Hamburg. E-Mail an Studenten und Professoren. “Kaum etwas bleibt, wie es war.“ Dieter Lenzen hat prominent besetzten Krisenstab.

Mitten in der Corona-Krise hat der Präsident der Universität Hamburg, Prof. Dieter Lenzen (72), an Studierende und Mitarbeiter ungewöhnlich emotional appelliert. In einer E-Mail, die dem Hamburger Abendblatt vorliegt, schreibt Lenzen mit Verweis auf seinen Aufsatz, der sich auch auf der Website der Uni befindet, dass es während der Corona-Pandemie praktisch um alles gehe. „Es ist keine Frage: die Universität Hamburg wird Bestand haben, aber sicherlich in sehr veränderter Form. Kaum etwas wird bleiben, wie es war.“

Das klingt überraschend für eine Universität, die über 100 Jahre bereits durch eine turbulente Geschichte gegangen ist und der gerade das offizielle Label „Elite“ vorangestellt wurde. Liest man Lenzens Worte genau, kann es kaum dramatischer sein. Er bezeichnet das Coronavirus als Bedrohung für das Leben schlechthin.

Universität Hamburg: Sommersemester 2020 digital

Nachdem zunächst unklar war, ob es überhaupt Vorlesungen und Seminare im Sommersemester 2020 geben würde, ging dann für Hamburger Hochschulen alles ganz schnell. Anfang März waren sogar noch die Mensen offen. Mitte März wurden alle Präsenzveranstaltungen abgesagt, sogar Prüfungen wurden ausgesetzt. Der Semesterstart soll jetzt am 20. April sein – allerdings nur digital. Das sagte Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank dem Abendblatt.

Coronavirus: Interaktive Karte

Lenzen schreibt jetzt: „Wenn die Vermeidung körperlicher Nähe technisch nicht sicherbar ist, hat sie zu unterbleiben. Wir haben am Anfang der Epidemie die unheilbare Erkrankung eines Mitglieds unserer Universität erfahren müssen, das gemeinsam mit einem anderen am Mikroskop arbeitete und die Möglichkeit auf ein erfülltes Leben verloren hat.“

Uni-Präsident Dieter Lenzen ist zehn Jahre im Amt

Und doch windet sich der Uni-Präsident, der jetzt genau zehn Jahre im Amt ist, um das reine Befolgen von Dienstanweisungen der Wissenschaftsbehörde von Senatorin Katharina Fegebank (Grüne) herum. Man sei „ohne Unterbrechung, teilweise in mehr als zehnstündigen Telefonkonferenzen“ dabei, für Mitarbeiter ein Homeoffice einzurichten und „5000 Lehrveranstaltungen nach Möglichkeit in irgendeiner Weise zu digitalisieren“.

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Aber so einfach schlucken will Lenzen die behördlichen Vorgaben nicht – mit Verweis auf die Freiheit der Wissenschaft. „Die Hochschulleitung nimmt diese Pflicht verantwortungsvoll im Rahmen der Planungsvorgaben des Staates wahr, aber auch reflektiert vor dem Hintergrund unseren allen Wissens über die Geschichte der Aufklärung und ihre Gefährdung.“

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"Die Hände in obrigkeitlicher Unschuld waschen"

Das heißt: Der Uni-Präsident warnt vor zu tief greifenden, zu lang anhaltenden Maßnahmen des Staates. Es genüge nicht, „dass eine Hochschulleitung Verfügungen einer Regierung treuherzig befolgt und im Übrigen ihre Hände in obrigkeitlicher Unschuld wäscht“, so Lenzen. Er erinnert daran, dass junge Leute – Studierende – begreifen müssten, dass ihre Professoren häufig über 50 seien und somit eine Risikogruppe. Lenzen schließt mit den Worten: „Mögen Sie gesund und heil bleiben!“

Die Uni Hamburg hat einen eigenen Krisenstab, in dem auch der Präsident sitzt, „P“ genannt. Als letztes Mitglied dieses Krisenstabes – ohne eigenen Buchstaben oder „Leitzeichen“ in der Liste – ist eine Frau genannt, der die Funktion „Fachliche Expertise“ zugeordnet wurde. Sie arbeitet am UKE und heißt Prof. Dr. Marylyn M. Addo. Präsident Lenzen könnte schlechtere Berater haben.

Coronavirus: UKE-Pressekonferenz mit Prof. Dr. Marylyn Addo

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