Hamburg. Rückenserie, Teil 11: Über MRT, CT und Dr. Google. Die Radiologen entdecken oft andere Befunde, als sie erwartet haben.

Die Spieler müssen eigentlich nur noch Tore schießen: Für sein ballsicheres Personal hat der FC Bayern München alles medizinisch Mögliche getan. Trainer, Co-Trainer, Athletiktrainer, Ernährungsberater, Mentalcoaches, Ärzte, Physiotherapeuten, Osteopath – alles da. Wenn ein alternder 40-Millionen-Euro-Mann wie Javi Martinez oder die Flügelsenioren Arjen Robben oder Franck Ribery einmal lahmen, kommen auch strategische Partnerschaften des deutschen Marktführers zum Tragen.

So ist nicht nur der Stadionpatron Allianz als Risiko- und Krankenversicherer gefragt, sondern auch der Siemens-Konzern. Mit Club-Sponsor Siemens Healthineers kam modernste Medizintechnik zu den Bayern-Ärzten. In der Stadionkabine gibt es tragbare Ultraschallgeräte, um gleich in der Halbzeit anschauen zu können, wie schlimm ein Muskel betroffen ist.

Bayern München: High-end-Medizin für die Spieler

Im Trainings­zentrum an der Säbener Straße, im Nachwuchszentrum in Fröttmaning und in einer Praxis, zu der malade Profis gefahren werden, stehen Röntgengeräte bereit und der letzte Schrei der Magnetresonanztomografie: der Magnetom Skyra 3-Tesla – der Ferrari unter den MRTs.

High-end-Fußballer brauchen High-end-Geräte. Wo Millimeter über Millionen entscheiden, muss die Medizin mithalten.

Dr. Andreas Bollkämper, der Chef des Hamburger Radiologenverbands, hat in seiner Praxis in Wandsbek selten Manuel­ Neuer zu Gast. Doch das MRT der Bayern steht auch bei ihm. Die technische Revolution, sagt Bollkämper, wird immer weitergehen. Und davon sollte der gesetzlich Versicherte mit Rückenleiden schnell profitieren. Wenn man in Bollkämpers Gemeinschafts­praxis Röntgeninstitut Schloßgarten kommt, kann man schon in Ehrfurcht erstarren vor all den Geräten und Monitoren, die bei Rückenpatienten den Schmerz finden oder ihn beseitigen helfen sollen. Wenn Ärzte generell Technik-Freaks sind, so sind Radiologen die Raumfahrer unter ihnen.

Rückenschmerzen: Physiotherapie mit Fitness-Studio

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    Der Rücken ist ein Wackelkandidat

    Erstaunlich, dass Bollkämper irgendwie anders tickt. Radiologen machen gute oder weniger gute Bilder. Dienstleister halt, so ist die landläufige Meinung auch von Ärztekollegen. Das ist überholt. Gerade der verunsicherte oder chronische Rückenpatient fragt: Wer nimmt mich an die Hand auf dem undurchsichtigen Pfad zwischen Hausarzt, Orthopäden und Chirurgen?

    „Wir hoffen, dass wir als Radiologen das können“, sagt Bollkämper. „Wir verstehen uns vielleicht im Gegensatz zu den Labormedizinern als patientenorientierte Ärzte. Gerade mit den Bildern und dem Patienten vor Augen kann man oft sehr gut entscheiden, was dem Patienten hilft. Die eigentliche Therapie obliegt aber dem behandelnden Arzt, dem wir unsere Bilder zur Verfügung stellen.“

    Der „Rücken“ ist ein Wackelkandidat. Er schwankt zwischen den Meinungen der Ärzte und Therapeuten, denen er ausgesetzt ist. Dazu kommen Patienten-Ratgeber im Freundeskreis und das allgegenwärtige Internet, die Schwarmintelligenz. Dazu später mehr.

    Rückenschmerzen: Was ist ein Bandscheibenvorfall?

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      "Die Bandscheibe ist im MRT gut darstellbar"

      Welches der vielen Geräte zeigt den klassischen Bandscheibenvorfall? Bollkämper: „Man muss das Verfahren wählen, das einen Kontrast bietet für das, was man diagnostizieren will. Wenn etwas mit Kalk zu tun hat, also Knochen, dann ist das Röntgen hoch effektiv und speziell die Computertomografie. Die Bandscheibe ist ein faseriges, gallertartiges Weichgewebe. Das ist mit Magnetresonanztomografie gut darstellbar. Es gibt da aber eine gewisse Überlappung, denn eine weichgewebige Störung kann auch gleichzeitig Kalk bilden.“

      Sind die Schmerzen nach sechs Wochen noch da und gibt es eine unklare Rückengemengelage, kommt der Radiologe ins Spiel. „Man muss ein Bild machen, wenn sich Befunde überlagern oder zum Ausschluss anderer Ursachen. Dafür ist das MRT heute die überragende Möglichkeit. In Einzelfällen müssen auch MRT und Computertomografie nacheinander gemacht werden.“

      Bandscheibe gesucht, Tumor gefunden

      Beim MRT kann es „Überraschungen“ geben. Bollkämper sagt: „Wir sehen auch andere Ursachen, die Rückenschmerzen auslösen. Sie sind klinisch oft von Bandscheibenvorfällen gar nicht zu unterscheiden. Dazu gehören die degenerativen Erkrankungen in den kleinen Wirbelgelenken, also Verschleiß, aber insbesondere auch entzündliche und tumoröse Erkrankungen. Das ist eine dramatische Gefahr, dass etwas als Lappalie dargestellt wird nach dem Motto: Das ist ein Bandscheibenvorfall, den hat doch jeder. Und in Wirklichkeit hat der Patient eine Entzündung oder einen Tumor, den man sofort behandeln muss, um beste Heilungschancen zu erhalten.“ Selten, aber möglich: Bandscheibenvorfall gesucht, Tumor gefunden.

      Wie die Ärzte rüsten auch die Patienten seit Jahren technisch auf. Sie haben dank des Internets ganze medizinische Bibliotheken zur Hand. Anders als andere Standesvertreter sagt Bollkämper: „Ich bin vielleicht sogar ein Freund von Dr. Google. Das ist ein netter Kollege. Und der aufgeklärte Patient lässt sich besser behandeln als der, der alles ablehnt und gar nicht versteht, was mit ihm geschieht.“

      Dr. Google ist ein netter Kollege

      Einen Haken sieht er doch: „Das darf aber nicht dazu führen, dass bei Dr. Google alle extrem seltenen und extrem schwierigen Krankheiten in den Vordergrund gestellt werden, weil das Einfache schon gar kein Thema mehr für den geschätzten Kollegen Dr. Google ist. Behandlungserfolg braucht Vertrauen zwischen Patient und Arzt. Das entsteht nur durch Empathie im persönlichen Kontakt.“

      Uli Hoeneß wusste es schon immer besser: Als er 1978 zum HSV wechseln sollte, mutmaßte Mannschaftsarzt Dr. Ulrich Mann, Hoeneß habe ein Wackelknie. Da es ein ultrascharfes MRT und minimalinvasive Operationen noch nicht gab, empfahl der Doc einen kleinen Eingriff ins Hoeneß-Knie. Ein deutschlandweiter Aufschrei folgte – Transfer abgeblasen, Hoeneß wechselte nach Nürnberg, spielte unregelmäßig und musste 1979 seine Karriere beenden. Hätte es die Radiologie von heute gegeben – Hoeneß hätte seine Managerkarriere bei Bayern früher antreten dürfen.

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      Drei Fragen an Dr. Bollkämper

      Worauf muss der Patient achten?

      Zum Radiologen werden Sie von Ihrem behandelnden Arzt überwiesen. Dort die Behandlung mit richtiger Zielsetzung zu beginnen ist sehr wichtig. Der Radiologe wird nur in Ausnahmefällen von seinem Untersuchungsauftrag abweichen. Dazu ist er nach Vertragsarztrecht auch verpflichtet. Ich empfehle Radiologen mit einem breiten, möglichst vollständigen Untersuchungs- und Gerätespektrum. Dort können die vielfältigen und verschiedenen Arten der Bildgebung durchgeführt und ein vollständiger Befund erstellt werden, sehr viel leichter und besser als in Zentren, die sich nur einer Methode widmen.

      Haben Patienten häufig Beklemmungen im MRT?

      Wir haben heute offene MRTs mit größeren Röhren und größeren Durchmessern.

      Wo kann man sich informieren?

      Beim behandelnden Arzt oder dem Radiologen selbst, bei der Kassenärztlichen Vereinigung oder der Ärztekammer.