Hamburg. Integrationsbeirat schrumpft auf 35 Mitglieder, die alle Ausländer sind oder Migrationshintergrund haben. Kritik von der CDU.
Wenn der neue Integrationsbeirat im November zum ersten Mal nach seiner Wahl zusammenkommt, dann wird es große Veränderungen geben. Zum ersten Mal seit seiner Gründung 2002 wird das Gremium ausschließlich aus Mitgliedern mit Migrationshintergrund zusammengesetzt sein. Menschen, die nicht zugewandert sind, werden nicht vertreten sein.
Dietrich Wersich, der in seiner Zeit als CDU-Sozialsenator von 2008 bis 2011 Vorsitzender des Beirats war, kritisiert die Neuerung: „Das ist ein echter Rückschritt auf dem Weg, Integration als eine gemeinsame Sache von allen zu begreifen. So wird sie nur den Migranten zugeschoben.“
Der Integrationsbeirat hat die Aufgabe, den Senat bei integrationspolitischen Fragen und Vorhaben zu beraten, sich öffentlich zu integrationsbezogenen Themen zu äußern sowie Vorschläge für die Besetzung von Gremien der Hamburger Verwaltung mit Menschen mit Migrationshintergrund zu machen. Bislang waren dort Mitglieder unterschiedlicher Migrantenorganisationen vertreten. Hinzu kamen Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Bildung, Kultur sowie der unterschiedlichen Konfessionen und der Verwaltung. Zusammen waren es 70 Mitglieder.
Von November an werden es nur noch 35 Mitglieder sein – alle ausnahmslos mit Migrationshintergrund. Wer das ist, hat die Sozialbehörde klar definiert. Das sind ausländische Staatsangehörige sowie Deutsche mit Migrationshintergrund. Dazu gehören Spätaussiedler, eingebürgerte Deutsche, Hamburger, bei denen mindestens ein Elternteil diese Kriterien erfüllt sowie Kinder von Zuwanderern, die bei der Geburt zusätzlich den deutschen Pass erhalten haben.
Dietrich Wersich (CDU) wirft dem Senat vor, das Gremium zu entwerten
Laut Marcel Schweitzer, Sprecher der Sozialbehörde, habe der Beirat bislang wenig Wirkung entfaltet. Das Gremium sei zu groß, zählbare Ergebnisse seien Mangelware gewesen. „Die Diskussionen haben sich innerhalb des Beirats abgespielt und sind nicht nach außen geführt worden“, sagt Schweitzer. Das habe dazu geführt, dass Migranten den Beirat nicht als Interessenvertretung wahrgenommen hätten. Wenn das Gremium von der Gemeinschaft nicht anerkannt wird, dann ist es als Lobby nicht funktionsfähig.“ Die neue Zusammensetzung des Beirats geht laut Schweitzer auf Gespräche der Behörde mit den Migrantenorganisationen und den ehemaligen Mitgliedern des Integrationsbeirats zurück. Normalerweise kann die Sozialbehörde eine Änderung allein vornehmen. Am Ende habe die Staatsräte-Runde entschieden, dass es eine neue Zusammensetzung geben soll.
Für Dietrich Wersich, der mittlerweile Vizepräsident der Bürgerschaft ist, ist das der falsche Weg. Das neu zusammengesetzte Gremium habe nichts mit Integration zu tun. „Die kommt nicht von allein, sondern beruht auf Gegenseitigkeit.“ Bisher seien sich Hamburger mit und ohne Migrationsgeschichte auf Augenhöhe begegnet, nun werde der Integrationsbeirat eine reine Migrantenvertretung. „Es macht einen Unterschied, ob jemand Mitglied ist und mitverantwortlich für die gemeinsame Arbeit, oder nur ab und zu dabei sein darf. Das funktioniert nicht.“
Wersich wirft dem Senat vor, das Gremium zu entwerten. „Damit zeigt die SPD, dass sie keine Lust mehr darauf hat. Das ist schlimm angesichts der bestehenden Probleme und der vielen neuen Flüchtlinge.“
Cord Wöhlke, Geschäftsführer der Drogeriemarktkette Budnikowsky, war Mitglied des Integrationsbeirates. Er hält es für wichtig, dass der Beirat auch aus Mitgliedern zusammengesetzt ist, die eben keinen Migrationshintergrund haben. „Integration kann nicht nur von Migranten ausgehen. Der Austausch zwischen beiden Gruppen ist unerlässlich.“ Allerdings spricht auch er sich für eine Verkleinerung des Gremiums aus. „Es wurde im Beirat sehr viel über Interessen von einzelnen Gruppen gesprochen. Da ging es manches Mal schon sehr in die Details.“ Das habe dazu geführt, dass die Effizienz begrenzt gewesen sei.
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Wöhlke: „Dabei haben doch alle ein Ziel: Integration. Und die kann am besten über die deutsche Sprache funktionieren und darüber, dass Menschen Arbeit finden.“ Am Beirat sollten auch weiter gesellschaftsrelevante Institutionen ohne Migrationshintergrund beteiligt sein.
In der Sozialbehörde sieht man dagegen keine Notwendigkeit, bei der Zusammensetzung des Beirats nachzuarbeiten. „Deutsche ohne Migrationshintergrund können in den Fachforen und Workshops teilnehmen. Hier findet auch weiter der Austausch statt, allerdings themenbezogen und praxisnah“, sagt Sprecher Marcel Schweitzer.
Dietrich Wersich überzeugt das nicht. Einen deutschen Pass zu haben, hieße noch lange nicht, integriert zu sein. „Das ist das alte Missverständnis der Sozialdemokraten. Genauso irrig, wie der Glaube, dass Multikulti von alleine funktioniert.“