Hamburg. Das Abendblatt fragt freitags die Menschen, worüber sie sich ärgern oder freuen. Teil 15: Start-up-Mitarbeiterin Johanna Maasackers.
Essen, Krakau, Berlin, Rom, Frankfurt – Johanna Maasackers hat schon in einigen Städten gelebt, bevor sich die im nordrhein-westfälischen Geldern geborene 29-Jährige vor eineinhalb Jahren für Hamburg entschieden hat. Hier arbeitet sie bei dem Start-up Nüwiel, das elektrisch betriebene Fahrradanhänger herstellt, im Marketing.
Ausbildung, Bachelor, Master, Aufbaustudium – auf ihrem Weg hat sie schon einiges an Erfahrung gesammelt. Trotzdem macht sie sich Gedanken um die Zukunft – vor allem angesichts ihres nahenden 30. Geburtstags. Es sind Menschen wie Johanna Maasackers, die in dieser Reihe zu Wort kommen – ohne politisches Amt oder Sprecher-Funktion und zufällig ausgewählt.
Was bewegt Sie gerade?
Johanna Maasackers: Am meisten beschäftigt mich gerade, dass ich Ende des Jahres 30 werde. Und auch das Thema Ankommen. Ich wohne jetzt seit eineinhalb Jahren in Hamburg, und es ist das erste Mal seit fünf Jahren, dass ich länger als ein Jahr an einem Ort bin.
Woran liegt das?
Maasackers: In vielen anderen Städten bin ich irgendwie gestrandet. Für Hamburg habe ich mich entschieden. Das liegt zum einen an den Leuten, und zum anderen ist Hamburg eine wahnsinnig spannende und aufregende, aber gleichzeitig auch entspannte Stadt. Auch beruflich habe ich hier viele Möglichkeiten.
Dann bietet Hamburg gute Bedingungen für Start-ups?
Maasackers: Ja, definitiv. Es gibt wahnsinnig viele Programme, Unternehmen oder Institute, die einen unterstützen. Es ist ein schöner Kosmos, in dem man sich bewegt, wenn man hier in der Start-up-Szene arbeitet.
Also alles nur positiv?
Maasackers: Was mir tatsächlich immer wieder auffällt ist, wie sich Frauen vor allem in technischen Start-ups positionieren müssen. Die Gleichberechtigung ist hier noch nicht so wirklich angekommen.
Wie äußert sich das?
Maasackers: Viele reagieren zum Beispiel ungläubig, wenn sie erfahren, dass die Mitgründerin des Start-ups, bei dem ich arbeite, eine Frau ist. Oder letztens wurde bei einer Veranstaltung, bei der es darum ging, Frauen in der Start-up-Szene zu stärken, der Vorschlag gemacht, einen Gründerwettbewerb ausschließlich für Frauen ins Leben zu rufen. Das ist für mich keine Gleichberechtigung. Warum sollte eine Frau nur gegen eine Frau antreten und nicht gegen einen Mann?
Was könnte denn eine Maßnahme für mehr Gleichberechtigung sein?
Maasackers: Positive Beispiele schaffen und Vorurteile ausräumen. Frauen, die in technischen Bereichen arbeiten, sind nicht automatisch burschikos, nur weil sie sich für diese Themen interessieren. Bildung ist meiner Meinung nach ein guter Weg. Junge Mädchen sollten schon früh für Technik begeistert werden.
Sie beschäftigt Ihr nahender 30. Geburtstag. Was ändert sich mit 30?
Maasackers: Ich selber habe mir ganz lange überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, dass ich demnächst 30 werde. Ich habe aber das Gefühl, je näher man auf die 30 zugeht, desto mehr fangen die Leute an, irgendwelche Dinge an einen heranzutragen, die dann abgeklopft werden, wie unerledigte To-Dos. Ah okay, du bist nicht in einer festen Beziehung, du bist nicht verheiratet, du hast keine Kinder und kein Haus gebaut. Das passiert einem mit 25 oder 26 nicht.
Was macht das mit Ihnen?
Maasackers: Man zieht auf einmal selbst Resümee. Ich vergleiche das gerne mit den U-Untersuchungen von Babys. Da wird ja an verschiedenen Lebensabschnitten geschaut, wie sich das Kind entwickelt, und das hakt man dann ab. Das habe ich auch gemacht. Ausbildung, Studium, Job, Check. Und jetzt werde ich 30 und habe das Gefühl, dass ich wieder vor einer U-Untersuchung stehe und habe Angst, dass ich dem, was von außen vorgegeben wird, nicht standhalten kann. Ich habe mich dafür entschieden, häufig den Ort zu wechseln, ins Ausland zu gehen, zurückzukommen. Vielleicht insgesamt ein bisschen unstrukturierter zu leben. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht irgendwann auch Kinder kriegen und sesshaft werden kann.
Wie sieht es in Ihrem Freundeskreis aus?
Maasackers: Ich komme aus einer kleinen Ortschaft. Viele meiner Freunde sind dort geblieben, und ich habe das Gefühl, die stehen jetzt an einem ganz anderen Punkt. Die Freunde, die ich hier in Hamburg habe, bei denen ist es auch so, dass die kurz vor ihrem 30. Geburtstag stehen und eben nicht verheiratet sind, in WGs leben und unbefristete Arbeitsverträge haben. Die haben diese ganzen Dinge auf ihrer To-Do-Liste auch noch nicht abgehakt. Ich glaube, das ist auch ein bisschen das Zeichen unserer Zeit.
Also wirkt es sich auf das Lebensmodell aus, ob man in einer Großstadt oder auf dem Land lebt?
Maasackers: Ja, definitiv.
Macht die Großstadt unverbindlich?
Maasackers: Ich glaube, dass die Großstadt viel mehr Möglichkeiten bietet, und Unverbindlichkeit spielt da eine große Rolle. Man lernt so viele verschiedene Menschen kennen und auch verschiedene Lebensmodelle. Das findet man in einer kleineren Ortschaft nicht so sehr. Was natürlich wieder zum Thema Rastlosigkeit führt.
Planen Sie denn, jetzt erst mal in Hamburg zu bleiben?
Maasackers: Jetzt gerade finde ich es gut, was ich mir hier in Hamburg aufgebaut habe. Ich könnte mir aber auf jeden Fall vorstellen, noch mal im Ausland zu leben. Hamburg würde ich aber gerne als meine Basis behalten, zu der ich immer wieder zurückkommen kann.
Wird von Ihrer Generation mehr Flexibilität erwartet?
Maasackers: Auf jeden Fall. Ich glaube aber, dass man auch immer die Möglichkeit hat, sich dem zu entziehen, wenn man ein ruhigeres Leben führen will. Ich wäre jedoch nicht an dem Punkt, an dem ich jetzt bin, wenn ich nicht flexibel gewesen wäre.
Sie sagen, man zieht vor seinem 30. Geburtstag ein Resümee. Wie fällt Ihres aus?
Maasackers: Ich sehe das Ganze positiv. Ich habe bis jetzt ein tolles Leben gehabt und bin gespannt, was jetzt noch kommt.
Und was wünschen Sie sich zum Geburtstag?
Maasackers: Erst mal wünsche ich mir ein rauschendes Fest mit all meinen Freunden und mit meiner Familie, und ich hoffe, dass wir das Leben feiern können und dass es bunt und wild wird. Und dann wünsche ich mir, dass ich im neuen Lebensjahr vielleicht ein bisschen klarer sehe, wo es hingeht.