamburger Abgeordneten Johannes Kahrs (SPD) und Rüdiger Kruse (CDU) im Haushaltsausschuss, wo sie trotz unterschiedlicher Parteizugehörigkeit mit beträchtlichem Erfolg am selben Strang ziehen – sehr oft zum Nutzen ihrer gemeinsamen Heimatstadt.

Februar 2020: Das internationale Team um Georg Albinus (gelbe Jacke) kümmert sich um die Takelage. Segel setzen wird die „Peking“ aber nicht mehr.
Februar 2020: Das internationale Team um Georg Albinus (gelbe Jacke) kümmert sich um die Takelage. Segel setzen wird die „Peking“ aber nicht mehr. © Thorsten Ahlf

Ob Denkmalschutz, Orchesterförderung, Museumsprojekte, die Sanierung von Theatern – in den vergangenen Jahren haben K & K, wie die als Persönlichkeiten recht gegensätzlichen und dennoch bestens harmonierenden Abgeordneten genannt werden, mehrere Hundert Millionen Euro Bundesmittel für Hamburg sichern können. Kein Wunder also, dass die Befürworter eines Hafenmuseums diese Idee den Abgeordneten nahezubringen versuchen. Es kann dabei tatsächlich nicht um ein neues Museumsprojekt mit nur Hamburger Relevanz gehen, es müsste schon ein Deutsches Hafenmuseum sein, welches die Bedeutung des Handels für die deutsche Geschichte herausarbeitet, dabei die vielfältigen Aspekte der Globalisierung in den Blick nimmt und sich mit Projekten wie der Zeche Zollverein in Essen (Bergbau) und der Völklinger Hütte (Industrie) vergleichen lässt.

Viermastbark "Peking" - Einblicke in Restaurierungsarbeiten

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Immer deutlicher wird auch, dass dieses Deutsche Hafenmuseum ein Leitobjekt und ein weithin sichtbares Wahrzeichen braucht, das Aufmerksamkeit schafft und Identifikation stiftet. Und dabei kann es sich eigentlich nur um den Flying P-Liner „Peking“ handeln, dessen Zukunft in New York immer ungewisser wird. Auf Initiative des Vereins „Freunde der Viermastbark Peking“ und in enger Abstimmung mit der Stiftung Hamburg Maritim und den Verantwortlichen der Stiftung Historische Museen Hamburg kommt es zu Gesprächen mit Kahrs und Kruse, um sie von der Idee zu überzeugen – mit Erfolg. Maßgeblich beteiligt ist der politisch bestens vernetzte ehemalige Kulturstaatsrat Gert Hinnerk Behlmer. Auch Anja Hajduk, die als Hamburger Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen im Haushaltsausschuss sitzt, unterstützt das Projekt. Aber das alles steht und fällt mit der Finanzierung, die zunächst noch völlig unklar erscheint.

April 2020: Impressionen von der Notsteueranlage am Heck des Schiffes. Die beiden Räder sind noch im Original erhalten gewesen.
April 2020: Impressionen von der Notsteueranlage am Heck des Schiffes. Die beiden Räder sind noch im Original erhalten gewesen. © Thorsten Ahlf | Thorsten Ahlf

Reinhard Wolf sucht das Gespräch mit Johannes Kahrs, der maritimen Projekten gegenüber aufgeschlossen ist. Am Sonntag, dem 11. Oktober 2015, kommt es dann um 16 Uhr im Privathaus von Nikolaus H. Schües an der Heilwigstraße zu einem denkwürdigen Treffen, an dem neben dem Kuratoriumsvorsitzenden die Vorstandsmitglieder der Stiftung Hamburg Maritim Joachim Kaiser und Claus Liesner zusammen mit Reinhard Wolf und Gert Hinnerk Behlmer, früher Staatsrat in der Kulturbehörde und heute Beiratsvorsitzender der Stiftung, teilnehmen.

Behlmer, wie Johannes Kahrs SPD-Mitglied, hat den Kontakt zu dem Bundestagsabgeordneten und Sprecher der SPD-Fraktion im Haushaltsausschuss geknüpft und empfiehlt in Abstimmung mit ihm in diesem Sonntagstreffen, die Stiftung Hamburg Maritim solle kurzfristig ein formloses Schreiben an den Haushaltsausschuss richten und darin die notwendigen Mittel von 26 Millionen Euro für die Rettung der „Peking“ beantragen. Das wird am nächsten Tag formuliert und von zwei Vorständen der Stiftung unterzeichnet.

Überführung ist für den 7. September geplant

Am 12. November 2015 bewilligt der Haushaltsausschuss des Bundes neben 18 Millionen Euro zur Modernisierung des Museums für Hamburgische Geschichte auch 120 Millionen Euro für die Errichtung eines Deutschen Hafenmuseums „einschließlich der Sanierung und Überführung der historischen Viermastbark ,Peking‘ von New York nach Hamburg“. Davon sind insgesamt 26 Millionen Euro für den Rücktransport und die anschließende Sanierung vorgesehen.

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Was man sich über viele Jahre hinweg gewünscht hat, aber immer wieder an der Ungunst der Verhältnisse und dem fehlenden Geld scheiterte, ist jetzt auf einmal möglich geworden. Und vier Jahre später, im November 2019, gewährt der Haushaltsausschuss sogar noch einen finanziellen Nachschlag: Da sich gezeigt hat, dass die Kosten des inzwischen schon stärker konkretisierten Gesamtprojekts die bisherigen Annahmen übersteigen werden, gibt es noch einmal 58 Millionen vom Bund. Zu dieser Zeit ist die „Peking“ längst heimgekehrt, zumindest beinahe. Noch liegt sie bei der Peters Werft im schleswig-holsteinischen Wewelsfleth. Doch am 7. September soll die spektakuläre Rückkehr des sanierten Großseglers nach Hamburg endgültig Realität werden.

PR zum Peking-Buch von Matthias Gretzschel Buchcover Abbildung aus Buch, erschienen im Maximilian Verlag GmbH & Co. KG
PR zum Peking-Buch von Matthias Gretzschel Buchcover Abbildung aus Buch, erschienen im Maximilian Verlag GmbH & Co. KG © Maximilian Verlag | Maximilian Verlag

„Peking“ von Matthias Gretzschel kostet 29,95 Euro und ist im Abendblatt-Shop sowie dem Buchhandel erhältlich.