Hamburg. Viele Beschwerden, noch mehr Abfall: Der Steindamm gilt als „Hotspot des Litterings“. Bezirk und Stadtreinigung verschärfen Kontrollen.
„Na, Meister, alles in Ordnung?“ Aus dem Sönmez Markt am Steindamm dringen kumpelhafte Töne auf die Straße. Ungewöhnlicher Empfang für das Ordnungsamt. Aber man kennt sich, ist ja nicht das erste Mal. Bedauerlicherweise ist beim Meister vom Amt nicht so viel in Ordnung. Loser Müll weht übers Pflaster. Paletten mit Wassermelonen stehen auf dem Gehweg. Und die Gemüseauslage ist auch einen Meter breiter als genehmigt. Vergehen, die lapidar wirken, aber mitten in St. Georg zum Problem geworden sind. „Achten Sie bitte auf Ihren Müll“, sagt ein Mitarbeiter des Bezirks Mitte. Und schreibt eine Anzeige. Mal wieder.
Es ist Mittag am Steindamm, die Sonne brennt, die Leute sind draußen, das tägliche Durcheinander läuft sich warm. Die Putzkolonne der Stadtreinigung ist schon durch, weshalb es nicht übermäßig verdreckt wirkt. Aber trotz zweier Sonderschichten am Tag kommen hier auch die härtesten Schrubber beim Straßenmüll kaum hinterher.
Müllpolizisten der Stadt im Einsatz
Darum bauen sich heute, mal wieder, auch zehn WasteWatcher, die seit 2018 eingesetzten Müllpolizisten der Stadt, mit Verstärkung des Bezirks zum Schwerpunkteinsatz auf. Vergehen wie weggeworfene Kippen, loser Müll aus Geschäften oder verhedderte Plastikfolien sollen geahndet werden. Denn, so Stadtreinigungssprecher Reinhard Fiedler: „Das Quartier ist in Sachen Littering ein Hotspot“. Und Littering, achtloses Müllwegschmeißen, will hier keiner mehr.
Beifang gehört für Gordon Ahr und Sven Fiege dazu. Kräftige Männer in blauen Poloshirts, die mit ihren breiten Schultern auch Zigarettensündern nichts durchgehen lassen. Kaum weggeschnippt, stehen die beiden Mitarbeiter der Stadtreinigung beim Raucher am Steintorplatz und lassen sich den Ausweis geben. „Das macht ein kleines Verwarngeld“, prophezeit Fiege. „Wie viel denn?“, fragt der überraschte Kippenwerfer. „Fünf bis 55 Euro“, antwortet der WasteWatcher. Das sei ja wohl nicht „klein“, stellt der Ertappte fest, hebt seinen Stummel auf und gibt sich reumütig. Zahlen wird er trotzdem müssen. „Bei Einsichtigen wird die Strafe aber etwas milder angesetzt“, heißt es.
„Manchmal kubikmeterweise Abfall“
Der kleine Fisch mit der Zigarette ist Teil eines größeren Problems im Viertel. „Wenn wir hier morgens durchfahren, sieht man kaum Steinplatten vor lauter Müll“, sagt Michael Utesch, der seit Jahrzehnten die Gruppe der Straßenfeger in St. Georg leitet. Verpackungen, Kondome, Pappbecher und jede Menge „Laufmüll“ kommt hier vors Kehrgerät. „Manchmal ist das kubikmeterweise Abfall“, so Utesch. Und damit aus den wiederkehrenden wilden Mülllagern – auch der ansässigen Läden – kein ernsthaftes Hygiene-Problem wird, müsse permanent Präsenz gezeigt werden.
Es sei besser geworden, heißt es von der Stadtreinigung. Dennoch stammen von den stadtweit 6000 aufgenommenen Müllvergehen der WasteWatcher allein 300 aus diesem „Problemquartier“. „Wobei die Verursacher nur selten mit den Kosten belangt werden können“, sagt Unternehmenssprecher Fiedler. Denn den WasteWatchern fehle die gewerberechtliche Befugnis. Deshalb sei der Schwerpunkteinsatz mit dem Bezirksamt organisiert worden. Die Gewerbebetriebe seien in St. Georg vielfach Ursache der Verschmutzung.
Ladenbesitzer oft einsichtig
Wenig Platz, viel Ware, noch mehr Abfall, aber keinen echten Müllraum – diese Kombination wird heute auch dem ansässigen Fleischer zum Verhängnis. Sein auf der Straße deponierter Mülleimer hätte schon längst wieder hinters Haus gehört. Doch stattdessen treibt der Wind munter Verpackungsreste über den Bürgersteig, wo sie von den Füßen des üblichen Nationenmixes in den Steindamm massiert werden. Da kann auch Michael Manneck, Chef der insgesamt 30 Hamburger WasteWatcher, kein Auge zudrücken. „Wir versuchen, die Einzelhändler durch ständige Kontrollen zu sensibilisieren“, sagt er. „Das klappt, ist aber ausbaufähig.“
Im Gegensatz zu vielen Passanten zeigen sich die Ladenbesitzer oft einsichtig. Bei anderen Schwerpunktkontrollen im Hayns Park oder am Jungfernstieg fehle den Zigarettenschnippern und Kaugummispuckern häufig das Unrechtsbewusstsein, sagt Reinhard Fiedler. „Das ändert sich aber schnell, wenn unsere WasteWatcher die Personalien für eine Geldstrafe aufnehmen.“
„Die Ansprache ist wichtig“, sagt WasteWatcher Sven Fiege. „Gerade in St. Georg, diesem speziellen Stadtteil mit seinen speziellen Leuten.“ Sonst stecke man auch mit mannhafter Statur schnell in Schwierigkeiten. „Wir wollen ja nicht massiv abzetteln, sondern ein Bewusstsein bei Müllverursachern schaffen, dass ihr Verhalten nicht toleriert sondern sanktioniert wird.“. In 90 Prozent der Fälle klappe das auch. Zu den verbleibenden zehn Prozent gehören die Menschen wie der Sonnenblumenkerne mümmelnde Obdachlose, der am Hansaplatz die Hülsen um sich wirft. Seine Antwort auf die freundliche, aber bestimmte Ansprache der WasteWatcher: „Je ne comprends pas.“ Er verstehe nicht. „Solch armen Gestalten muss man nicht mit einer Anzeige kommen“, sagt Fiege. „Aber auch sie sollen wissen: Müll auf die Straße schmeißen, ist nicht in Ordnung.“ Selbst wenn das gerade nicht ihr größtes Problem ist.