Hamburg. Kunststück mit vier Kunst-Stücken: Der Generalmusikdirektor nutzte den Großen Saal als Zentrifuge für Musik aus Kubricks “2001“.

Über Ligeti und Wagner und Widmann bei Beethovens „Pastorale“ anzukommen, dafür braucht man schon ein enorm sicheres Händchen bei der Repertoire-Auswahl, um sich nicht rettungslos zwischen den Stilen und ihren Stilmitteln zu verlaufen. Mit seinem aktuellen Abo-Konzert-Programm demonstrierte Generalmusikdirektor Kent Nagano, wie nah ästhetische Prinzipien sich sein können, obwohl sie Generationen trennen.

Also begann er sein Kunststück aus vier Kunst-Stücken in der Elbphilharmonie mit einem Meisterwerk des mittleren 20. Jahrhunderts: György Ligetis „Atmosphères“. Musik, die sich anhört, wie die Farbschlieren in einer Lava-Lampe oder auf einem Bild von Gerhard Richter aussehen.

Musik aus Stanley Kubricks Meisterwerk "2001"

Und außerdem der größte Hit ist in der Filmmusik von Kubricks „2oo1“: Epochales Chaos, vermeintlicher Stillstand, unter dessen Oberfläche es allkalt brodelt und sich die Feinstmechanik der Töne virtuos ineinander schiebt. Für Musik wie diese ist der Große Saal eine ideale Zentrifuge, man hört alles, was man hören muss, um diese neunminütige Zeitreise zu begreifen, vom derbsten Cluster bis zum hauchdünnen Flirren sanft gestreichelter Klaviersaiten.

Selbst die von Ligeti vorgeschriebenen drei Takte Generalpause im finalen Zentrum des Schwarzen Lochs machten so Sinn. Leider nicht unmittelbar danach folgte ein anderes Flirren, der himmelblau schillernde Welt-Raum des Grals in Wagners „Lohengrin“-Vorspiel, gleiche himmlische Zielrichtung, andere philosophische Flughöhe. Die Philharmoniker genossen das Schwelgen im Pathos.

Wacher Spaziergang durch die Musik

Danach wurde es deutlich irdischer. Jörg Widmanns „Con brio“-Konzertouvertüre versetzte Avantgarde-Vokabular clever und gewitzt unverschämt mit jeder Menge Motiv-DNA aus Beethovens klassischer Sinfonik, mit sehr vielen Anspielungen auf Kommendes aus der Vergangenheit. Denn nach dem zeitgenössischen Ausreizen dieser Spuren-Elemente rundete das Original das Abenteuer ab: die „Pastorale“, die gern auf das naturalistische Abbild einer letztlich heilen Welt verknappt wird. Nagano verstand und dirigierte diese Sinfonie jedoch vor allem als wachen Spaziergang durch eine Musik, in der hinter jeder schönen Phrase die nächste Herausforderung warten kann. jomi

Das Konzert wird am Montag, 20 Uhr, wiederholt. Eventuell gibt es dafür Restkarten an der Abendkasse.