Hamburg. Ortstermin mit Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann. Manche Sorgen der Händler erstaunen den Politiker.
Eigentlich gibt es fast alles im Aladin Center. Handyhüllen, Lesebrillen, Hair Extensions und Fanartikel vom FC St. Pauli. Auch Kopftücher und jede Menge Modeschmuck. Zwischen all den Ketten und der Wand mit den glitzernden Ohrringen steht Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos). An diesem regnerischen Nachmittag möchte Westhagemann mit den Händlern am Steindamm ins Gespräch kommen.
Sein erster Kontakt ist Aladin-Chef Halit Bayanbas. „Die Geschäfte laufen einigermaßen gut, aber es gibt viele Probleme am Steindamm. Meine Familie ist hier nicht auf der Straße unterwegs und auch meine Buchhalterin hat Angst, rauszugehen“, berichtet der Kaufhaus-Geschäftsführer. Diebstahl und der Dreck auf der Straße machen ihm Sorgen. Senator Westhagemann hört aufmerksam zu, wünscht weiterhin viel Erfolg und setzt seinen Ortstermin fort.
Großes Angebot am Steindamm
Es herrscht reges Treiben auf der Straße unweit des Hauptbahnhofs. Hier haben vor allen Dingen Händler mit Migrationshintergrund ihre Geschäfte. Das Angebot reicht von Restaurants über Bäcker und Gemüseläden, Schlachter, Elektronikartikel bis hin zu Spielhallen und Wettbüros. Im Faieq City Shop gibt es auch eine erstaunliche Fülle von Waren: Tabletts, Kochtöpfe, Schmuck, Geschirr jeglicher Art.
Der Juniorchef Fahim Faieq präsentiert dem Senator stolz eine goldene Schatulle. „Da kommt der Koran rein“, sagt Faieq. Aber auch der 27-Jährige nimmt kein Blatt vor den Mund: „Wir haben hier große Probleme mit der Sauberkeit, Bettelei, Prostitution und Junkies.“ Westhagemann ist überrascht: „Was, die Junkies hängen hier ab?“ Dann posiert der Senator noch für ein Foto und weiter geht es. Vor einem Stundenhotel stehen zwei Damen, die der Prostitution nachgehen könnten. Neben ihnen steht ein wenig vertrauenserweckender Mann mit einer Dogge, die die Größe eines Ponys hat.
Treue internationale Kundschaft
Den Rundgang hat Wolfgang Schüler, Quartiersmanager für die Interessengemeinschaft Steindamm, in der sich die Grundeigentümer zusammengeschlossen haben, organisiert. Schüler lobt: „Der Senator setzte mit seinem Besuch ein Signal für die Anerkennung der Leistung der migrantischen Wirtschaft, die sehr zum Wohle der Hansestadt beiträgt.“ Weiter geht es durch den Nieselregen. „Das ist eine lebendige Straße mit einem unglaublich großen Angebot an Nahrungsmitteln aus aller Welt. Das ist beeindruckend“, sagt Westhagemann.
Nächste Station ist die Engel-Apotheke von Sven Villnow. Dessen Angestellte sprechen viele Sprachen. „Wir haben eine treue internationale Kundschaft und fühlen uns wohl an dem Standort“, sagt der Apotheker, der sie bereits 1996 von seinem Vater übernommen hatte. Aber auch Villnow berichtet von Alkohol, Drogen und hilflosen Personen, die auf der Straße liegen. Für Wolfgang Schüler steht fest: „Die Gewerbetreibenden haben ihre Sorgen und Nöte, dabei geht es vor allen Dingen um Sauberkeit, Diebstahl und Junkies. Da muss etwas geschehen.“ Das sieht Senator Westhagemann auch so: „Ich werde mich zu diesen Themen, die die Händler hier vor Ort bewegen, mit dem Innen- und dem Umweltsenator abstimmen.“
Radfahrstreifen geplant
Eine gute Nachricht ist, dass der Straßenraum am Steindamm neu gestaltet werden soll. Dort ist ein Radfahrstreifen auf beiden Fahrbahnen geplant. Außerdem soll künftig eine neue mit Bäumen bepflanzte Mittelinsel die beiden Fahrbahnen trennen. Auch Lieferzonen sollen eingerichtet werden. Die Bauarbeiten beginnen diese Woche im Bereich der Kreuzung Steindamm/Lohmühlenstraße/Berliner Tor. Wenn der Umbau dort abgeschlossen ist, soll der zweite Bauabschnitt am Steindamm bis November 2020 fertig sein.
Unterdessen wollen viele Händler das Image der Straße verbessern. Einer der Initiatoren ist Hanifi Toprak, Mitinhaber und Geschäftsführer des kurdischen Restaurants Batman: „Die Gewerbetreibenden am Steindamm, viele davon mit Migrationshintergrund, wollen sich zu einem Verein zusammenschließen, um die Straße nach vorne zu bringen. Wir haben bereits gut zehn Geschäftsinhaber, die mitmachen wollen, und es werden noch mehr werden.“ Ziel sei es, die Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Mitte zu optimieren und vor allem auch die Sauberkeit zu verbessern. Toprak ist wichtig: „Wir wollen mit Aktionen, wie zum Beispiel einer Weihnachtsbeleuchtung, noch mehr Menschen für diesen Standort begeistern.“
Steindamm ist multikulturell
Unterstützung erhalten Toprak und seine Mitstreiter von der Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger Migranten e. V. Die Betreiber der Spielhallen und Wettbüros sollen nicht in den Verein eintreten dürfen, so Toprak. Senator Westhagemann zieht ein positives Fazit seines Besuchs: „Ich habe heute leidenschaftliche Händler und Geschäftsleute kennengelernt. Der Steindamm ist multikulturell, das Miteinander ist herzlich und freundlich.“ Er besucht an diesem Nachmittag noch kurz das syrische Restaurant L’Amira - auf Deutsch übersetzt heißt das „die Prinzessin“. Zeit für eine Kostprobe der Küche bleibt nicht. Westhagemann will aber wiederkommen – zur Weihnachtsfeier mit seinen Mitarbeitern.