Harburg. Wie Politik und Bürger mit der steigenden Zahl der Flüchtlinge umgehen und wo die sieben Bezirke Unterkünfte planen. Heute: Harburg.

2515 Flüchtlinge leben im Bezirk Harburg in Erst- und Folgeunterkünften. Damit hat der Bezirk – nach Bergedorf – die höchste Zahl an Flüchtlingen pro Einwohner aufgenommen. Ein Flüchtling kommt mittlerweile auf nur 61 Harburger.

Zum Vergleich: Im Bezirk Eimsbüttel steht rechnerisch nur ein Flüchtling jeweils 178 Einwohnern gegenüber. Als besonderes Problem wird in Harburg nicht die Zahl der Flüchtlinge, sondern die Konzentration der Einrichtungen im Kernbereich des Bezirks gesehen, der bis 1937 eine eigene Stadt war und es strukturell noch heute ist.

Die meisten, die größten und die ältesten Unterkünfte Hamburgs liegen im oder unmittelbar am Stadtteil Harburg mit seinen 22.389 Einwohnern – einer von 17 Stadtteilen des Bezirks. Zudem hat in Harburg mit der „Transit“ auch das derzeit einzige Wohnschiff Hamburgs seinen Liegeplatz. 2092 Plätze für Flüchtlinge kommen so zusammen. Das entspricht einem Flüchtling pro 10,7 Einwohner.

Die Lokalpolitiker haben diese Ballung im Kern des Bezirks stets kritisiert. „Das ist ein Problem, das bei der Verteilung von Flüchtlingen in Hamburg kaum Beachtung fand“, sagt CDU-Kreischef Ralf-Dieter Fischer. Dabei ging es auch um die sozialen Strukturen. Von den mehr als 22.000 Einwohnern des Stadtteils Harburg haben 51 Prozent Migrationshintergrund. Bei den unter 18-Jährigen sind es mehr als 75 Prozent. 18,4 Prozent der Einwohner beziehen Hartz IV.

Das Wohnschiff „Transit“ im Harburger Binnenhafen biete Platz für 216 Menschen
Das Wohnschiff „Transit“ im Harburger Binnenhafen biete Platz für 216 Menschen © AndrŽ Zand-Vakili | AndrŽ Zand-Vakili

Das Durchschnittseinkommen liegt laut letzter Erhebung bei rund 19.200 Euro. Hamburgweit beträgt es 35.567 Euro – fast doppelt so viel. Harburg gehört damit zu den fünf der 104 Stadtteile mit dem geringsten Durchschnittseinkommen. Im Stadtteil Harburg liegt mit dem Phoenix-Viertel auch einer der größten sozialen Brennpunkte der Stadt. Hier lebt jeder dritte Einwohner und mehr als jedes zweite Kind von Hartz IV.

Die Einrichtung der Flüchtlingsunterkünfte war in Harburg von Fehlinformationen gekennzeichnet. Das gilt gerade für die umstrittenen Standorte auf dem Schwarzenberg und im Binnenhafen. Für den Schwarzenberg waren zunächst 300 bis 500 Plätze angekündigt worden, die bis zum Frühjahr 2015 gebraucht würden. Bereits kurz nach der Errichtung der Unterkunft waren es 600 Plätze, die auf mittlerweile mehr als 700 erweitert wurden.

Was im Bezirk Harburg gut klappt, ist die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe

Ein Abbau der Unterkunft, die auf dem zentralen Festplatz Harburgs nach Polizeirecht errichtet wurde, ist nicht in Sicht. Als Folge sind dort bereits mehrere Veranstaltungen, unter anderem auch eine größere Messe, abgesagt worden. Die Große Koalition aus SPD und CDU im Bezirk Harburg hat erst Ende Juni eine Resolution verfasst, die das Vorgehen der Fachbehörden deutlich kritisiert, weil die Bezirkspolitik übergangen und die Bürger nicht ordentlich informiert wurden.

Das Wohnschiff „Transit“ liegt an einem weiteren zentralen Platz in Harburg, dem Kanalplatz im Binnenhafen. Die Standort-Entscheidung hat dazu beigetragen, dass in diesem wichtigsten Gebiet für die Entwicklung des Bezirks geplante Investitionen platzten. Eine Abordnung der dortigen Wirtschaft hatte zuvor vergebens versucht, direkt beim Staatsrat der zuständigen Behörde einen anderen Platz im Binnenhafen Harburg – auch unter Beisteuerung finanzieller Unterstützung für das Wohnschiff – zu erreichen.

„Das Flüchtlingsschiff ist eine einzige Katastrophe“, sagt CDU-Mann Ralf-Dieter Fischer, der damit das Konzept und den Standort meint. 84 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter wird für diese Unterkunft gezahlt, in die Ende Februar die ersten Flüchtlinge einzogen und bis heute erst 182 der 216 Plätze belegt sind. Zudem sind entgegen der Ankündigung auch nicht nur Familien, sondern in erster Linie Alleinstehende, darunter auch zwei deutsche Frauen aus dem Obdachlosenmilieu, untergebracht. Fischer kritisiert außerdem: „Die Behörde braucht einfach Monate, um bei selbst unstrittigen Punkten wie am Sinstorfer Kirchweg, am Radeland oder am Aschenland Folgeeinrichtungen fertigzustellen.“

Was gut klappt, ist – gerade im Binnenhafen – die Flüchtlingshilfe. In dem wirtschaftlich starken Viertel hat sich eine Initiative gebildet, die gut organisiert ist und praktische Hilfe leistet – und sehr erfolgreich ist. So gibt es „Lotsen“, die bei Behördengängen helfen, eine Gruppe, die in der nahen Kaffeerösterei zusätzlichen Deutschunterricht anbietet, und Helfer, die sich darum kümmern, dass Flüchtlinge, trotz der schwierigen Bestimmungen, in Arbeit kommen. „Die Angebote werden von den Bewohnern der ,Transit‘ angenommen“, sagt Helfer Werner Pfeifer.

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