Hamburg . Der Mann war bereits bei einer Schießerei auf der Reeperbahn getroffen worden. MEK stürmt sieben Wohnungen. Razzia in Saunaclub.
Nächste Eskalationsstufe im Hamburger Rockerkrieg: Am Sonnabend ist ein 26 Jahre alter Mann in einem Haus am Derbyweg in Hamburg-Horn niedergestochen worden. Es handelt nach Informationen des Hamburger Abendblatts um ein Mitglied der Mongols. Er wurde bereits am Montag bei einer Schießerei auf der Reeperbahn durch einen Prellschuss verletzt.
Der 26-Jährige wurde jetzt offenbar unter falschem Vorwand am frühen Sonnabendmorgen gegen 2 Uhr in das Haus in Horn gelockt. Dort sollen aber statt der erhofften Frauen Mitglieder der Hells Angels gewartet haben. Bei der Messerattacke wurde der 26-Jährige an Kopf und Bein verletzt. Er wurde in ein Krankenhaus gebracht.
MEK stürmt mehrere Gebäude
Die Polizei reagierte noch am Sonnabend auf den erneuten Angriff. Beamte des Mobilen Einsatzkommando stürmten mehrere Häuser in Hamburg. Beamte des Landeskriminalamts aus der Abteilung Organisierte Kriminalität durchsuchten Wohnungen unter anderem in Billstedt, Jenfeld, Horn und Steilshoop. Dabei handelt es sich um Unterkünfte von "fünf mutmaßlich an der Tat Beteiligten, einem rivalisierenden Rockerclub nahestehenden Personen, im Alter zwischen 21 und 24 Jahren", sagte eine Polizeisprecherin am Sonntag. Zuvor hatte die Polizei bereits zwei Tatverdächtige im Alter von 20 und 21 Jahren vorläufig festgenommen, diese aber im Laufe des Tages wieder auf freien Fuß gesetzt.
In den durchsuchten Wohnungen wurde niemand angetroffen, Beweismittel wurden sichergestellt. Ermittlungen und Auswertung dauern an. Im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern der rivalisierenden Rockerclubs führten die Beamten am späten Sonnabend außerdem eine Razzia in einem Saunaclub in Harburg durch. Dabei wurden rund 70 Personen überprüft. Mitglieder der Rockerclubs wurden nicht angetroffen.
Schießerei auf der Reeperbahn
Bereits bei der Schießerei auf der Reeperbahn am Montag waren zwei Mitglieder der Mongols verletzt worden. Insgesamt hatte der unbekannte Schütze mindestens sieben Schüsse auf ein besetztes Taxi abgegeben. Der neue Chef des Clubs, Kevin S., blieb unverletzt. Ein weiterer Rocker brach sich beim Versuch, zu Fuß aus einem Lokal zu flüchten, ein Bein. Der Taxifahrer konnte fliehen, aber keine Beschreibung des Schützen liefern. Es wird aber vermutet, dass der Täter aus den Kreisen der Hells Angels kommt. Zwölf Mitglieder der Rockergruppe wurden danach festgenommen, mussten aber wegen mangelnder Beweise wieder freigelassen werden.
Schießerei an der Reeperbahn
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Polizei befürchtet Eskalation des Rockerkriegs
Die Durchsuchungen sind die erste sichtbare Aktion der Sicherheitskräfte nach der Reeperbahn-Schießerei. Die Ermittler gehen davon, dass es weitere Übergriffe geben wird. "Das wird es nicht gewesen sein", hatte ein Beamter gegenüber dem Hamburger Abendblatt gesagt. Diese Befürchtung untermauert ein Insider. Nachdem die Mongols Drohungen in Richtung Hells Angels ausgestoßen hatten, sei dort ein Treffen der Präsidenten aller Charter der Hells Angels einberufen worden, zu denen auch die Präsidenten der Supporter-Clubs, die oft Handlangerdienste für die "Höllenengel" ausführen müssen, einberufen wurden.
Hells Angels mischen im Hamburger Rotlicht kräftig mit
Für die Hells Angels gehe es um viel. "Hamburg ist der einträglichste Bereich in Deutschland", sagt der Insider mit Blick auf das Rotlichtmilieu, in dem die Hells Angels kräftig mitmischen. "Doch das wollen ihnen die Mongols streitig machen." Treibende Kraft bei den Mongols, so heißt es auch in Rockerkreisen, sei nicht der Präsident, sondern sein Vize Reza J., 34 Jahre alt. Der Ex-Höllenengel soll nicht nur über beste Kontakte verfügen, sondern auch eine "harte Familie" im Rücken haben. Es wird schon von einer möglichen Allianz der Mongols mit den "Nomads Turkey", einer Abspaltung der Hells Angels gesprochen.
Die Mongols gibt es in Hamburg seit 2014. Bislang sind einzelne Mitglieder im Rotlicht aktiv, Frauen prostituieren sich etwa in Modellwohnungen. Richtig viel Geld brachte das bisher offenbar nicht ein. Der inzwischen in Haft sitzende Ex-Präsident der Hamburger Mongols, Erkan U., konnte, so heißt es in Polizeikreisen, seinen Lamborghini nicht mehr nutzen, weil Geld für eine Reparatur fehlte. "Die Gruppe ist aber sehr schnell gewachsen", sagt der Insider. Auch deshalb dürfte die Mongols nach der Schießerei Rache angekündigt haben. Das wollen die Hells Angels aber nicht hinnehmen, heißt es.
Chronologie des Rockerkriegs in Hamburg
Juli 2015
Das Mobile Einsatzkommando landet mit einem Hubschrauber auf dem Dach des Penthouses von Erkan U. an der Hoheluftchaussee und stürmt die Wohnung – auf der Suche nach einer Schusswaffe.
Oktober 2015
Im Oktober explodiert eine Handgranate unter dem Lamborghini des Mongols-Präsidenten Erkan U. – wieder an der Hoheluftchaussee.
November 2015
Schaulaufen von Mongols und Bandidos in Kutten auf der Reeperbahn. Ermittler der Polizei werten die Aktion in erster Linie als Provokation – inoffiziell gilt der Hamburger Kiez als Gebiet der Hells Angels.
November 2015
Tage später wird Erkan U. von einem Rollkommando in seinem Penthouse überfallen und verprügelt. Dabei stehlen ihm die Angreifer seine Präsidenten-Lederkutte, ziehen sie an der Reeperbahn einem Transvestiten an, der damit schließlich vor Susis Showbar an der Großen Freiheit tanzt – eine Demütigung, die per Handyvideo über Facebook verbreitet wird.
Anfang Dezember 2015
Anfang Dezember wird der bis dahin "amtierende" Hamburger Mongols-Präsident Erkan U. vom Mobilen Einsatzkommando in seinem Penthouse verhaftet. Stunden später übernimmt Kevin S. dessen Rolle.
Mitte Dezember 2015
Die Polizei stürmt und durchsucht zehn Wohnungen und verhaftet drei Mongols-Rocker.
28. Dezember 2015
Am Montag nach Weihnachten wird in der Nähe der Reeperbahn auf ein Taxi geschossen. Dabei werden zwei Mitglieder der Mongols verletzt. Der Chef der Hamburger Gruppe, Kevin S., bleibt unverletzt. Ein weiterer Rocker bricht sich bei der Flucht einen Fuß. Die Polizei nimmt in der Folge zwölf Mitglieder der Hells Angels fest, muss sie aber wieder auf freien Fuß setzen.
2. Januar 2016
Bei einer Messerstecherei am frühen Morgen des 2. Januar wird ein Mitglied der Mongols schwer verletzt. Das Opfer ist nach Abendblatt-Informationen der 26 Jahre alte Hidi G., der schon bei dem Angriff auf ein Taxi an der Reeperbahn vor einer Woche einen Prellschuss erlitten hatte. Am Abend des selben Tages stürmt das Mobile Einsatzkommando (MEK) der Polizei Wohnungen unter anderem in Jenfeld, Horn und Billstedt sowie den Saunaclub „Atmos“ in Harburg - ohne aber Mitglieder der Hells Angels anzutreffen.
4. Januar 2016
Die Hamburger Polizei gründet die "Soko Rocker" mit 50 Beamten, um der eskalierenden Gewalt zwischen mit Mongols und Hells Angels entgegen zu treten. Unter anderem sollen Szenetreffs beobachtet und ein Verbot der Mongols geprüft werden.
12. Januar 2016
Hamburger Beamte nehmen drei Männer fest, die verdächtigt werden, am 2. Januar ein Mitglied der Mongols niedergestochen zu haben.
19. Januar 2016
Großrazzia in Norddeutschland: Die "Soko Rocker" nimmt zwei Hells-Angels-Mitglieder im Alter von 35 Jahren fest. Insgesamt 20 Durchsuchungsbeschlüsse im Norden wurden vollstreckt. 250 Beamte waren im Einsatz.
2. Februar 2016
Die "Soko Rocker" stürmt eine Werkstatt am Billwerder Steindamm, die offenbar einem Hells Angels-Mitglied gehört. Verdacht: Gewerbsmäßige Hehlerei mit Autoteilen. Die Beamten haben Tausende offensichtlich gestohlene BMW-Autoteile sichergestellt, die in der Halle gelagert wurden.
2. Februar 2016
Die "Soko Rocker" nimmt zwei Männer in Haft, die dringend tatverdächtig des schweren gemeinschaftlichen Raubs sind. Das Opfer des Raubes wird ebenfalls wegen eines ausstehenden Haftbefehls verhaftet.
3. Februar 2016
Die "Soko Rocker" stürmt acht Wohnungen in Hamburg und Norddeutschland. Ein 28 Jahre alter Iraner wurde bei dem Einsatz festgenommen. Es wurde unter anderem eine geladene Maschinenpistole gefunden und sicher gestellt.
5. Februar 2016
Die Polizei durchsucht fünf Wohnungen in Schnelsen und Eidelstedt und verhaftet einen weiteren Tatverdächtigen des Raubs vom 2. Februar.
11. Februar
Die "Soko Rocker" verhaftet einen weiteren Tatverdächtigen im Zusammenhang mit dem Raub vom 2. Februar, außerdem werden zwei Wohnungen in St. Georg und Billstedt durchsucht.
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Bereits im Oktober hatte eine Explosion am Sportwagen des Chefs der Mongols in Hamburg für Aufsehen gesorgt. Ein Sprengsatz war unter dem Lamborghini detoniert, als der Mann das Auto ausparken wollte. Er blieb unverletzt, aber der Wagen, umliegende Fensterscheiben und eine Stahltür wurden beschädigt. Im Dezember wurde er in einer spektakulären Aktion in seiner Penthouse-Wohnung verhaftet.
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