Die Abendblatt-Serie für alle, die Hamburg schon ganz gut kennen, aber immer wieder neu oder anders entdecken wollen. Teil 8.
Millerntor-Stadion
FC St. Pauli – der Verein gehört zum Stadtteil wie die Reeperbahn oder die Astraknolle. Deshalb ist eine Stadionführung ein Muss für alle, die St. Pauli besser kennenlernen wollen. Bei dem Rundgang (ca. 105 Minuten) erfährt man nicht nur vieles über die mehr als 105-jährige Geschichte des Vereins, dessen Kicker beim St. Pauli Turnverein von 1862 spielten, bevor sie 1910 als eigener Club dem Norddeutschen Fußball-Verband beitraten. Die Besucher können u.a. auf der Haupttribüne einen Blick in Logen und Separees werfen, in den Traditionsraum mit historischen Spinden und Duschen, in die Umkleide der Spieler und den Presseraum.
Eine Rolle spielen auch
Amandus Vierth (Erfinder der braun-weißen Vereinsfarben), die
Totenkopffahne, die vielen Aktivitäten der Fans und das soziale und
kulturelle Engagement des Vereins mit 25.000 Mitgliedern. Heute
tummeln sich unter dem Dach des FC St. Pauli neben Fußball rund 20
weitere Sportarten von Beachvolleyball, Boxen und Blindenfußball
bis Radsport, Schach und Roller Derby.
Stadionführung im
Millerntor-Stadion: MiFr, 12.30 Uhr, Sa/So, 10.30 Uhr, Preise: 8,50
/erm. 6 Euro plus 1 Euro Systemgebühr; inkl. Gutschein für den
Fanshop.
Heisse Ecke
Heiße Ecken mit Wurst und Pommes gibt es einige auf St. Pauli. Aber
die berühmteste befindet sich auf der Bühne vom Schmidts Tivoli:
Hier läuft seit zwölf Jahren das Musical „Heiße Ecke“, das schon
1,8 Millionen Zuschauer begeistert hat. Wie viele Würste in diesem
Bühnen-Imbiss schon auf den Grill kamen und mit einer großen
Portion Herz, Schnauze und Humor serviert wurden, kann man nur grob
schätzen. Neun Darsteller/-innen schlüpfen in mehr als 50 Rollen,
denn am Tresen von Hannelore und ihrer Crew trifft sich ganz St.
Pauli: leichte Mädels, schwere Jungs, Touristen und Müllmänner,
Vorstadt-Casanovas und Kiez-Urgesteine. Wer derbe Schnacks und
tolle Songs mag, für den ist „Heiße Ecke“ der richtige Anfang vor
einem Reeperbahnbummel.
„Heiße Ecke“ im Schmidts Tivoli,
Spielbudenplatz 27/28, www.tivoli.de
Pulverfass
Diven in fantastischen Glitzerroben, Star-Parodien, Live-Gesang,
sexy Varieté, Männerstrip und unglaublich freche Conférencen –
dieser Mix ist das Geheimrezept im Pulverfass. Europas größtes
Travestietheater in dem ehemaligen Oase- Kino an der Reeperbahn 147
ist eine Institution auf dem Kiez, größer noch als das berühmte
Vorbild Moulin Rouge in Paris. Rund 200 Menschen passen in den
plüschig-roten Saal mit Tischlampen, Palmen, Spiegeln und
Samtvorhängen. Alle paar Monate wechseln einige der Shownummern,
neue Darsteller kommen dazu, die meisten aus Frankreich und
Brasilien. Große Stimmen sind dabei – da kann sich Helene Fischer
eine Scheibe abschneiden. Der richtige Ort für
Junggesellinnenabschiede – aber auch für Onkel Ottos ganz besondere
Geburtstagsfeier. Von Sonntag bis Donnerstag gibt es abends zwei,
an Wochenenden drei Shows.
Pulverfass, Reeperbahn 147, Tel. 24 97 91, www.pulverfasscabaret.de
Holsten-Schwemme
Wer es lieber urig und gemütlich mag, der ist in der
Holsten-Schwemme bestens aufgehoben. Seemänner und Hafenarbeiter
mögen zwar von der Reeperbahn verschwunden sein – aus der
Holsten-Schwemme bei Rosi sind sie es noch lange nicht. Die kleine
Eckkneipe ist dank ihrer Stammkundschaft über die Jahre ein kleines
maritimes Museum geworden: Ob Jakobsleitern, Zuckerklatschen oder
Handhaken – unzählige Mitbringsel haben die Männer aus dem Hafen
herangeschleppt und an die Wände gezimmert. Dazwischen immer wieder
die mit Knoten und Tauwerk verzierten Fotos alter Stückgutfrachter
aus früherer Zeit. Jedes Bild erzählt eine eigene Geschichte. Wer
sie hören will, der muss sich nur mal eine Stunde mit an den Tresen
setzen. Bei einem Preis von unter zwei Euro für das kleine Bier
kann man da auch mal länger sitzen bleiben.
Holsten-Schwemme,
Herrenweide 2a, www.facebook.com/holsten.schwemme
Golden Pudel
Die Welt ist eine Pudel“, „Die Welt zu Gast beim Feudeln“ oder „Die
Kotze hat meine Jacke verklebt“ – nicht nur Mottos wie diese machen
den Golden Pudel Club in der Holzhütte am Hamburger Fischmarkt zu
etwas ganz Besonderem. Der Pudel ist eine Legende und gehört seit
mehr als 20 Jahren zur kulturellen Identität des Stadtteils.
Abgedrehte und vor allem schweißtreibende Partys werden hier gerne
mal bis in die späten Morgenstunden zu allen Arten elektronischer
Musik gefeiert. Zwar droht dem Pudel derzeit die
Zwangsversteigerung, nachdem sich Musiker Tobias Albrecht alias
Rocko Schamoni und sein ehemaliger Jugendfreund Wolf Richter
verkracht haben. Muss der „kollektive Freiraum“ um seine Zukunft
fürchten? Nein, sagen die Aktiven vor Ort: „Egal, was passiert, wir
werden gemeinsam mit ganz vielen um diesen Ort kämpfen.“ Die
Chancen stehen gut: Denn mit Widerstand haben sie Erfahrung auf St.
Pauli.
Golden Pudel Club, St. Pauli Fischmarkt 27, www.pudel.com
Cocktailbars
Für die Freunde der gepflegten Drink-Kultur ist St. Pauli mittlerweile ein kleines Paradies. Ambitionierte Barkeeper, die dank ihrer außerordentlichen Geruchs- und Geschmacksfähigkeiten aus hochwertigen Spirituosen, frischgepressten Säften und exotischen Kräutern stetig neue und raffinierte Kreationen erschaffen, bevölkern seit Jahren den kleinen Stadtteil, in dem bislang vor allem 99-Cent-Bars auf dem Vormarsch zu sein schienen. Dank ihnen ist über die Jahre eine wachsende Zahl neuer Cocktailbars entstanden, die ihren Namen alle Ehre machen. Neben bereits alteingesessenen Institutionen wie dem Christiansens (Pinnasberg 60) oder der 3Freunde Bar (Clemens-Schultz-Straße 66) sei vor allem auf die Clockers Bar (Paul-Roosen-Straße 27) und The Walrus Bar (Wohlwillstraße 47) verwiesen. Ganz neu dabei: The Chug Club (Taubenstraße 13), in dem Betreiberin Bettina Kupsa (bekannt aus dem Le Lion) seit Anfang September ihre Gäste mit kleinen, aber feinen Drinks verwöhnt. Nicht nur für Tequila- Fans ein Muss.
Straßenkampf
Eigentlich heißt das Schlemmervergnügen auf dem Spielbudenplatz
Street Food Session, aber da die St. Paulianer sich gern
verständlich ausdrücken, nennen sie ihre Gourmetmeile auch St.
Pauli Straßenmampf. Immer donnerstags zeigt sich hier die
hanseatische Variante der Straßenküche mit wechselnden
Köstlichkeiten an rund 15 Trucks, Trailern und Ständen. Die
Freiluftkantine soll auch zu Begegnungen und guten Gesprächen
anregen. Für das richtige Drumherum sorgen die Container-Bars mit
Drinks und Cocktailkreationen. Dazu gibt es einen musikalischen
Rahmen, mit Liveauftritten (jeweils ab 19 Uhr). Das Ganze ist ein
Gemeinschaftsprojekt der Lunch-Karawane und der Spielbudenplatz
Betreibergesellschaft.
Street Food Session: jeweils donnerstags,
17-23 Uhr, Spielbudenplatz, Eintritt frei www.spielbudenplatz.eu
Flohschanze
Reste, Relikte und „Re-runs“ – sie alle warten Sonnabend für
Sonnabend im Karoviertel auf einen neuen Besitzer. Für viele
Anwohner aus St. Pauli und Umgebung gehört der wöchentliche Bummel
über die sogenannte Flohschanze, den Flohmarkt auf dem Areal der
ehemaligen Rinderschlachthalle, bereits zu einem traditionellen
Ritual. Statt Hammeln oder Kälbern findet man hier seit 15 Jahren
Fahrräder, Kleinmöbel, Geschirr und allerlei Kurioses. Auf Socken,
Sonderposten oder Partiewaren wird bewusst verzichtet, dafür sorgt
eine große Zahl von Stammhändlern für ein spannendes und
abwechslungsreiches Stöber-Angebot. Wer die echten Schnäppchen
machen will, muss aber schon früh aufstehen: Die sogenannten
Profi-Greifer streifen meist schon in der Dunkelheit mit ihren
Taschenlampen um die Stände.
Flohschanze, sonnabends 816 Uhr,
www.marktkultur-hamburg.de/flohschanze.html
Abendblatt Spezial
Das St. Pauli & Schanzenbuch erschließt in sechs Spaziergängen den Stadtteil St. Pauli sowie die zwischen Altona-Altstadt und Eimsbüttel gelegene Sternschanze. Neben Tipps zu Geschäften und Gastronomie führen die Touren u.a. über die Reeperbahn, das Heiligengeistfeld mit dem Kerngebiet der Schanze sowie dem Karoviertel.
Buchtipp: „St. Pauli & Schanzenbuch“, 208 Seiten, Klappenbroschur, 16,80 Euro, zzgl. Versandkosten, zu bestellen unter www.abendblatt.de/shop oder per Telefon 040/333 66 999
Die Experten
Irene Jung lebt seit zehn Jahren auf St. Pauli und schreibt hier über Themen von Wochenmarkt bis Blue Hour und Shisha-Café bis Gentrifizierung. Außerdem füllt sie unter www.abendblatt.de den St.-Pauli- Blog. Daniel Schaefer lotst in seiner Freizeit Ortsfremde durch seinen Heimatkiez und stellt dabei jedes Mal wieder fest: St. Pauli lässt sich nicht erklären, man muss es leben.