Hamburg. Erstmals werden 176 Menschen in einer Halle der Landesakademie untergebracht. Behörde: „Wir brauchen einen Puffer“ .
Angesichts des anhaltenden Zuzugs von Flüchtlingen nach Hamburg wird jetzt auch eine Halle der Feuerwehr zur Unterbringung genutzt. In der Landesfeuerwehr-Akademie in Hamburg sei eine Notunterkunft für 200 Flüchtlinge eingerichtet worden, sagte der Sprecher der Innenbehörde, Frank Reschreiter, am Dienstag. Die Unterkunft sei mit 176 Menschen belegt worden. Es gehe darum, Neuankömmlinge so rasch wie möglich mit einem Dach über dem Kopf zu versorgen. Daher prüfe die Stadt, ob Räumlichkeiten bei Feuerwehr und Polizei vorübergehend genutzt werden könnten. „Wir brauchen einen Puffer“, ergänzte Reschreiter.
Nach Informationen des Hamburger Abendblatts trafen am vergangenen Wochenende insgesamt 563 Flüchtlinge in der Hansestadt ein, bis Dienstagmorgen kamen 236 weitere Menschen hinzu. Die im Stadtteil Billstedt gelegene Halle der Feuerwehr-Akademie sei mit Feldbetten bestückt worden, hieß es weiter. Wie lange sie genutzt werde, sei offen. Die Flüchtlinge sollten so rasch wie möglich in reguläre Erstaufnahmeeinrichtungen wechseln. Durch die Erkrankung von Flüchtlingen in dem Zeltlager im Jenfelder Moorpark hatte die ohnehin angespannte Situation sich verschärft. Hamburgs Innenbehörde will in den kommenden Wochen bis zu sieben Containerdörfer für insgesamt rund 20.000 Flüchtlinge errichten.
Behördensprecher Reschreiter schloss am Dienstag die Nutzung weiterer Turnhallen sowie von Polizei- und Feuerwehrflächen nicht aus. „Wir leben derzeit von einem Tag in den anderen und akquirieren alle verfügbaren Standorte.“ Die Bundeswehr wird noch in dieser Woche Zelte mit Holzfußboden für 500 Flüchtlinge in Hamburg errichten. Derzeit liefen die konkreten Gespräche darüber, hieß es. Mit dem Aufbau der Zelte wird Ende dieser Woche gerechnet. Nach Informationen des Abendblatts ist weiterhin keine einzige Fläche für Großunterkünfte mit 2000 bis 3000 Plätzen in Sicht. Gebraucht werden mindestens fünf Hektar Freifläche, dazu Befestigung und minimale Infrastruktur. „Die Maßgabe des Innensenators, bis zum Herbst erste Großunterkünfte betriebsfähig zu haben, ist sehr ambitioniert. Wir stehen unter großem Druck, das hinzubekommen“, heißt es aus dem Senat.
Unterdessen hofft der städtische Dienstleister „Fördern & Wohnen“, der sich um die Flüchtlinge kümmert, dass sich weitere Mediziner melden, um Flüchtlinge zu betreuen. „Ich gehe davon aus, dass noch mehr Ärzte gebraucht werden“, sagte Susanne Schwendtke, die Sprecherin des Unternehmens. Ein Grund dafür sei, dass Flüchtlinge nicht mehr sofort auf andere Bundesländer verteilt werden könnten und daher in Hamburg untersucht werden müssten.
Prof. Ingrid Moll, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Venerologie am UKE, rief derweil zu Gelassenheit im Umgang mit den jüngst bekannt gewordenen Erkrankungen auf. „Es kommt bei großen Menschenansammlungen immer wieder vor, dass Krankheiten wie die Krätze übertragen werden.“ Allerdings werde die Krankheit nicht „im Vorbeigehen“ übertragen. Man müsse schon die Kleidung eines betroffenen Menschen tragen.
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Ursache für derartige Erkrankungen seien unhygienische Bedingungen während der Flucht, sagte die Expertin. Viele Flüchtlinge hätten einen langen Weg unter schwierigsten Bedingungen hinter sich. Da sei es nicht ungewöhnlich, dass jetzt derartige Krankheiten auftreten würden. Bei Krätze bestehe allerdings keine Gefahr für Leib und Leben, sagte Moll. Die Gefahr, dass sich die Wunden durch Bakterien infizierten, sei gering. Kennzeichnend für die Erkrankung sei heftiger Juckreiz.
Gefährlich könnte es werden, wenn Durchfallerkrankungen auftreten
Die Medizinerin empfahl, dass bei der Eingangsuntersuchung der Flüchtlinge besonders auf Veränderungen der Haut an Händen, Füßen oder in der Nabelgegend geachtet werden sollte. Zudem sollte die Frage nach Juckreiz nicht fehlen. Bei der Unterbringung der Flüchtlinge sei besonderer Wert auf Hygiene zu legen. „Es empfiehlt sich, die Kleidung regelmäßig zu waschen.“ Gefährlich könnte es werden, wenn Durchfallerkrankungen auftreten würden, sagte Prof. Moll.
Die Zahl der Flüchtlinge, die in Hamburg eintreffen, hat sich in den vergangenen Wochen sprunghaft erhöht. Nach Angaben der Sozialbehörde stellten in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 12.536 Menschen in der zentralen Erstaufnahme einen Asylantrag. Hiervon blieben nach der bundesweiten Verteilung auf Basis des Königsteiner Schlüssels 6443 Menschen in Hamburg, von denen 5725 auf eine Unterbringung angewiesen waren. Damit seien bereits im ersten Halbjahr die Zahlen erreicht worden, die im gesamten Vorjahr verzeichnet wurden.