Hamburg. Hamburger Logistikdienstleister bringt Lösung für Einfamilienhäuser auf den Markt. Konkurrent DHL ist allerdings schon weiter.
Mit Paketkästen für Ein- und Zweifamilienhäuser will der Hamburger Logistikdienstleister Hermes dafür sorgen, dass Kunden nie mehr die Ankunft einer Sendung verpassen. Noch in diesem Monat werde ein Pilotversuch in der Hansestadt anlaufen, kündigte Unternehmenssprecher Martin Frommhold gegenüber dem Abendblatt an. Die bundesweite Markteinführung des neuen Service sei dann für das vierte Quartal dieses Jahres geplant.
Für die Initiative hat sich die Otto-Tochtergesellschaft Hermes mit den Konkurrenten DPD, GLS und UPS zusammengetan, die ihre Päckchen ebenfalls in die neuen Kästen liefern wollen und im Mai jeweils eigene Pilotversuche in anderen Regionen Deutschlands starten. Preislich soll das neue Angebot unter dem der Deutschen Post DHL liegen. Dort kostet die Basisvariante eines Paketkastens derzeit entweder einmalig 99 Euro oder 1,99 Euro Miete pro Monat.
Ursprünglich war unter den Logistikfirmen über eine branchenübergreifende Lösung für die Paketkästen diskutiert worden. Doch im vergangenen Jahr preschte DHL vor und installierte die ersten eigenen Paketkästen vor Einfamilienhäusern. Im April hat DHL zudem damit angefangen, entsprechende Lösungen auch für Mehrfamilienhäuser anzubieten, sodass auch Mieter von dem Angebot profitieren können.
Darüber hinaus arbeitet die Deutsche Post zusammen mit Amazon und Audi gerade daran, sogar den Kofferraum von Autos für die Lieferung von Paketen zu nutzen. Zusteller erhalten dabei per Smartphone-App Informationen über den Standort des Fahrzeugs und können so auch zeitweilig den Kofferraum öffnen. Der Pilotversuch im Großraum München soll vor allem Pendler ansprechen.
Vor dem Hintergrund solcher Innovationen muss sich die Otto-Tochtergesellschaft Hermes mächtig anstrengen, um im Wettbewerb mit der Konkurrenz nicht ins Hintertreffen zu geraten. „Wir haben 2015 viel vor“, sagte Hanjo Schneider, Vorstand der Otto Group für das Segment Service und Aufsichtsrat von Hermes Europe. Dazu gehörten nicht nur die Einführung neuer Dienste im Paketbereich, sondern auch Online-Lösungen für den Einkauf weltweit und der Aufbau von Start-ups wie „Send & Store“ – ein Service, über den Kunden ihren überflüssigen Hausrat abholen und auch gleich einlagern lassen können.
300 Millionen Euro an Investitionenin die Hermes-Infrastruktur
„Wir investieren massiv insbesondere in Deutschland in unsere logistische und technische Infrastruktur“, sagte Schneider. Bis 2019 seien Investitionen von rund 300 Millionen Euro geplant, um verstärkt kleine und mittlere Distanzhändler als Kunden zu gewinnen. Für weitere 90 Millionen Euro entstehe derzeit in Löhne (Nordrhein-Westfalen) ein 100.000 Quadratmeter großes Warenverteilzentrum. Auch international will das Unternehmen weiter wachsen. So wurde unter anderem die Präsenz in China ausgebaut, um die steigende Nachfrage nach internationalen Transporten von und nach Asien besser bedienen zu können.
Der E-Commerce-Boom halte nicht nur an, sondern stehe erst am Anfang seiner Entwicklung, betonte Schneider. Allerdings bleibe es für die Branche in Deutschland schwierig, faire Preise für die Paketzustellung zu erhalten. „Es fehlt pro Sendung bis zu einem Euro, um auskömmliche Renditen zu erwirtschaften.“
Insgesamt konnte Hermes im vergangenen Jahr den Umsatz um gut sieben Prozent auf 2,23 Milliarden Euro steigern. Im europäischen Paketgeschäft erwirtschaftete die Otto-Tochtergesellschaft rund 70 Prozent der Umsätze außerhalb des Mutterkonzerns. Die Zahl der Mitarbeiter erhöhte sich um 656 auf 12.470, davon 9000 in Deutschland.
Enttäuschende Entwicklung im einstigen Wachstumsmarkt Russland
In Europa bewegte Hermes 530 Millionen Sendungen, darunter allein vier Millionen Möbel und Elektrogroßgeräte. Besonders gut lief das Geschäft in der E-Commerce-Hochburg Großbritannien, während die Zahlen im einstigen Wachstumsmarkt Russland deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben.
Hintergrund sind die EU-Sanktionen im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise und die damit verbundenen Währungsturbulenzen. Trotz der schwierigen Lage werde man aber „bis auf Weiteres“ an dem Engagement in Russland festhalten, sagte Schneider. „Wir denken bei Hermes generell mittel- bis langfristig, müssen auch keine Rücksicht auf Börsenkurse nehmen.“
Das schwache Russlandgeschäft hat auch dem Otto-Konzern insgesamt das Geschäft im vergangenen Jahr verhagelt. Der Umsatz der Gruppe stagnierte nahezu, der Vorsteuergewinn ist empfindlich zurückgegangen. Erstmals in der Geschichte des Konzerns könnte sogar ein Verlust angefallen sein.
Zu der Gewinnsituation bei Hermes wollte sich die Tochtergesellschaft am Montag mit Blick auf die noch ausstehende Bilanzvorlage des Gesamtkonzerns nicht äußern. Nach Abendblatt-Informationen sollen die Erträge aber weitgehend stabil geblieben sein.