Hamburg. Fluglärmgegner kritisieren Ausbaupläne des Hamburg Airport. Politiker loben Modernisierung – fordern aber mehr Bürgerbeteiligung.
Der Abendblatt-Bericht über die bisher nicht bekannten Details des geplanten Flughafen-Ausbaus hat sehr unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Wie berichtet, will der Flughafen bis 2025 insgesamt 500 Millionen Euro in Modernisierung und Erweiterung investieren. Dabei sollen unter anderem 27 neue Gates entstehen, eine neue Gepäckanlage gebaut werden und eine neue Zone für Geschäfte entstehen. Während der Bau von sechs neuen Fluggastbrücken am südlichen Ende der Fluggastpier und die Umgestaltung des südlichen Vorfeldabschnittes bereits 2013 von der Wirtschaftsbehörde genehmigt wurden, ist der größte Teil der Umbaumaßnahmen erst in den nachfolgenden Jahren vom Bezirk Nord genehmigt worden – mit Hilfe eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens, das weniger Beteiligung vorsieht.
Fluglärmgegner sehen "massive Interessenskonflikt"
Dass der größte Teil des geplanten Umbaus offenbar auf diese gestraffte Weise genehmigt wurde, zeigt ein Zahlenvergleich. War im Jahr 2013 in einer Pressemitteilung des Flughafens noch von einem Investitionsvolumen von 50 bis 60 Millionen Euro die Rede, so spricht Flughafen-Sprecherin Janet Niemeyer heute von den erwähnten 500 Millionen Euro. Umweltschützer und Fluglärmgegner kritisieren die aus ihrer Sicht mangelhafte Beteiligung von Anwohnern an der Ausbau-Planung.
„Dass wir hiervon aus der Zeitung erfahren müssen, zerstört jegliches bisher noch vorhandene Vertrauensverhältnis bezüglich der Zusammenarbeit in der Allianz für Fluglärmschutz“, sagte Martin Mosel von der Bürgerinitiative für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein (BAW) dem Abendblatt am Mittwoch. Dem Bezirksamtsleiter von Hamburg-Nord, Harald Rösler (SPD), wirft die BAW „Befangenheit“ vor, da dieser in einer „Dreifachfunktion“ Aufsichtsratsmitglied „der kommerziellen Flughafenbetreibergesellschaft“ sei, zugleich das Bezirksamt leite, das die Genehmigungen erteile – und außerdem Vorsitzender der Fluglärmschutzkommission sei.
Einen „massiven Interessenskonflikt“ gebe es auch in der Wirtschaftsbehörde. Diese vertrete über die städtische Beteiligungsgesellschaft HGV „die Belange des Haupteigentümers“, sei aber zugleich „Antragstellerin, Genehmigungsbehörde und Kontrollbehörde in einem“, so Mosel. „Diese Gemengelage muss aufgebrochen werden.“
Bezirksamtsleiter Rösler reagiert auf Kritik
Bezirksamtsleiter Rösler wies die Kritik zurück. Er sei im Sinne des Bezirks, in dem der Flughafen liege, natürlich „hochgradig interessiert“ an den Informationen aus erster Hand, die er im Aufsichtsrat bekomme, sagte Rösler dem Abendblatt. Und natürlich begleite er auch als Bezirksamtsleiter die Modernisierung „wohlwollend“. Der Bau neuer Gates oder einer Gepäckanlage habe aber nichts mit dem Thema Fluglärm zu tun. In seiner Funktion bei der Fluglärmkommission gehe es ihm, wie in den anderen Funktionen auch, immer darum, die Belastung für die Menschen so gering wie möglich zu halten. Denn eines sei auch klar: „Der Flughafen darf kein überbordender Störfaktor werden.“
Dressel verspricht "mehr Service"
SPD-Fraktionschef Andreas Dressel dagegen versprach am Mittwoch: „Der Terminalausbau wird nicht zu mehr Lärm, dafür aber für mehr Service sorgen.“ Zugleich würden die Umbauten „zu einer verbesserten, zuletzt kritisierten Gepäckabfertigung führen“, so Dressel. „Dass mehr Flüge bequem direkt an den Gates abgefertigt werden können, ist heutzutage nicht nur selbstverständlich, sondern hat auch ökologische Vorteile, weil es Vorfeldverkehre reduziert. Wir werden diese – zweifellos rechtmäßig genehmigten – Planungen in den politischen Gremien konstruktiv und wohlwollend begleiten – ein Widerspruch zu unseren Anstrengungen für besseren Lärmschutz besteht ausdrücklich nicht.“
Für die SPD-Fraktion sei klar: „Wir wollen den Flughafen stadtverträglich weiterentwickeln, haben dabei die Mobilitäts- wie auch die Lärmschutzbedürfnisse der Bürger aus der Metropolregion gleichermaßen im Blick. Beim Thema Lärmschutz kommen wir zudem Schritt für Schritt voran: Im nächsten Monat tritt eine deutlich verschärfte Gebührenregelung in Kraft, mit der späte und laute Flieger deutlich stärker zur Kasse gebeten werden. Auf diesem Weg werden wir gemeinsam mit der Allianz für den Fluglärmschutz und den dort vertretenen Fluglärmschutzinitiativen konsequent weitergehen.“
Grüne geben sich kritischer
Etwas kritischer zeigte sich der grüne Koalitionspartner. „Die 2013 genehmigten Maßnahmen mit zwölf zusätzlichen Gates führen nicht automatisch zu mehr Flügen, sondern erleichtern in erster Linie das Boarding, indem sie die Busse ersetzen. In einer größer werdenden Stadt hat ein Flughafen das Interesse besser und effizienter zu werden“, sagte zwar auch Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks. „Das muss aber in Einklang gebracht werden mit den berechtigten Anliegen der Anwohnerinnen und Anwohner, sowie der Umwelt. Dafür brauchen wir zukünftig Verfahren, in denen alle Parteien beteiligt werden, um zu einem Ausgleich zu kommen. Die Allianz gegen den Fluglärm ist hierfür ein guter Anfang.“
Diese Aussage lässt sich als Kritik an dem gewählten Verfahren der Genehmigung verstehen. „Für uns Grüne ist es ein Ziel, die Lärmentwicklung am Flughafen mittelfristig zu deckeln“, sagte Tjarks. „So können wir die Gesundheit Menschen in der Umgebung des Flughafens effektiv schützen.“
CDU-Mann fordert bessere Informationspolitik
CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Westenberger begrüßte die Ausbaupläne – forderte aber eine bessere Informationspolitik gegenüber den Anwohnern. „Grundsätzlich ist eine Verbesserung des Services erfreulich“, so Westenberger. „Dass viele Fluggäste immer noch mit dem Bus über das Rollfeld fahren müssen, entspricht nicht dem gewünschten Standard, ist lästig und kostet schlussendlich auch Zeit. Ein funktionierender Flughafen mit hohen Servicestandards ist für eine Wirtschaftsmetropole wie Hamburg essenziell.“ Hamburg müsse sich im Wettbewerb als Nummer 1 im Norden behaupten. „Aus unserer Sicht wäre es aber wünschenswert, wenn die Anrainer des Flughafens künftig über notwendige Baumaßnahmen informiert werden. “
Linken-Umweltpolitiker Stephan Jersch dagegen sprach am Mittwoch von einem „fatalen Signal für eine Stadt, die vor wenigen Jahren Umwelthauptstadt war, und in deren Luftreinhalteplan der Senat dem Flugverkehr nun sogar ein Plus der Stickoxid-Emissionen gegenüber 2013 um 50 Prozent zubilligt“. Obwohl fast keiner der 16 Punkte aus dem Programm gegen Fluglärm abgearbeitet sei und sich vieles sogar verschlechtert habe, „kommt der Senat nun daher und geht ohne Folgeabwägung einen massiven weiteren Ausbau des Flughafens an“, so Jersch. „Eine Umweltverträglichkeitsprüfung und die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Umweltverbände wären das Mindeste gewesen.“
Kruse kann BUND-Kritik nicht nachvollziehen
FDP-Wirtschaftspolitiker Michael Kruse begrüßte den Bau der neuen Gates als wichtig „für die Steigerung der Servicequalität am Flughafen“. Die Umweltschützer des BUND hätten mit ihrer Kritik „ganz bewusst Streit mit falschen Schlussfolgerungen geschürt“. Durch die neuen Gates entstehe keine einzige zusätzliche Flugbewegung. Auch die Kritik des BUND am beschleunigten Verfahren sei nicht nachvollziehbar, so Kruse. „Es sollte in Deutschland Normalität werden, dass öffentliche Infrastrukturausbauten in angemessener Zeit geplant und realisiert werden.“
Die Belastung durch den Flughafen bewege sich „innerhalb des Lärmkontingents“, so der FDP-Abgeordnete. „Wir müssen sehr genau beobachten, ob die neu eingeführten Strafzahlungen für verspätete Landungen nach 22 Uhr greifen. Falls dies nicht der Fall ist, muss über eine weitere Verschärfung der Strafen nachgedacht werden.“
AfD begrüßt Baugenehmigungsverfahren
AfD-Verkehrspolitiker Detlef Ehlebracht betonte, dass die Anzahl der Starts und Landungen zuletzt trotz wachsender Passagierzahlen leicht rückläufig gewesen sei. „Grund dafür sind größere Flugzeugtypen und die bessere Auslastung derselben“, so Ehlebracht. „Insofern ist es schlüssig, die Abfertigung der Flugzeuge am Boden zu verbessern und den Komfort für die Passagiere durch zusätzliche Fluggastbrücken zu erhöhen.“
Der Hamburger Flughafen müsse den Fluggästen im Wettbewerb mit anderen Anbietern ein attraktives Angebot zu bieten. „Das ‘Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung’, wie es hier praktiziert wurde, wird von uns dabei ausdrücklich begrüßt, dient es doch dazu, die sonst häufig aufgrund europäischer Vorschriften ausufernde Bürokratie zu begrenzen. Wir sollten hier nicht nach noch mehr Vorschriften rufen.“