Hamburg. Hamburger erwirtschaften erstmals Verlust nach Steuern. Chef denkt über Verkauf von Tochtergesellschaften nach.

Es gab nicht allzu viele Dinge, auf die der Chef des Hamburger Otto-Konzerns, Hans-Otto Schrader, in den vergangenen Jahren stolz sein konnte. Konkurrenten wie Amazon mochten beim Umsatz längst an den Hanseaten vorbeigezogen sein, Emporkömmlinge wie Zalando rasend schnell wachsen, Start-ups besser auf Trends reagieren, doch beim Profit machte dem Barmbeker Weltkonzern kaum einer etwas vor. Rendite gehe vor imposante Wachstumsstorys, lautete ein oft wiederholtes Credo des Vorstandsvorsitzenden.

Insofern war es auch eine persönliche Niederlage, dass Schrader bei der Bilanzvorlage am Mittwoch erstmals in der Unternehmensgeschichte einen Verlust nach Steuern zu vermelden hatte. Für das Ende Februar abgelaufene Geschäftsjahr 2014/2015 weist die Otto Group einen Fehlbetrag von 196 Millionen Euro aus. Im Vorjahr hatte noch ein Gewinn von 194 Millionen Euro zu Buche gestanden. Vor Steuern (EBT) lag das Minus immer noch bei 125 Millionen Euro. „Das ist auch für mich persönlich ein schmerzhaftes Erlebnis“, räumte Schrader unumwunden ein. Mit dem vorlegten Ergebnis könne man nicht zufrieden sein.

Die Gründe für die schwierige Lage bei Otto sind hinlänglich bekannt: Da ist zum einen die desolate Entwicklung im einstigen Wachstumsmarkt Russland. Aufgrund der Ukraine-Krise und den darauf folgenden Sanktionen ist das Land in eine Rezession gestürzt, der Rubelkurs ist massiv eingebrochen. Weil der Otto-Konzern seine Waren in Dollar und Euro einkauft, in Russland aber für Rubel verkauft, haben die Währungsturbulenzen die Hamburger hart getroffen. 400 Millionen Euro erwirtschaftete der Konzern hier – fast ein Viertel weniger als im Jahr zuvor.

Die zweite Problemgesellschaft ist die französische Tochter 3SI. Nach jahrelangem Dahindümpeln haben die Hamburger hier zwar das Ruder in die Hand genommen, vom klassischen Versandhandel komplett auf das Online-Geschäft umgestellt und viel Geld in eine neue IT gesteckt. Doch der Umbau führte erst einmal zu Umsatzrückgängen: fast zwölf Prozent minus im abgelaufenen Geschäftsjahr.

Bislang wenig überzeugend agiert der Konzern auch in den USA. Die dortige Tochter Crate and Barrel war ein trendiges Einrichtungshaus, hat aber viele Kunden durch eine falsche Sortimentspolitik vergrault. Veränderungen im Vorstand sind eingeleitet, Erfolge beim Umbau aber allenfalls in Ansätzen zu erkennen.

Etwas überraschend sind die vielen Baustellen in Deutschland, mit denen der Otto-Konzern zu kämpfen hat. So ist bei der Handelskette SportScheck die Umstellung auf ein neues IT-System, die eigentlich zu einer besseren Verzahnung von Läden und Onlinehandel führen sollte, gründlich schief gegangen. IT-Probleme gab es auch bei einem weiteren Tochterunternehmen, dem Spielzeughändler myToys. In beiden Fällen kam es zu empfindlichen Gewinnrückgängen oder Verlusten.

In dieser schwierigen Lage stellt der Konzernchef nun erstmals alle 123 größeren Tochterunternehmen auf den Prüfstand. Man werde die mittelfristige Zukunftsperspektive der Gesellschaften untersuchen und sich bei einer negativen Prognose auch von einigen trennen, kündigte Schrader an. Denkbar sei sowohl ein Komplettverkauf als auch die Suche nach Partnern. Die Problemtöchter 3SI, myToys und SportScheck bezog Schrader in diese Überlegungen mit ein, betonte aber auch, dass eine Umstrukturierung zunächst Vorrang habe.

Für das Frankreich-Geschäft deutete er an, dass die erneuerte IT bei 3SI für einen potenziellen Käufer interessant sein könnte. In Russland will der Konzern zunächst weiter aktiv bleiben, auch wenn eine Rückkehr in die Gewinnzone im laufenden Jahr laut Schrader noch nicht möglich ist.

Wenig Handlungsbedarf sieht der Konzernchef derzeit bei der Kerngesellschaft Otto. Der vor allem auf Mode spezialisierte Onlinehändler sei eine der Erfolgsgesellschaften der Gruppe. Trotz eines rückläufigen Textilmarkts habe die Gesellschaft beim Umsatz um 2,9 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro zulegen können. Auch die Marken Bonprix, Baur und Witt hätten sich gut entwickelt.

Ungeachtet der roten Zahlen will Schrader die Investitionen im laufenden Geschäftsjahr hoch halten. „Wir werden erneut dreistellige Millionenbeträge in unsere IT, Logistik sowie den Aufbau neuer Geschäftsmodelle investieren, um die Zukunftsfähigkeit der Otto Group langfristig zu sichern“, kündigte Schrader an.

Hatte der Vorstandschef im vergangenen Jahr noch eine Prognose verweigert, so legte er sich am Mittwoch sehr konkret fest: „Die Otto Group wird im laufenden Geschäftsjahr ein Umsatzplus von drei Prozent erwirtschaften und eine Rückkehr in die Gewinnzone schaffen.“

Vom Erreichen dieses selbst gesetzten Ziels dürfte nicht zuletzt die Zukunft Schraders als Vorstandschef abhängen. Angesprochen auf eine mögliche Verlängerung seines Vertrags im kommenden Jahr, erklärte der 58-Jährige: „Sollte ein solches Angebot vom Aufsichtsrat kommen, würde ich es gern annehmen. Zuvor aber muss ich selbst erst einmal liefern.“ Der Vertrag von Schraders Stellvertreter Rainer Hillebrand wird definitiv um weitere drei Jahre bis 2019 verlängert.

Der langjährige Finanzvorstand Jürgen Schulte-Laggenbeck verabschiedet sich hingegen aus dem Konzern, um zu einem Shoppingcenter- und Hotelbetreiber in Dubai zu wechseln. Die Aussichten dort dürften etwas sonniger als in Hamburg sein.