Hamburg. Der Konzern-Umsatz in Russland bricht um 25 Prozent auf 412 Millionen Euro ein, auch deutsche Töchter wie SportScheck sind defizitär.
Hans-Otto Schrader hatte es kommen sehen. Als der Vorstandschef des Hamburger Otto-Konzerns im Mai vergangenen Jahres um eine Prognose für die laufenden Geschäfte gebeten wurde, da hielt er sich auffallend zurück. Zu unsicher waren ihm die Aussichten in Russland angesichts des Konflikts mit der Ukraine und den damit verbundenen Währungsturbulenzen. Zu unsicher waren aber auch die Aussichten für das generelle Konsumklima in Europa.
Tatsächlich hat die Krise in dem einstigen Wachstumsmarkt Russland dem Versand- und Onlinehändler deutlich mehr zugesetzt als ursprünglich erwartet. Um 25 Prozent auf nur noch 412 Millionen Euro ist der Umsatz hier im Ende Februar abgelaufenen Geschäftsjahr 2014/15 eingebrochen, wie der Konzern am Donnerstag bekannt gab. Ohne den Rubel-Verfall hätte das Minus bei vier Prozent gelegen.
Die Turbulenzen in Osteuropa sind auch einer der Gründe dafür, dass der weltweit zweitgrößte Onlinehändler hinter Amazon im vergangenen Jahr nur noch marginal um 0,5 Prozent auf 12,057 Milliarden Euro gewachsen ist. Das Geschäft in Deutschland entwickelte sich mit einem Zuwachs von 1,1 Prozent auf 7,139 Milliarden Euro zwar etwas besser, doch auch hier konnte sich die Gruppe als größter Textileinzelhändler kaum vom insgesamt rückläufigen Modemarkt abkoppeln. „Auch wenn wir uns in Deutschland und im Internetgeschäft solide entwickelt haben, sind wir mit dem Ergebnis des zurückliegenden Geschäftsjahres nicht zufrieden“, erklärte Schrader.
Zur Gewinnsituation machte Schrader mit dem Verweis auf die offizielle Bilanzvorlage im Mai zwar keine Angaben. Nach Informationen des Abendblatts ist der Konzern aber meilenweit von dem Vorsteuergewinn (EBT) von 224 Millionen Euro entfernt, der noch im Geschäftsjahr 2013/14 erzielt wurde. Erstmals in der Konzerngeschichte könnte sogar ein Verlust angefallen sein, wie aus Unternehmenskreisen verlautete. Otto-intern wird gerade fieberhaft gerechnet und um eine „schwarze Null“ gerungen. Im Herbst vergangenen Jahres hatte man noch mit einer Halbierung des Vorsteuergewinns gerechnet.
Trend zum Onlinehandel verschlafen
Neben Russland belasteten vor allem die laufenden Umbauarbeiten in Frankreich die Bilanz des Otto-Konzerns. Die dortige Tochtergesellschaft 3SI hat über Jahre hinweg den Trend zum Onlinehandel verschlafen und muss nun aufwendig saniert werden. Hier gingen die Erlöse um 11,8 Prozent auf 851 Millionen Euro zurück, auch dieses Geschäft ist defizitär.
Die Kernmarke Otto, die als Versand- und Onlinehändler vor allem in Deutschland aktiv ist, steht vor diesem Hintergrund noch vergleichsweise gut da. Hier wuchs der Umsatz um 2,9 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro, wie der Konzern bereits in der vergangenen Woche bekannt gegeben hatte. Während der Handel mit Möbeln und Unterhaltungselektronik florierte, blieb der Verkauf von Mode hinter den Erwartungen zurück. Zumindest aber ist der Bereich profitabel.
Deutlich schlechter sieht es bei anderen Konzerntöchtern aus, die vor allem in Deutschland operieren. So musste die Sportfachhandelskette SportScheck schon im zweiten Jahr in Folge einen Umsatzverlust hinnehmen, um 7,2 Prozent auf 296 Millionen Euro gingen die Erlöse im Geschäftsjahr 2014/15 zurück. Zum einen konnte sich die defizitäre Kette nicht dem gewachsenen Wettbewerbsdruck in der Branche erwehren, zum anderen belasteten Großprojekte im IT- und Logistikbereich das Geschäft. Selbst ein neu eröffneter Flagshipstore in München konnte den Umsatztrend nicht drehen.
Rote Zahlen schreibt auch das Spielzeug- und Kindermodeportal Mytoys, das Otto zuvor stets als Hoffnungsträger und Vorzeigeunternehmen dargestellt hatte. Zwar konnte das Multishopkonzept den Umsatz um fast elf Prozent steigern, erkaufte sich den Zuwachs aber offenbar mit deutlichen Verlusten.
Investitionen weiterhin auf hohem Niveau
Schlecht liefen die Geschäfte zudem beim kleineren Versender Schwab, der nicht nur in Deutschland, sondern auch in Russland und in der Ukraine aktiv ist und deshalb besonders unter der aktuellen Krise zu leiden hat. Die Erlöse der Schwab-Gruppe sanken um neun Prozent auf 232 Millionen Euro.
Trotz der flauen Geschäftslage hält die Otto Group die Investitionen auf einem hohen Niveau. Dreistellige Millionenbeträge fließen in neue Geschäftsmodelle, Informationstechnik, Logistik und die Anpassung an den digitalen Wandel. „Das sind Zukunftsinvestitionen, an denen wir festhalten, auch wenn sie das Ergebnis in diesem Jahr empfindlich geschmälert haben“, sagte Schrader. Ein Abbau von Arbeitsplätzen ist im Augenblick nicht geplant, im Gegenteil. Wie berichtet sollen in der Kerngesellschaft Otto in diesem Jahr bis zu 200 neue Stellen geschaffen werden, gesucht sind vor allem IT-Fachkräfte. Konzernweit ist die Zahl der Mitarbeiter im vergangenen Jahr leicht um 221 auf 54.037 zurückgegangen. In Deutschland stieg die Zahl von 25.973 auf 26.531, in Hamburg waren 8605 Menschen beschäftigt – 105 mehr als im Vorjahr.