Hamburg. Sozialdemokratischer Liederabend mit Hansjörg Schmidt und dem Kultursenator – ohne Chor, dafür mit DJ-Pult im Mojo Club.

Um 22 Uhr färbt sich die Musik endlich wie die Scheinwerfer im Mojo Club – tiefrot. „Jetzt kommt ein Wunsch. Wir sollen etwas propagandistischer werden“, sagt ein schelmischer Kultursenator – und legt „A New England“ auf. Das ist eigentlich ein Liebeslied von Billy Bragg, aber das Schaffen des Singer-Songwriter ist imprägniert gegen den Neoliberalismus der Eisernen Lady.

In solch einem Augenblick möchte man gern mit dem Kultursenator diskutieren, ob Maggie Thatcher für die britische Kultur nicht ein Glücksfall war – weil sie sämtliche kreative Kräfte in der Kultur mobilisierte. Aber für intellektuelle Debatten ist es im Mojo Club dann doch etwas zu laut.

Die SPD will ohne Worte überzeugen – dafür mit Musik

Außerdem lautet das Motto der Wahlkampfparty 27 Tage vor der Wahl: „No talks, just music“. Der „etwas andere Abend mit Carsten Brosda und Hansjörg Schmidt“ will ohne große Worte auskommen und mit Musik überzeugen. Das unterscheidet ihn von den schon fast legendären Liederschlachten Brosdas mit Literaturhaus-Chef Rainer Moritz.

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Der Kultursenator verspricht zu Beginn eine „Veranstaltung, von der wir nicht wissen, wo sie hinführt“ – und räumt zugleich die Kritik ab, einen solchen Liederabend am Auschwitz-Gedenktag zu veranstalten. „Wir stehen für eine freie, offene und vielfältige Gesellschaft – und das Feiern dieser freien, offenen und vielfältigen Gesellschaft ist der beste Weg, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.“ Sein erster Song heißt folgerichtig „This Land is Your Land“, allerdings als Coverversion.

Rund 400 Leute wollen die SPD-DJs hören

Gastgeber Hansjörg Schmidt, eines der jungen Talente der SPD und ein möglicher Fraktionschef in spe, hält mit Hamburger Musik dagegen, etwa Dendemanns „Keine Parolen“. Schmidt tanzt zur Musik, Brosda – ganz die alte DJ-Schule – steht unbewegt und mit dem Kopfhörer auf der Suche nach neuen Stücken.

Die weiteren Teile des Wahltagebuchs:

Fast 400 Menschen sind in den Mojo-Club gekommen: Sie halbieren verglichen mit anderen SPD-Veranstaltungen das Durchschnittsalter; in Relation zu anderen Abenden an der Reeperbahn 1 dürfte er trotzdem noch doppelt so hoch sein.

Opportunismus? Oder Volkspartei?

Der Kultursenator hat gottlob nicht nur Country, seine Lieblingsmusik seit seinem Austauschjahr in Texas, mitgebracht, sondern auch Britpop auf Lager wie „Common People“. Natürlich gibt es dazu auch eine wunderschöne Geschichte zu erzählen: Pulp besingen eine versnobte Reichentochter, die das Leben der gewöhnlichen Menschen kennenlernen möchte. Später kam heraus, dieses reiche Mädchen war die Künstlerin Danae Stratou, die Frau des griechischen Ex-Finanzministers Yanis Varoufakis. Und der wiederum gab Jahre lang den Posterboy der Linken.

Apropos Linke: Im Mojo Club tummeln sich an diesem Abend auffallend viele Menschen aus Kultur, Medien und Wirtschaft, die man eher für Sympathisanten der Linkspartei oder der CDU hielt. Das kann man Opportunismus nennen. Oder Volkspartei.