Hamburg. 120 Ermittlungsverfahren gegen Polizisten sind eingestellt worden. Die Linke spricht von einem „Armutszeugnis für den Rechtsstaat“.
Seit dem G-20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017, bei dem es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizisten kam, hat das Dezernat Interne Ermittlungen wegen strafrechtlicher Vorwürfe gegen Beamte 169 Verfahren geführt, davon 133 wegen des Vorwurfs der Körperverletzung im Amt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte seit den Ausschreitungen vor drei Jahren in 157 Fällen gegen Polizisten.
Bis Juni 2020 kam es allerdings nicht zu einer einzigen Anklage wegen strafbarer Polizeigewalt, 120 Ermittlungsverfahren gegen Beamte wurden eingestellt. Das geht aus der Antwort des rot-grünen Senats auf eine Anfrage der Linken-Fraktion in der Bürgerschaft hervor.
G20: Gewalt der Polizei bei Festnahmen sei gerechtfertigt gewesen
Die meisten Einstellungen hingen damit zusammen, dass „Täterschaft, Tat oder Tatumstände nicht nachweisbar“ gewesen seien, heißt es in der Senatsantwort. In einigen Fällen wird die Einstellung der Ermittlungen damit begründet, es habe „Rechtfertigungsgründe oder Schuldausschließungsgründe“ gegeben, die Ausübung von Gewalt etwa bei Festnahmen sei gerechtfertigt gewesen.
Generell sei die Bewertung des Verhaltens von Polizeibeamten im Einsatz schwieriger als bei anderen Tatverdächtigen, hatte die Staatsanwaltschaft schon 2018 auf eine Abendblatt-Anfrage zu den Ermittlungen erklärt. Polizisten dürften auch Zwangsmittel einsetzen. Es komme darauf an, ob das jeweils gewählte Mittel „angemessen und verhältnismäßig“ sei.
Linke: „Strukturelle Defizite bei Strafverfolgung gegen Polizisten“
Videos, die gewaltsam vorgehende Polizeibeamte zeigen, reichten für einen gerichtsfesten Tatverdacht oft nicht aus. Die Vorgeschichte, die im Zuge der Ermittlungen deutlich werde, könne ein anderes Licht auf einen Vorfall werfen. Wenn etwa eine massive Gewalthandlung eines Demonstranten vorausgegangen sei, fließe dies in die Bewertung des polizeilichen Handelns ein.
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Nach Ansicht der Linken-Fraktion belegen die Zahlen, dass es „strukturelle Defizite bei der Strafverfolgung gegen Polizisten“ gibt. „Die Ergebnisse sind ein Armutszeugnis für den Rechtsstaat und ein Freifahrtsschein für Straftäter in Uniform“, sagt der Abgeordnete Deniz Celik.
Eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle mit Ermittlungsbefugnissen sei „bitter nötig“. Beim G20-Gipfel hatten sich die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in der Hansestadt getroffen. Die Zusammenkunft war von Krawallen überschattet.