Hamburg. Das Geschäft geht auf das Jahr 1767 zurück – und auf Friedrich den Großen, Napoleon und Königin Victoria. Wie Wilm Corona erlebt.
Kriege, Überfälle, Seuchen – die Hamburger Goldschmiedefamilie Wilm hatte in ihrer mehr als 250-jährigen Firmengeschichte schon mit vielen schwierigen Situationen zu kämpfen. „Aber so etwas wie die Coronakrise gab es noch nie. Zumindest soweit ich das überblicke“, sagt Mark-Andreas Wilm, der das älteste noch in Gründerhand befindliche Juweliergeschäft Deutschlands führt. Wilm neigt nicht zum Dramatisieren.
Aber als er Mitte März seine sechs Beschäftigten in Werkstatt und Laden am Ballindamm in Kurzarbeit geschickt und den Laden zugesperrt hat, war das eine Zäsur. „Wir haben noch alle umsetzbaren Aufträge fertiggemacht. Jetzt steht der Betrieb still.“ Von einem Tag auf den anderen waren die Einnahmen komplett auf null. „Das können wir maximal drei Monate durchhalten“, sagt der Mann, dessen Schmuckanfertigungen schon mal eine Million Euro und mehr kosten können.
Gefühl der Ohnmacht in Corona-Krise
Es ist das Gefühl der Ohnmacht, die dem Nachfahren von Gründer Gottfried Ludewich Wilm zu schaffen macht. Der hatte 1767 ein silbernes Kaffeeservice für Preußenkönig Friedrich den Großen entworfen und sich mit dem Auftrag über 800 Teile in Berlin selbstständig gemacht. In der Familie werden Geschichten von Erfolgen, etwa die Arbeiten für Napoleon I. und Königin Victoria, erzählt, aber es gab auch immer wieder schwere Einschläge.
Zum Beispiel als vor ziemlich genau 100 Jahren Millionen in Deutschland an der Spanischen Grippe starben. Auch die Familie Wilm habe es damals hart getroffen, sagt Mark-Andreas Wilm. In der Generation seines Großvaters, der 15 Geschwister hatte, überlebten nur neun bis zur Volljährigkeit. Im Zweiten Weltkrieg wurde das damalige Hauptgeschäft nahe dem Berliner Gendarmenmarkt von einer Brandbombe getroffen und komplett zerstört. Die Wilms flohen und kamen über Kontakte bei den Bismarcks in Friedrichsruh bei Hamburg unter. 1948 eröffneten sie das Geschäft am heutigen Sitz am Ballindamm.
Jede Woche Stillstand kostet bis zu 13.000 Euro
Wilm, selbst Goldschmied und Edelsteinexperte, erlebte gleich zu Beginn seiner Karriere in der Familie seine erste Katastrophe. Die von ihm in Kampen auf Sylt eröffnete Dependance wurde überfallen und komplett ausgeraubt. „Der Schaden betrug vier Millionen Mark, und ich war gnadenlos unterversichert“, sagt der Wilm-Erbe. „Eigentlich war ich da pleite.“ Aber dank guter Polizeiarbeit seien die Täter gefasst worden, der Verlust reduzierte sich auf 100.000 Euro. Auch die Finanzkrisen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und nach dem Lehman-Crash 2008/09 hätten das Geschäft „in eine existenzielle Bedrohung gebracht“.
Wie es jetzt weitergeht, weiß er nicht. Jede Woche Stillstand kostet bis zu 13.000 Euro unter anderem für Miete, Leasinggebühren, Versicherungen und weitere laufende Kosten. Mark-Andreas Wilm arbeitet im Homeoffice. „Ich bemühe mich, weiter mit den Kunden in Kontakt zu bleiben“, sagt er. Zugleich hofft er, dass die Unterstützung von der Regierung so weit reicht, dass kleine Betriebe überleben können. Inzwischen hat er die Coronasoforthilfe beantragt. „Noch habe ich keine Rückmeldung“, sagt er. In dieser Woche will er zudem einen Kredit bei der KfW-Bank beantragen, zur Überbrückung der Liquidität. Denn: Auch wenn er sein Geschäft wieder öffnen darf, werde es einige Zeit dauern, bis der Verkauf wieder laufe.
Informationen zum Coronavirus:
- Die Stadt Hamburg informiert die Bürger auch online über das Coronavirus. Zusätzlich gibt es eine Hotline: 040 42828-4000
- Das Robert-Koch-Institut beantwortet häufig gestellte Fragen zu SARS-CoV-2
- Auch das Bundesgesundheitsministerium hat eine eigene Informationsseite zum Virus eingerichtet