Hamburg. Viele Leser haben uns geschrieben. Sie berichten von positiven Erfahrungen, aber auch von Rücksichtslosigkeit.

Ob Freundlichkeit oder Aggressivität – die Reaktionen unserer Mitmenschen berühren uns. Sie können uns fröhlich oder stinksauer machen, und manchmal sogar noch jahrelang nachhallen. Die Aktion „Seid nett zueinander“, die das Abendblatt im August für mehr Toleranz und Höflichkeit aufleben lässt, hat viele Leser dazu motiviert, ihre schönen und weniger schönen Alltagsbeobachtungen zu schildern. Oder zu schreiben, warum sich ihrer Meinung nach das zwischenmenschliche Klima verändert hat. Hier eine Auswahl (gekürzter) Zuschriften.

Helmut Höverner berichtet von einem Erlebnis, bei dem seine Großzügigkeit – anders, als er es selbst befürchtet hatte – nicht ausgenutzt wurde. „Ich fuhr eine Zeit lang täglich mit der Bahn von Hamburg nach Rendsburg. Eines Tages hetzte plötzlich eine junge Dame an meinem Abteil vorbei. Sie war sehr aufgeregt und erzählte mir, dass sie auf dem Weg zu einer Freundin nach Dänemark sei, ihr alle Papiere und Geld gestohlen worden seien und keiner ihr helfen konnte oder wollte. Auf meine Frage, was sie nun von mir erwarte, bat sie um Geld für eine Fahrkarte bis Padborg an der dänischen Grenze, von wo aus ihre Freundin sie abholen könnte. Nach einigem Überlegen bot ich ihr 100 Mark an und ließ mir ihre Adresse und Telefonnummer geben. Bevor ich den Zug verließ, konnte ich mir ein paar spitze Bemerkungen wie ,Wenn Sie mir das Geld nicht zurückgeben, nehmen Sie es als Gage für schauspielerische Leistung‘ nicht verkneifen. Am nächsten Tag rief mich der Vater der jungen Dame an, bedankte sich sehr und bat um meine Bankverbindung. Wunderbare Sache, ich war richtig ein bisschen stolz auf meine Hilfsbereitschaft.“

Albrecht Hauter ärgert sich über die Ignoranz von Hundebesitzern, die ihre Hunde im Klövensteen trotz Anleinpflicht frei herumlaufen lassen. „Am vergangenen Freitag kam eine sogenannte Hundetrainerin mit etwa sechs Hunden verschiedener Rassen und Größe des Wegs, die Hunde alle freilaufend! Zwei Frauen mit kleinen Kindern baten um das Anleinen der Tiere. Die Hundetrainerin behauptete, von der Leinenpflicht für alle Tiere befreit zu sein. Als ich sie bat, mir den entsprechenden Ausweis zu zeigen, lief sie, mich obszön beschimpfend, mit ihrer Meute davon.“

Ursula Schulte nimmt oft Unannehmlichkeiten in Kauf, um der Rücksichtslosigkeit anderer zu entgehen. „Ich bin ein großer Anhänger des öffentlichen Nahverkehrs. Leider gibt es Fahrgäste, die ihre Unterhaltung am Smartphone so laut zelebrieren, dass ich mitunter aussteige und mit dem nächsten Bus weiterfahre. Wenn ich diese Fahrgäste höflich bitte, etwas leiser zu sprechen, bekomme ich einen entsprechenden Blick oder eine dumme Bemerkung. Vielleicht hilft auch hier Ihre Aktion?!“

„Freundlichkeit ist keine Krankheit, aber ansteckend“, schreibt Thomas Marquard. Er beobachte das nicht nicht nur in seiner Nachbarschaft in Steilshoop. „Neulich fuhr ich mit der S-Bahn nach Bahrenfeld, suchte dort vergeblich ein Taxi. Eine Frau sah, dass ich ungeduldig wartete. Nachdem sie mich gefragt hatte, wo ich hin möchte, sagte sie: ,Ach, steigen Sie in meinen Wagen, ich fahre Sie schnell dahin!‘ Auch drei Gäste, die ich in den letzten Monaten zu Besuch hatte, haben die Hamburger unabhängig von­einander als ,sehr freundlich‘ gelobt. Der Ersten wurde ein schwerer Koffer eine große Treppe hochgetragen. Die Zweite erzählte von einem Ehepaar, das für eine bessere Wegbeschreibung seinen Weg weit zurückging. Und die Dritte berichtete, dass sie, sobald sie in einen Stadtplan blicke, die Frage höre: ,Kann ich Ihnen helfen?‘“

Wilma Huckauf freut sich über die Hilfsbereitschaft eines Jugendlichen. „Kürzlich in Buchholz bemerkte ich auf dem Parkplatz, dass ich kein Kleingeld für den Parkautomaten hatte. Vergeblich fragte ich Passanten, ob sie mir einen Fünf-Euro-Schein wechseln könnten. Nur Kopfschütteln, ohne ins Portemonnaie zu schauen. Da entdeckte ich vier junge Männer, alle offensichtlich mit Migrationshintergrund. Auch sie sprach ich an. Einer der Männer gab mir eine 2-Euro-Münze. Auf meinen Einwand, ich könnte ihm aber dafür auch kein Kleingeld geben, sagte er nur, das ist schon so in Ordnung. Seine Großzügigkeit hat mich sehr gerührt. Ich habe mich herzlich bei ihm bedankt.“

Ute Conradi schreibt: „Grundsätzlich ist das Wegwerfen von Zigarettenkippen eine Ordnungswidrigkeit, für die ein Bußgeld von bis zu 50 Euro erhoben wird. Leider passiert das in Hamburg nicht und entsprechend sieht es vor jeder Bank, an Bushaltestellen und Bahnhöfen aus – egal ob ein Papierkorb vorhanden ist. Ich mache mir seit einiger Zeit die Mühe, Raucher anzusprechen, wenn ich sehe, dass sie eine Kippe wegwerfen, und habe bis auf wenige Ausnahmen positive Reaktionen erhalten. Sie heben ihre Kippe auf und entschuldigen sich. Es geht mir in erster Linie um die Verschmutzung des Bodens und des Grundwassers. Übrigens: In Mannheim verhängen Beamte in Zivil seit Anfang April Geldbußen von bis 100 Euro.“

Monika Ellmann-Kuntze berichtet von einem unschönen Erlebnis in Blankenese. „Wir saßen am späten Nachmittag am Elbstrand und haben mit Käse und Wein die wunderschöne Atmosphäre genossen. Vor uns am Wasser spazierte ein Paar mit einem nicht angeleinten Hund. Der Hund ließ sich in unserem Blickfeld nieder und machte einen großen Haufen in den Sand. Danach lief er zu seinem Frauchen und Herrchen und die gingen weiter. Als wir riefen, sie hätten noch etwas mitzunehmen, winkte uns der Mann ironisch zu. Die Frau nahm ein Papiertaschentuch, hob den Haufen auf und begann, laut zu schimpfen. Sie rief mehrfach, sie würde uns den Haufen am liebesten ins Gesicht werfen. Schade, unser schöner Strandaufenthalt hat darunter sehr gelitten.“

Robert Löcken schreibt aus Japan: „Ich lese die Digitalausgabe des HA in meinem Urlaub. Immer wieder erlebe ich hier mit Staunen, wie respektvoll, zuvorkommend und hilfsbereit die Menschen hier miteinander umgehen. Ich fahre zum Beispiel in einem Mietwagen durch die Gegend, hier auf der linken Seite und daher besonders aufmerksam und selten schneller als genau die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit. Nie wird gedrängelt, immer Blickkontakt aufgenommen, Platz gemacht.“

Grete und Ingo Kleist nahmen sich während des G-20-Gipfels dreier Touristinnen an: „Wir mussten über Nacht bei Verwandten in Bramfeld Asyl suchen, da unsere Wohnung am Hafen durch die vielen Absperrungen nicht erreichbar war. Am Sonntagmorgen fuhren wir mit der S-Bahn von Wellingsbüttel zu den Landungsbrücken und trafen auf drei Damen aus der Schweiz, die sich offensichtlich ihr touristisches Wochenende in Hamburg anders vorgestellt hatten. Wir nahmen sie mit zu einer Tasse Kaffee in unsere Wohnung und brachten sie dann zur Fähre nach Finkenwerder, sodass sie jedenfalls noch etwas von unserer schönen Stadt sehen konnten. Einige Tage später erhielten wir Schokolade und Käse aus der Schweiz und einige Wochen später sogar eine nette Dankesmail, in der unsere ,soooooooooo nette Gastfreundschaft‘ gelobt wurde.“

Ein ganz persönliches Lob spricht Uwe Behrmann aus: für Herrn Hermenau, den Mitarbeiter „seiner“ Kfz-Werkstatt: „Bei aller spürbaren Auslastung bleibt er ruhig, freundlich und hilfsbereit. Auch wenn die Autorechnung wesentlich höher als vorauskalkuliert ausfällt, weiß ich, dass korrekt geprüft und alles Notwendige veranlasst wurde. Herr Hermenau war die letzte Rettung, als ich kurz vor seinem Feierabend den Schlüssel im Auto vergessen hatte und der Ersatzschlüssel nicht funktionierte. Nachdem Herr Hermenau geprüft hatte, dass die Minibatterie funktioniert und klar war, dass es an den Türen liegen muss, fuhr er mit dem Fahrrad quer durchs Wohngebiet zu meinem Auto, bekam mit einem kleinen Trick das Türschloss frei und schloss mein Fahrzeug auf. Als ich mein Portemonnaie zückte, winkte Herr Hermenau ab und sagte: ,Das ist Kundendienst. Zufriedene Kunden stärken unser Geschäft. Schön, dass ich Ihnen helfen konnte‘, schwang sich auf sein Fahrrad und fuhr seinem jetzt schon angebrochenen Feierabend entgegen.“

„In den letzten Jahren konnte ich immer wieder erfahren, dass ein freundliches Lächeln viel bewirken kann“, schreibt Jürgen Tolle aus Tostedt. „Ich bin Rentner und verkaufe an bestimmten Nachmittagen, weil es mir Spaß macht, Obst an einem gut frequentierten Stand in Tostedt. Man sieht viele Leute, die abgehetzt aus ihrem Auto steigen und total unentspannt auf den Stand zukommen oder daran vorbei in das Kaufhaus gehen. Sowie sie in meinen Blickwinkel kommen, schau ich sie an und lächle ihnen zu. Und sofort, zumindest bei den meisten Menschen, löst sich die Anspannung und sie erwidern das Lächeln.“

Ludwig Becker hält es für lobenswert, aber schwer, die Abendblatt-Aktion aus den 50er-Jahren wieder aufleben zu lassen. „Ein damals gemeinsames ,Auf geht’s, verpufft im allgemeinen Wohlstandsgedusel der Gesellschaft. Denn die wirtschaftliche Situation der Bevölkerung von damals ist in keiner Weise mit der heutigen vergleichbar! Damals hatten alle relativ wenig Einkommen. Trotzdem gab es auch soziale Unterschiede in unser Gesellschaft – allerdings geringer als heute. Was den großen Unterschied ausmacht, ist die fehlende Akzeptanz und Achtung der anderen. Leider hat sich eine Ellbogengesellschaft entwickelt, was in allen Situationen des täglichen Lebens zu spüren ist. Diese Einstellung hat sich von den Eltern auf die Kinder übertragen. Mobbing und Gewalt den Schwächeren gegenüber ist leider häufig festzustellen. Ich hoffe trotzdem auf einen positiven Verlauf ihrer Aktion.“

Bärbel Bucksch-Hinniger berichtet von einem ganz besonderen zweiten Weihnachtsfeiertag. „Ich war im Auto auf dem Weg an die Nordsee, als der rechte Vorderreifen seinen Geist aufgegeben hat. Der Akku meines Handys war fast leer und gab nach einer Zeit in der Warteschleife des ADAC den Geist auf. Ich überlegte schon, ein Taxi zu nehmen und die Geschichte vom heimischen Festnetz aus zu regeln, als eine Familie aus dem Haus trat, vor dem ich mein Auto abgestellt hatte, und sich meine Notlage anhörte. Ein Handy wurde gezückt, auch da der ganze Ablauf durchgestanden, bis es endlich hieß: Der ADAC kommt in etwa 30 Minuten. Große ,Bedankung‘ meinerseits und dann die ganz große Überraschung: Ich durfte in das Haus gehen und dort auf den ADAC warten.“

Saskia Schneider aus Harburg schreibt: „Ich schätze die goldene Regel: Behandele deine Mitmenschen so wie du behandelt werden möchtest! Es bedarf nicht viel, um seinen Mitmenschen einen schönen Tag noch schöner zu machen: Ein freundliches Lächeln birgt keinen großen Aufwand, und auch ein freund­liches Hallo oder ein unverfänglicher Schwatz bewirken Wunder. Während viele Leute sich mit Bedenken und Vorurteilen ,blockieren‘, trete ich auch Menschen, die von der Allgemeinheit als nicht positiv ,bewertet‘ werden, unvoreingenommen gegenüber.“

Thomas Grambow lobt die etwa 30 Mitarbeiter des kleinen Kaufhauses, das das DRK in Neu Wulmstorf betreibt, exem­plarisch für alle anderen Ehrenamtlichen. „Für mich sind sie ein Beispiel, dass die vielen Tausend Ehrenamtlichen in Hamburg und Umgebung eben „nett zueinander“ sind!“

Das Logo der Aktion
Das Logo der Aktion "Seid nett zueinander" vom Abendblatt. © HA

„Ich lebe mehrere Monate des Jahres in Frankreich und bin immer wieder überrascht von den guten Umgangsformen der französischen Kinder“, schreibt Birgit Hahlbrock. „Diese haben aber auch in Elternhaus und Schule einen enorm hohen Stellenwert. Fazit: Ich bin überzeugt, dass wir nur etwas verändern können, wenn wir es schaffen, unseren Kindern und Jugendlichen Freundlichkeit, Höflichkeit und Respekt als fundamentale Werte zu vermitteln, die das eigene Leben und das der anderen leichter und schöner machen. “

„Was fehlt, ist Respekt“, findet Eva-Christiane Wetterer aus Osdorf. „Der Respekt vor Polizei, Feuerwehr, Helfern, und auch der vor Opfern. Der Respekt der Politiker für viele Anliegen der Bürger. Der Respekt für Kinder, die in Schulgebäuden lernen müssen, die unzumutbar sind. Der Respekt vor dem Nächsten und der Respekt vor dem Fremden. Und auch: der Respekt für unsere Heimatstadt. Wäre Respekt das Thema, hätte Hamburg eine Chance, zu sensibilisieren. Respekt für die Nöte wäre hilfreich. „Seid nett zueinander“ ist ein schwacher Effekt, solange ,nett‘ im Volksmund mit ,blöd‘ gleichgesetzt wird.