Hamburg. Die Verfahrensdauer am Landgericht ist bei Straf- und Zivilprozessen gestiegen. Größere Komplexität der Prozesse?

Die Verfahren beim Landgericht dauern länger als noch vor einigen Jahren. Die Zahl neuer Verfahren ist zwar rückläufig, gleichzeitig aber stieg die Zahl der Bestände – also der unerledigten Verfahren. Das sind bei gleicher Zahl der Richterstellen Hinweise auf die Belastung des Landgerichts, möglicherweise Folge einer größeren Komplexität der Prozesse.

Plötzlich ging es sehr schnell. Vor einer Woche hatte Justizsenator Till Steffen (Grüne) im Abendblatt-Gespräch gesagt, er warte noch auf eine Ursachenanalyse zur Belastungssituation des Landgerichts. Da hatte die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom Mai für Wirbel gesorgt, die beiden wegen Totschlags damals noch nicht rechtskräftig verurteilten Cousins Hakan und Ali Y. aufgrund zu langer Verfahrensdauer beim Landgericht unverzüglich aus der U-Haft zu entlassen.

Jetzt hat Landgerichtspräsidentin Sibylle Umlauf in einem vierseitigen, dem Abendblatt vorliegenden Brief an Steffen die Rahmendaten zur Belastung des Gerichts übermittelt und erste Hinweise auf die Ursachen geliefert. „Die Entwicklung zu einer höheren Komplexität der Verfahren wird durch den Anstieg der Bestände bei rückläufigen Eingängen belegt“, schreibt Umlauf. Danach ist Zahl der Neuzugänge bei Zivilverfahren von 16.044 (2010) auf 14.921 (2013) gesunken – um acht Prozent. Im selben Zeitraum stieg die Zahl der unerledigten Verfahren um sechs Prozent: von 11.906 auf 12.643.

Die Verfahren dauern länger: Der Anteil der Prozesse mit einer Länge von mehr als einem Jahr ist von 15,1 (2008) auf 24,4 Prozent (2014) gestiegen. Parallel sank die Zahl der Verfahren, die innerhalb von drei Monaten beendet wurden, von 6070 auf 3549. „Dies ist ein Rückgang um 42 Prozent“, schreibt Umlauf. „Ursächlich für den zunehmenden Aufwand bei der Bearbeitung der Zivilsachen in erster Instanz ist auch der steigende Aktenumfang“, heißt es in dem Brief. Allerdings seien die Blattzahlen nicht statistisch erfasst worden, die Einschätzung der Richter jedoch gleichlautend.

Bei den Strafgerichten sieht es laut Umlauf nicht besser aus. Der Anteil der Verfahren, die zwölf bis achtzehn Monate dauerten, hat sich von 3,4 auf 7,2 Prozent erhöht. Gleichzeitig sei die Zahl der „erledigten Verfahren mit nur einem Hauptverhandlungstag von 47,6 auf vier Prozent gesunken (!)“.

Laut Umlauf wird eine umfangreiche Stellungnahme erarbeitet. „Wegen Urlaubszeiten liegt mir eine Rückmeldung der Kollegen bisher nicht vor“, so Umlauf. „Die in der ersten Stellungnahme des Landgerichts enthaltenen Informationen werten wir gegenwärtig aus“, sagte Behördensprecher Thomas Baehr. Zusammen mit den Berichten der anderen Gerichte und des Generalstaatsanwalts sollten die Belastungssituationen und ihre Ursachen möglichst transparent gemacht werden.