Die Abendblatt-Serie für alle, die Hamburg schon ganz gut kennen, aber immer wieder neu oder anders entdecken wollen. Teil 3.

Sommer-Festival

Mehr als 50 unterschiedliche Arbeiten aus den Bereichen Tanz, Theater, Performance, Musik, Bildende Kunst und Film präsentiert das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel, in der früheren Kranfabrik, die 1984 in einen multifunktionalen Bühnenkomplex umgebaut wurde. Das Festival bezeichnet sich selbst als „größte Eventbude des Sommers“. Das stimmt sicherlich, denn neben den Sommerbespielungen mit nur einer Produktion bieten die Hamburger Theater in den Sommerwochen wenig Abwechslung. Beim Internationalen Festival dagegen kann man seine Sehgewohnheiten schulen. Seit 30 Jahren findet das Festival auf dem Kampnagelgelände statt. Jährlich kommen rund 30.000 Besucher. Traditionelle Bestandteile des Programms: Avantgarde und Etabliertes, viel geballte Kunst.

Hinter verspielten Aufführungen steht oft ein ernstes politisches Anliegen. Außerdem gibt es Ausstellungen, Diskussionen, Konzerte, DJ-Auftritte und jeden Abend Neues. „Kein Plastik, keine Monotonie, keine geistigen Flachheiten, sondern hochwertige Produktionen für alle Sinne.“ So beschrieb der künstlerische Leiter, András Siebold, das Programm des diesjährigen Festivals. Eines steht in jedem Fall fest: Die Besucher können sich darauf verlassen, jeden Tag etwas Neues erleben zu können. Vom Einsteiger bis zum Kulturexperten kommt jeder auf seine Kosten. Der Termin für das Sommerfestival des kommenden Jahres steht auch schon fest, nicht nur die Programmmacher empfehlen dringend, diesen Termin schon mal vorzumerken: 10. bis 28. August 2016.
Festival-Infos: www.kampnagel.de, Jarrestr. 20, T. 270 949 0

2te Heimat

In der 2ten Heimat lebt die Salonkultur wieder auf. Angelehnt an die Kultursalons des vergangenen Jahrhunderts treffen Kultur, Kulinarisches und Kommunikation aufeinander. Bei den Theaterabenden mit anschließendem Essen tauscht man sich mit Tischnachbarn über das Stück aus. Gespielt wird Tragikomisches über das Leben und die Liebe.
Karten: 66 Euro, www.die2teheimat.de, Max-Brauer-Allee 34, T. 30 60 65 41

Malersaal

Seit 1972 eine Studiobühne für das größte deutsche Sprechtheater, das Deutsche Schauspielhaus, eingeführt wurde, gibt es diese Experimentierbühne. Hier fanden Skandale statt – „Stallerhof“ mit der damals 17-jährigen, nackten Eva Mattes – Gastspiele – Peter Brooks „Carmen“ – und immer wieder Inszenierungen, die künstlerisches Neuland betreten. Was auf der großen Bühne zu wagemutig wäre, wird hier einem engagierten Publikum präsentiert. Die Spielfläche ist ebenerdig und variabel nutzbar. Bis zu 146 Zuschauer finden auf der Tribüne Platz.

Hier gibt es regelmäßig Außergewöhnliches zu sehen, wie kürzlich den spektakulären, bildmächtigen und von kafkaesken Assoziationen gestalteten Abend, „ Ich, das Ungeziefer“. Die albtraumhafte, surreale Geschichte des zum riesenhaften Insekt gewordenen Handelsvertreters Gregor Samsa, der in der Wohnung seiner Eltern lebt, wird als großer Spaß mit sehr viel Bedeutung inszeniert. Oder Becketts „Glückliche Tage“. Derzeit „Effi Briest – allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie“, der Seitensprungklassiker als Radioshow (Foto), beziehungsweise als Episode aus der Serie „Berühmte Seitensprünge der Weltliteratur“. Spannend ist es hier jedenfalls immer.
Programminfos: www.schauspielhaus.de, Kirchenallee 39, Tel. 24 87 13

Theaternacht

Die Hamburger Theaternacht, in der mehr als 40 Bühnen die Saison mit einem gemeinsamen Paukenschlag eröffnen, findet jedes Jahr im Spätsommer statt. Dabei zeigen die Hamburger Theater eine Nacht lang ihre Vielfalt, Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit. Die Besucher erhalten dabei Einblicke in die aktuellen Produktionen der Theater: aufwendige und puristische Inszenierungen, Traditionelles und Avantgardistisches, Gesprochenes und Gesungenes, Tragisches und Komödiantisches, aber auch Getanztes und Improvisiertes. Mit dabei sind die großen, kleinen, bekannten, unbekannten, staatlichen und privaten Bühnen. 2015 verzeichneten die teilnehmenden Bühnen mehr als 60.000 Besuche.
www.hamburger-theaternacht.de

Festival

Zum siebten Mal findet in diesem Herbst das privat geförderte „ Hamburger Theaterfestival“ statt (5. Oktober bis 9. November 2015). Jedes Jahr stehen auf dem Spielplan viel diskutierte und begeisternde Theaterproduktionen aus dem deutschsprachigen Raum. Das Wiener Burgtheater, das Deutsche Theater aus Berlin, das Bayerische Staatsschauspiel und viele andere Bühnen zeigen Aufführungen, wie sie auch zum Berliner Theatertreffen eingeladen werden. Man kann großartige Schauspieler wie Ulrich Matthes, Corinna Harfouch oder Michael Maertens (wieder)sehen.
Theaterfestival: www.hamburger-theaterfestival.de

Junge Regie

Wo Dramaturgen und Intendanten Nachwuchs suchen, gibt es für normale Zuschauer Spannendes zu entdecken. Beim „Körber Studio Junge Regie“ wurden schon viele Talente ausgezeichnet. Jeweils im Juni treffen sich fünf Tage lang im Thalia Gaußstraße die Theatermacher der Zukunft, die an zwölf deutschsprachigen Hochschulen studiert haben, um ihre Abschlussarbeiten zu präsentieren. Im Anschluss gibt’s Publikumsgespräche. Das Festival gilt als das renommierteste seiner Art.
www.koerber-stiftung.de

Kontraste

Ein gutes Boulevardtheater braucht eine „Kontraste“-Reihe. Die gibt es in der Komödie Winterhuder Fährhaus. Wenn im großen Haus Herbert Hermann mit Nora von Collande spielt, Ilja Richter und Markus Majowski (l., Foto) auftritt oder wir mit Jochen Busse und Ingrid Steeger alles über den „Kurschattenmann“ erfahren, dann läuft im kleinen Haus „Frau Müller muss weg“. Da führen besorgte Eltern eine Schlacht mit der Klassenlehrerin. Oder „Mutti“ tritt auf in Juli Zehs Komödie über die Führungskräfte der Großen Koalition. In „ Kaspar Häuser Meer“ zeigen drei überforderte Sachbearbeiterinnen, wie sie einen aussichtslosen Kampf gegen Überforderung und die Angst vor Fehlentscheidungen führen. Kritische, zeitgenössische Stücke bekommt man hier, etwa „Wir sind keine Barbaren“ von Philipp Löhle. Junge Autoren zeigen ihre neuesten Werke, und die Schauspieler sind vom Feinsten. Es lohnt sich hier fast immer.
www.komoedie-hamburg.de, Hudtwalckerstraße 13, T. 480 680 80

Gausstraße

Die Gaußstraße ist die Dependance des Thalia Theaters. Hier werden Experimente gewagt, neue Stücke ausprobiert, aber auch generell ein jüngeres Publikum angesprochen. Sie zeigt sich offen für alle aus dem Großraum Hamburg, aber mit starker Anbindung an den kreativen Melting Pot Altona, der aus Arbeitern, Künstlern, bürgerlichem Mittelstand und einer zunehmend interkulturellen Gesellschaft besteht. Besonders dem multinationalen Zusammenhang trägt das Programm des Thalias in der Gaußstraße Rechnung und ist gleichzeitig Kreativort für ungewöhnliche und junge künstlerische Initiativen. In der aktuellen Spielzeit inszenieren hier Regisseure, die sonst an großen Bühnen arbeiten, Luk Perceval, Alvis Hermanis, aber auch neue Stücke werden aufgeführt, beispielsweise „3000 Euro“ von Thomas Melle oder „Schnee“ von Orhan Pamuk.
www.thalia-theater.de, Gaußstraße 190, T. 32 81 44 44

Abendblatt-Spezial

Großes Schauspiel beim Hamburger Theater Festival 2015: In einer Produktion des Schauspielhauses Zürich können Sie im Schauspielhaus „Drei Schwestern“ von Anton Tschechow erleben. Eine Inszenierung von Barbara Frey. Freuen Sie sich auf Stefan Kurt und auf drei Schauspieler des Wiener Burgtheaters.

Karten exklusiv für Abendblatt-Leser (alle Treue Kategorien): „Drei Schwestern“, Schauspielhaus, Kirchenallee 39, Di, 3.11., Begrüßung 18.30 Uhr (inkl. Begrüßungsgetränk), Beginn 19 Uhr, Karten zu 57 und 68 Euro, nur buchbar über Abendblatt-Ticket-Hotline 040/30 30 98 98 (Mo-Fr, 8-19 Uhr, Sa, 8-13 Uhr)

 Armgard Seegers
Armgard Seegers © HA | Andreas Laible

Die Expertin

Armgard Seegers ist seit 24 Jahren Redakteurin, Literaturund Theaterkritikern beim Hamburger Abendblatt. In dieser Zeit hat sie mehr als 1000 Inszenierungen gesehen. Sie hat Theaterwissenschaft, Publizistik, Germanistik und Anglistik in Berlin und Hamburg studiert und promovierte mit einer Arbeit über „Die Komik bei Karl Valentin“.

Sie war Regie- und Dramaturgieassistentin am Deutschen Schauspielhaus, Pressesprecherin der Kulturbehörde und übersetzt aus dem Englischen unter anderem Filme von Woody Allen, Theatertexte von Alan Ayckbourn und Richard Burtons Tagebücher.