Hamburg. Der scheue Brutvogel hat es den Leipziger Richtern neben anderen Tierarten offenbar angetan. Kontrahenten bringen sich in Stellung.

Rund zwei Wochen vor Beginn der entscheidenden Gerichtsverhandlung im Rechtsstreit über die Elbvertiefung bringen sich die Kontrahenten in Stellung. Am Montag pochten die klagenden Umweltverbände erneut darauf, dass die Ausbaggerung der Elbe ein nicht zu vertretender Eingriff in die Umwelt sei – und äußerten die Vermutung, dass sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit seiner Entscheidung Zeit lassen werde. Am Tag darauf wiederum bemühte sich die beklagte Stadt ihrerseits um ein Signal Richtung Leipzig: Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) verkündete den Aufbau des „Forums Tideelbe“, einer dauerhaften Einrichtung, die Projekte zum Naturschutz an der Elbe auf den Weg bringen soll.

Die Stadt hat als Befürworterin der Elbvertiefung gute Gründe, bei den Leipziger Richtern positiv aufzufallen. Diese haben nämlich selbst neue Fragen aufgeworfen, die das seit 2006 laufende Verfahren zur Ausbaggerung der Fahrrinne zu Fall bringen könnten. Dabei geht es um den Schutz der Löffelente, deren Lebensraum durch das Bauprojekt nun in Gefahr gerät.

Experten befürchten weitere Verzögerungen

Der scheue Brutvogel, bei dem der Erpel durch sein prachtvolles Federkleid auffällt, hat es den Leipziger Richtern neben anderen Tierarten offenbar angetan. Um dessen Rastplatz, den Holzhafen, geht es nämlich in einem neuen Fragenkatalog, den das Gericht nun an die Prozessbeteiligten versandt hat. Dieser Katalog, der dem Abendblatt exklusiv vorliegt, dient den Anwälten beider Parteien dazu, sich auf die mündliche Verhandlung in Leipzig vom 19. bis zum 21. Dezember einzustellen. Unter anderem werfen die Richter darin die Frage auf, ob die Auswirkungen der Elbvertiefung auf das Vogelschutzgebiet Holzhafen in der Billwerder Bucht gesondert geprüft werden müssen.

Sollte das der Fall sein, müsste das Verfahren zur Elbvertiefung erneut aufgemacht und durch zusätzliche Studien ergänzt werden. Experten befürchten jetzt weitere Verzögerungen.

Das 80 Hektar große Naturschutzgebiet Holzhafen ist eine Naturausgleichsmaßnahme für die Zuschüttung des Mühlenberger Lochs für die Airbuserweiterung und gilt als wichtiger Rastplatz für die Löffelente.

In den naturschutzrechtlichen Prüfungen zur Elbvertiefung ist dieses Schutzgebiet trotz seiner Bedeutung bisher nicht berücksichtigt worden – und zwar aus einem simplen Grund: Der Planfeststellungsbeschluss und damit die Genehmigung für die Elbvertiefung kam im Jahr 2012, rund ein Jahr bevor der Holzhafen zum Naturschutzgebiet ernannt wurde.

Dennoch fragen die Leipziger Richter, ob man nicht nachträglich eine Habitatschutzrechtliche Prüfung vornehmen muss. Sie beziehen sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Waldschlösschenbrücke in Dresden. Diese Elbbrücke ist genehmigt worden, bevor das Gebiet, in dem sie liegt, unter Naturschutz der EU gestellt wurde. Den Richtern war das aber egal. Der EuGH stellte fest, dass dieses nachträglich hätte berücksichtigt werden müssen.

Blick auf das
Naturschutzgebiet
Holzhafen. Es umfasst
den südlichen Teil der
Halbinsel Kaltehofe
sowie Wattund
Wasserflächen im
nördlichen und
südlichen Holzhafen.
Im Vordergrund ist
die Autobahn 1 zu
sehen, im Hintergrund
das Kraftwerk
Tiefstack
Blick auf das Naturschutzgebiet Holzhafen. Es umfasst den südlichen Teil der Halbinsel Kaltehofe sowie Wattund Wasserflächen im nördlichen und südlichen Holzhafen. Im Vordergrund ist die Autobahn 1 zu sehen, im Hintergrund das Kraftwerk Tiefstack © BSU

Beim Holzhafen als Schutzgebiet der Löffelente verhält es sich ähnlich. Auch dieser ist nachträglich in das EU-weite Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ aufgenommen worden.

Verzögert die neue Hürde die Elbvertiefung? Die Gegner des Projekts, das mehr als eine halbe Milliarde Euro kosten wird, sehen eine Chance dazu, halten sich aus taktischen Gründen aber zurück: „Es ist ein spannender Punkt, den das Bundesverwaltungsgericht hier aufwirft“, sagt Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg, der zu den Klägern gehört. „Wir werden uns dazu in der Verhandlung in Leipzig äußern. Mehr können wir dazu derzeit nicht sagen“, so Braasch.

Stadt glaubt nicht an weitere Verzögerungen

Die Stadt glaubt indes nicht an weitere Verzögerungen. „Der Holzhafen ist in dem Verfahren bereits thematisiert worden“, sagte eine Sprecherin der Wirtschaftsbehörde. „Dazu haben wir vorgetragen, dass die Fahrrinnenanpassung keinerlei Auswirkung auf das Schutzgebiet Holzhafen und die Rastplätze der Löffelente haben wird“, so die Sprecherin.

Das Gericht habe das nicht beanstandet. Warum es jetzt diese Frage wieder aufwirft, dazu gebe es allenfalls Vermutungen: „Wir gehen davon aus, dass das Bundesverwaltungsgericht in dieser Frage ein Grundsatzurteil fällen will“, hieß es. Gewissheit wird es erst am 19. Dezember geben. Dann will der Vorsitzende Richter, Rüdiger Nolte, den Holzhafen in der Verhandlung thematisieren.