Hamburg. Drei Jahre nach dem Wurf wurde nun das Urteil verkündet. Der Richter bezeichnete die Tat als “Scheißaktion“.
Auf den Tag genau drei Jahre nach seinem Bierdosenwurf bei einer Demonstration gegen den G20-Gipfel in Hamburg ist ein ehemaliger Polizist aus München freigesprochen worden. Dem 38-Jährigen sei nicht nachzuweisen, dass er bei dem Wurf in Richtung Polizei billigend in Kauf genommen habe, dass seine damaligen Kollegen verletzt werden könnten, sagte Richter Reinhard Kloß am Montag bei der Verkündung des Urteils vor dem Amtsgericht Altona. Gleiches gelte für die ebenfalls angeklagte 31 Jahre alte Freundin des Mannes, die auch eine Dose geworfen hatte.
Die Staatsanwaltschaft hatte dem Mann, der nach Aufnahme der Ermittlungen gegen ihn aus dem Polizeidienst ausgeschieden war, versuchte gefährliche Körperverletzung und tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte vorgeworfen und ein Jahr Haft auf Bewährung gefordert. Weil die Frau eine fast leere Dose geworfen hatte, sollte sie wegen versuchter einfacher Körperverletzung und tätlichen Angriffs zu einer Geldstrafe verurteilt werden.
G20-Prozess in Hamburg: "Im Zweifel für den Angeklagten"
„Dies ist kein Freispruch aufgrund erwiesener Unschuld, sondern Ergebnis des Rechtsgrundsatzes in dubio pro reo (im Zweifel für den Angeklagten)“, sagte der Richter.
Dass die Angeklagten die Dosen während der „Welcome to Hell“-Demo am 6. Juli 2017 am St. Pauli-Fischmarkt von einer Brücke aus in Richtung vorrückende Polizei warfen, war unstrittig und durch Videoaufnahmen belegt. Die Angeklagten hatten ausgesagt, dass sie damit ihren Unmut über den aus ihrer Sicht völlig überzogenen Polizeieinsatz zum Ausdruck bringen, aber niemanden treffen und verletzen wollten.
Richter bezeichnet Tat als „Scheißaktion“
Er wisse nicht, was der Angeklagte vor dem Wurf gedacht habe, sagte Richter Kloß zu dem 38-Jährigen. Viel könne es aber nicht gewesen sein, „denn wenn Sie nachgedacht hätten, hätten Sie den Wurf wohl nicht getätigt“. Schon zu Anfang des Prozesses Ende Mai hatte der Richter die Tat als „Scheißaktion“ bezeichnet, wobei ihm der Angeklagte grinsend zustimmte.
Die Staatsanwaltschaft sah den Vorwurf, dass die beiden Angeklagten es zumindest billigend in Kauf genommen habe, dass Polizisten verletzt werden könnten, auch durch Versuche von Kriminaltechnikern belegt. Diese hatten von der Brücke aus Dosen mit unterschiedlichem Füllgewicht geworfen und die Flugbahn mit Videokameras aufgezeichnet. Der Staatsanwalt kündigte nach den Freisprüchen an, das Urteil zu prüfen und dann gegebenenfalls Rechtsmittel einzulegen.
Juli 2017: Lage bei „Welcome to Hell“-Demo eskalierte
Zu der Demonstration unter dem Motto „Welcome to Hell“ hatten Hamburger Linksautonome aufgerufen. Rund 12.000 Menschen versammelten sich. Die Polizei stoppte den Abmarsch vom Fischmarkt, weil sich nach ihren Angaben mehrere Tausend Teilnehmer vermummt hatten. Als die Beamten versuchten, die Vermummten abzutrennen, sei die Lage eskaliert, erklärte die Polizeiführung später vor einem Ausschuss der Bürgerschaft. Es seien mehr als 700 Straftaten verübt worden.
Der Angeklagte hatte angegeben, dass er sich privat in Hamburg aufgehalten habe und sich die Demonstration anschauen wollte. Seine damaligen Kollegen seien ohne Vorankündigung mit Schlagstöcken auf die Demonstranten losgegangenen, sagte er am vorletzten Prozesstag. „Diese Bilder erschüttern mich bis heute“ und sie hätten dazu „beigetragen, dass ich nicht mehr Polizeibeamter sein wollte und nicht mehr bin“.