Sprengstoff unter Lamborghini von Rocker Erkan U. ist Thema in der Nachbarschaft. Viele sind besorgt, andere überraschend gelassen.

Vor dem Saray-Imbiss an der Hoheluftchaussee rückt der Ladeninhaber sein Verkaufsschild zurecht. Auf dem Bürgersteig stehen die Kunden vor seinem kleinen Dönerladen Schlange. Wie immer um die Mittagszeit. Ein paar Schritte weiter, im Blumenladen an der Ecke, stöbern junge Frauen in den Auslagen. Hinter dem Tresen haben die Ver­käuferinnen Sabine Pahl und Frederike Hein gut zu tun. Auch im „XXL“-Lottoladen gleich nebenan erinnert auf den ersten Blick nichts daran, dass direkt dahinter im Hof am Dienstagabend am orangefarbenen Lamborghini des Rockerbosses Erkan U. ein Sprengsatz detonierte. Der Fahrer blieb dabei un­verletzt.

Doch der Eindruck täuscht: Auf der Straße und in den Geschäften ist auch zwei Tage nach dem Anschlag auf Erkan U., den Rockerboss der Mongols, für den eine der Wohnungen des Eckhauses Hoheluftchaussee/Eppendorfer Weg eine feste Anlaufstelle ist und der bei dem Anschlag wie durch ein Wunder unverletzt blieb, das Gesprächsthema. Obwohl sich die wenigsten öffentlich dazu äußern wollen. Viele haben bei dem Gedanken an das Attentat ein ungutes Gefühl. Sie möchten lieber nichts mit der Sache zu tun haben.

„Es hätte blöd ausgehen können“, sagt die Blumenverkäuferin Sabine Pahl. Sie hatte schon den spektakulären Polizeieinsatz im Sommer miterlebt, als sich Spezialkräfte der Polizei von einem Hubschrauber aus auf die Terrasse der Wohnung abseilten, in der sie den Rockerboss vermuteten. Angeblich hatte Erkan U. damals eine Frau in der Wohnung mit einer Waffe bedroht. Und nun das missglückte Attentat, von dem niemand genau weiß, wer dahintersteckt und von dem bisher nur gemutmaßt wird, der Auslöser könne ein Streit im Rotlichtmilieu gewesen sein. „Man hat ein komisches Gefühl“, sagt Sabine Pahl. „Man weiß ja nicht, wie diese Leute ticken. Aber uns lassen sie wohl in Ruhe.“

Geschäftsmann Sevinc: „Es hätte meine Frau treffen können“

An der Hoheluftchaussee führt Erkan U., der seinen Hauptwohnsitz in Seevetal in Niedersachsen hat, ein eher unauffälliges Leben. „Ich sehe ihn öfter, wenn er hier mit seiner Freundin bei uns am Laden vorbeigeht. Er kommt aber nicht zu uns rein“, sagt die Blumenverkäuferin Frederike Hein.

Nebenan im XXL-Lottoladen deckt sich der Rockerboss regelmäßig mit Zigaretten ein. „Er ist ein höflicher Junge. Er grüßt, er ist mein Nachbar“, betont der Geschäftsinhaber Tuncay Sevinc, hinter dessen Laden der Sprengsatz explodiert war. „Ich hörte einen dumpfen Knall, wie von einem dicken China­böller. Der Imbissbesitzer von nebenan stürzte in meinen Laden und sagte, was passiert war“, erzählt Sevinc.

Der Lottoladeninhaber sei daraufhin in den Hinterraum gerannt, um zu gucken, was los ist. Und ist froh, dass er und seine Frau mit heiler Haut davongekommen sind. „Meine Frau hatte wenige Sekunden vorher noch hinten Pakete in die Regale einsortiert, als kurz danach die Splitter der Bombe das Fenster durchschlugen. Es hätte sie treffen können!“

Was bleibt, ist auch bei Tuncay Sevinc ein unsicheres Gefühl. Und die Hoffnung, dass sich die Lage in dem Wohn- und Geschäftshaus, in dem sich auch eine Apotheke, mehrere Arzt- und eine Rechtsanwaltspraxis befinden, in der Zukunft wieder entspannt.

„Ich verstehe nicht, warum man um diese Leute so einen Hype macht“

Das wünscht sich auch der Hypnose- und Mentalcoach Herbert Jenning, der die Bombenexplosion im ersten Ober­geschoss in seiner Praxis miterlebt hat. „Ich hatte einen Klienten in der Hypnose, da hat es kurz, knapp und trocken geknallt. Die Wände haben leicht gebebt“, berichtet der Heilpraktiker. Dann war es wieder still. Glücklicherweise sei sein Klient nicht aus der Trance erwacht.

Anschließend habe er vorn aus dem Fenster geschaut und „jede Menge Blaulicht“ gesehen. „Ich dachte, die wollten ins Nachbarhaus“, sagt Jenning. Um kurz vor 21 Uhr habe er die Praxis verlassen. „Im Treppenhaus standen unten zehn Männer. stattliche Typen, massiv tätowiert“, sagt Jenning. „Einer von ihnen ist mein Nachbar gewesen“, sagt der Coach und meint damit Erkan U., den Rockerboss aus der benachbarten Wohnung.

Obwohl auch Jenning den Polizeieinsatz im Sommer miterlebt hat, bei dem „die Druckwellen des Hubschraubers mein Praxisschild aus der Wand gerissen und samt Blumen auf die Straße wirbelten“, wie er berichtet, hat er keine Angst. „In Hamburg passiert so viel“, sagt der Coach.

Die Hausverwaltung habe vier Wochen nach dem Vorfall im Sommer signalisert, dass es „eine Lösung“ wegen seines Nachbarn geben werde. Und: „Ich verstehe nicht, warum man um diese Leute so einen Hype macht. Das Schlimmste ist doch, wenn man diesen Leuten das Gefühl gibt, sie seien etwas Besonderes.“