Hamburg. 200 Prozesse gegen Randalierer sind abgeschlossen. Es gab viele Verurteilungen, aber keine Anklage gegen Polizisten.
Straßenbarrikaden, Gewalt, brennende Autos, Plünderungen: Die Ausschreitungen am Rande des G-20-Gipfels am 7. und 8. Juli 2017 haben in Hamburg für Angst und Entsetzen gesorgt. Und auch drei Jahre nach den Ereignissen beschäftigen die Taten noch die Hamburger Justiz.
Gut 200 Prozesse sind mittlerweile von den Gerichten abgeschlossen, davon endete eine Vielzahl der Prozesse mit Verurteilungen, einige mit Geldstrafen, etliche auch mit Freiheitsstrafen. Auch Freisprüche gab es. Die genauen Zahlen sind nicht bekannt. Die nächste große Entscheidung steht an diesem Freitag an, wenn im Prozess um den gewalttätigen Aufmarsch an der Elbchaussee das Urteil gegen vier Angeklagte erwartet wird.
Von der Staatsanwaltschaft sind im Zusammenhang mit den G-20-Krawallen bislang 449 Anklagen gegen Erwachsene und jugendliche Beschuldigte erhoben worden. Ferner beantragte die Anklagebehörde 76 Strafbefehle. 446 weitere Verfahren gegen Beschuldigte sind mittlerweile eingestellt worden, die meisten davon mangels hinreichenden Tatverdachts.
Weitere 1666 Ermittlungsverfahren richteten sich gegen Personen, deren Identität nicht ermittelt werden konnte. Von diesen Verfahren ist der Großteil mittlerweile eingestellt worden. Jedoch würden die Ermittlungen in den einzelnen Fällen wieder aufgenommen, „wenn es neue Ermittlungsansätze gibt“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Liddy Oechtering.
G-20-Gipfel: Ermittlungen gegen Polizisten wegen Übergriffen auf Demonstranten
Gegen Polizeibeamte wurden aufgrund von Anzeigen wegen Übergriffen auf Demonstranten in 157 Fällen Ermittlungen geführt. Insgesamt 130 Beschuldigte wurden bei der Staatsanwaltschaft bisher namentlich erfasst. Eine Anklage wurde bislang in keinem Verfahren erhoben. In 120 Fällen wurden die Verfahren eingestellt, weil kein hinreichender Tatverdacht bestanden habe. Oft sei der Einsatz von Gewalt bei Festnahmen verhältnismäßig und gerechtfertigt gewesen, hieß es. Ein einziges Verfahren führte allerdings zum Prozess: gegen einen Münchner Ex-Polizisten – weil er eine Bierdose in Richtung von Polizeibeamten geworfen hatte.
Dass der 38-Jährige den Wurf während der „Welcome to Hell“-Demo am 6. Juli 2017 getätigt hatte, war im Prozess zwar unstrittig. Der Mann hatte gesagt, er habe damit seinen Unmut über einen aus seiner Sicht völlig überzogenen Polizeieinsatz zum Ausdruck bringen wollen. Er wurde schließlich freigesprochen, weil nicht nachzuweisen war, dass er eine mögliche Verletzung von Polizeibeamten billigend in Kauf genommen habe.
Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall
Einer der Schauplätze schwerer Ausschreitungen beim G-20-Gipfel war die Straße Rondenbarg in Bahrenfeld, wo am Morgen des 7. Juli 150 bis 200 schwarz gekleidete und vermummte Personen in geschlossener Formation auf eine Hundertschaft Polizisten trafen. Die Gruppe, in der offenbar viele Vermummte mit Steinen, Werkzeugen und Böllern bewaffnet war, soll die Beamten der Bundespolizei angegriffen haben, die den Rondenbarg abgesperrt hatten. Von den Beamten, die Schutzkleidung trugen, wurde niemand verletzt. Unter den Demonstranten gab es 14 Verletzte.
G-20-Gipfel in Hamburg:
Im Zusammenhang mit diesem Komplex hat die Staatsanwaltschaft mittlerweile gegen insgesamt 84 Beschuldigte Anklage zum Amtsgericht beziehungsweise zum Landgericht erhoben. Es handelt sich um neun Verfahren mit jeweils zwischen zwei und 19 Angeklagten. Die Vorwürfe beispielsweise in einem Verfahren gegen 13 erwachsene Beschuldigte lauten auf Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall, gemeinschaftlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte, versuchte gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung. In keinem der Verfahren sind bislang Hauptverhandlungstermine angesetzt.
Höchste Strafe: drei Jahre und drei Monate Haft
Die bislang höchste Strafe, die im Zusammenhang mit einem G-20-Prozess verhängt und auch rechtskräftig wurde, belief sich für einen Angeklagten auf drei Jahre und drei Monate Haft. Sie wurde gegen einen 30-jährigen Deutschen wegen besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs, versuchter gefährlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte verhängt.
Ein weiterer Mann erhielt wegen der gleichen Delikte drei Jahre Freiheitsstrafe. Ein anderes Urteil, bei dem ein 28-Jähriger wegen des Wurfs einer Flasche auf einen Polizisten vom Amtsgericht zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war, wurde in der Berufungsinstanz auf zweieinhalb Jahre Gefängnis abgemildert. Die Verfahren vor dem Amtsgericht wurden überwiegend an einem Verhandlungstag beendet, jedoch gab es auch einige wenige, die zehn Tage und länger dauerten.
Lesen Sie auch:
- Haftstrafen in G-20-Prozess zur Elbchaussee gefordert
- "Polizeihass in Reinform": Grote schreibt Brandbrief an taz
- G-20-Angeklagter rechtfertigt Gewalt – mit Brecht-Zitaten
Mittlerweile sogar anderthalb Jahre wird bislang in einem Prozess vor dem Landgericht gegen vier Männer im Zusammenhang mit dem gewalttätigen Aufmarsch an der Elbchaussee verhandelt. Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Angeklagten im Alter zwischen 19 und 26 Jahren aus dem Rhein-Main-Gebiet sowie dem 24-Jährigen aus Frankreich schweren Landfriedensbruch sowie Mittäterschaft bei Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung vor.
Sie sollen unter den rund 220 Vermummten gewesen sein, die am 7. Juli Autos und Gebäude an der Elbchaussee und an der Max-Brauer-Allee beschädigten. Insgesamt entstand dort nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein Schaden von mindestens einer Million Euro.
Die Staatsanwaltschaft hat für den Franzosen vier Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe beantragt, für die anderen drei Männer Haftstrafen von zweieinhalb beziehungsweise drei Jahren. Die Verteidigung hatte jeweils Freispruch gefordert.