Hamburg. Inklusive des Versandgeschäfts wuchs die Branche nur noch um zwei Prozent. Der Verkauf von Büchern und CDs sogar rückläufig.

Jahrelang kannte der Onlinehandel in Deutschland nur eine Richtung: steil aufwärts. Große Konzerne wie Amazon oder Zalando setzten kleinen Läden mit ihren Angeboten zu, aggressive E-Commerce-Unternehmer wie Rocket Internet-Gründer Oliver Samwer riefen gar schon das Ende der klassischen Einkaufsmeilen in den Innenstädten aus. Zweistellige Zuwachsraten waren die Regel.

Doch nun hat sich das Wachstum der Branche offenbar merklich abgeschwächt. Wie aus einer aktuellen Studie des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh) hervorgeht, ist der Onlinehandel mit realen Gütern im vergangenen Jahr nur noch um vergleichsweise bescheidene sieben Prozent auf 41,9 Milliarden Euro gestiegen. Rechnet man das klassische Versandgeschäft hinzu, lag der Zuwachs gerade mal bei zwei Prozent. Erstmals konnten die Internet- und Versandhändler somit keinen Boden mehr gegenüber dem übrigen Einzelhandel gut machen, ihr Marktanteil stagnierte bei etwa elf Prozent.

Im Vorjahr hatte der Onlinehandel in Deutschland noch um mehr als 40 Prozent zulegen können, die Verantwortlichen im bevh hatten daher für 2014 eigentlich mit einem Umsatzplus von rund 25 Prozent gerechnet. „Es zeigt sich, dass unsere Prognose zu euphorisch war“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Christoph Wenk-Fischer, bei der Vorstellung der Zahlen in Hamburg. „Die Entwicklung im vergangenen Jahr hat uns überrascht“, räumte er ein.

Einen Teil der Wachstumsschwäche erklärte Wenk-Fischer mit einer „Delle im Konsumklima“ in der Mitte des vergangenen Jahres, während der die Kauflaune der Bundesbürger merklich nachgelassen habe. Erst zum Weihnachtsgeschäft hin habe man wieder gute Geschäfte machen können.

Verbandspräsident Gero Furchheim nannte auch den immensen Preisdruck im Internet als einen Grund für die nachlassende Dynamik. Insbesondere kleinere Firmen hätten unter der hohen Vergleichbarkeit der Preise zu leiden und könnten sich nur schwer mit anderen Mitteln gegenüber der Konkurrenz absetzen.

Grafik zur Entwicklung im Versand und Internethandel

Als besonders schwierig erwies sich der Verkauf von Büchern und klassischen Bild- und Tonträgern wie CDs, DVDs oder Blu-Rays über das Internet. In beiden Warengruppen waren die Erlöse erstmals seit Erhebung der Daten rückläufig. Bei CDs und DVDs zeige sich die zunehmende Bedeutung von Streamingdiensten und Downloads, erklärte Hauptgeschäftsführer Wenk-Fischer. Der starke Rückgang bei Büchern sei zum Teil durch die wachsende Beliebtheit von E-Books zu erklären. Allerdings kann dies allein nicht den Verlust von mehr als einer Milliarde Euro an Umsatz erklären, der laut bevh in dieser Warengruppe angefallen ist. Eine abschließende Erklärung konnte der Hauptgeschäftsführer für das Phänomen nicht liefern.

Am wichtigsten bleibt für die Branche das Geschäft mit Bekleidung im Internet, das trotz der Wetterturbulenzen des vergangenen Jahres noch zulegen konnte. Weiter stark wachsend ist auch der Onlinehandel mit Unterhaltungselektronik, hier dürfte sich der Einstieg von MediaMarkt und Saturn ins Internetgeschäft bemerkbar gemacht haben.

Deutlich im Aufwind befindet sich darüber hinaus der Onlinehandel mit Möbeln und Dekoartikeln. Der Hamburger Otto-Konzern hatte erst jüngst erklärt, dieses Segment kräftig ausbauen zu wollen, auch Ikea plant weitere Schritte. Zudem sind aggressive Anbieter wie Home24 im Internetgeschäft mit Möbeln aktiv, die von der Startup-Schmiede Rocket Internet mit finanziellen Mitteln für die weitere Expansion versorgt werden.

Angesichts des intakten Wachstums in solchen Bereichen ist der Branchenverband für 2015 denn auch verhalten optimistisch und rechnet für den Versandhandel- und Onlinehandel insgesamt mit einem Zuwachs von fünf Prozent. Der E-Commerce allein soll nach Einschätzung Wenk-Fischers sogar wieder zweistellig wachsen. Eine große Dynamik sieht er nach wie vor beim Handel über mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets, über die mittlerweile 17 Prozent aller Einkäufe im Versand- und Onlinehandel getätigt werden.

Nach wie vor hoffen viele Händler auch darauf, soziale Netzwerke wie Facebook oder den Kurznachrichtendienst Twitter für den Verkauf ihrer Waren nutzen zu können. Diese Hoffnung hat sich bislang allerdings nur bedingt erfüllt, die Plattformen taugen allenfalls, um auf Produkte aufmerksam zu machen, große Bewegung war im vergangenen Jahr in diesem Bereich nicht erkennbar.

Manch ein Onlinehändler entdeckt sogar den einst verlachten stationären Handel als Wachstumfeld und eröffnet eigene Läden. „Das Fühlen und Schmecken ist für die Kunden wichtig, Läden sind keineswegs altmodisch“, sagt Verbandspräsident Furchheim. Neue Töne aus einer Branche, die sich bisher ganz in der virtuellen Welt bewegte.