Hamburg. Ver.di signalisiert Unterbrechung des Ausstands – Streit zwischen Trägern und Behörde. Eltern reagieren immer gereizter.
Der Kita-Streik, der Hamburgs Eltern seit vergangenen Freitag auf Trab hält, wird mit unverminderter Härte fortgesetzt. Wie Verhandlungsführerin Hilke Stein von Ver.di Hamburg dem Abendblatt sagte, hatten sich gestern und vorgestern rund 150 Kitas am Streik beteiligt. 50 bis 60 davon waren ganz geschlossen, während die anderen ein Notfallprogramm anboten. Am Freitag, dem ersten Tag des unbefristeten Streiks waren noch 70 Kitas geschlossen. Und während sich damals fast 3000 Kitabeschäftigte am Streik beteiligt hatten, waren es in den vergangenen beiden Tagen laut Stein knapp 2000.
Ein Abflauen der Streikbereitschaft gebe es laut Stein aber nicht. Nach ihrer Einschätzung hängt der Rückgang der Zahlen mit dem Beginn der Ferien zusammen. „Etliche beschäftigte hatten schon angekündigt, dass sie nach den ersten Streiktagen in den Urlaub fahren wollen“, so Stein. Wie berichtet, verlangen die Gewerkschaften für die Beschäftigten im Schnitt zehn Prozent mehr Gehalt. Nach fünf erfolglosen Runden hatten die Gewerkschaften die Verhandlungen für gescheitert erklärt und bundesweit unbefristete Streiks gestartet. Ver.di hat angekündigt, den Streik mindestens bis Pfingsten fortsetzen zu wollen.
Zeitweise sah es gestern so aus, als gebe es für die Betroffenen bereits Licht am Ende des Tunnels. Denn ein Sprecher des Ver.di-Bundesverbandes hatte in Aussicht gestellt, den Streik in Kindertagesstätten, Schulhorten und anderen Erziehungseinrichtungen auszusetzen. Allerdings nur, wenn die Kommunalen Arbeitgeber „ein echtes Angebot machen“. Laut Ver.di gebe es von deren Seite aber weiterhin nur „unverbindliche Vorschläge“. Ver.di Hamburg werde laut Hilke Stein von der Streikleitung informiert, wenn sich bei den Verhandlungen eine positive Entwicklung abzeichnet. Das sei aktuell aber nicht der Fall.
Inzwischen ist auch bei Ver.di deutlich, dass viele der vom Streik betroffenen Eltern immer gereizter auf die Situation reagieren – und dass bei einigen die Solidarität mit den Kitabeschäftigten nachlässt. Hilke Stein: „Wir erleben beide Seiten, Unterstützung, aber auch Verärgerung. Uns geht es nicht darum, Eltern in Geiselhaft zu nehmen, sondern bessere Bedingungen für die Beschäftigten auszuhandeln.“
Unterdessen ist zwischen der federführenden Sozialbehörde und einigen Trägern einen handfester Streit über den korrekten Umgang mit Lohnzahlungen für streikende Kitabeschäftigte ausgebrochen. Wie berichtet, hat die Sozialbehörde angekündigt, nur solche Leistungen zu vergüten, die auch tatsächlich erbracht wurden und die „streikbedingte Ersparnis“ – also die zuviel gezahlten Löhne – zurückzufordern. Vertreter der Rudolf-Ballin-Stiftung, die Träger von 15 Kitas und neun GBS (Ganztägige Betreuung an Schulen) ist, reagierten mit Unverständnis. Jens Stappenbeck, Geschäftsführer der zuständigen Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, weist das Ansinnen der Behörde als „überzogen und unrealistisch“ zurück. „Die Träger unternehmen momentan alles, um die Versorgung in den Kitas am Laufen zu halten“, sagt er, „diese Maßnahmen treffen nun eindeutig die Falschen. Laut Stappenbeck sei das Vorgehen der Behörde in seiner Pauschalität rechtlich auch gar nicht durchsetzbar. So stehe bereits im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unter Paragraf 616, dass ein Dienstleister eine Vergütung nicht verlieren könne, wenn er „ohne sein Verschulden“ an der Dienstleistung verhindert werde. Zudem stehe im Kita-Landesrahmenvertrag (LRV) ausdrücklich, dass Kürzungen infolge höherer Gewalt unangemessen seien. Und: Sollte eine Leistungskürzung im Raum stehen, müsse es laut LRV ein „bindendes Schlichtungsverfahren“ geben. Hier wäre dann jeder Einzelfall zu klären. Stappenbeck: „Das Verhalten von Senator Scheele ist mir völlig unverständlich.“ Und der Geschäftsführer der Rudolf-Ballin-Stiftung, Harald Clemens, sagt: „Zu befürchten ist, dass das Ganze wie das Hornberger Schießen ausgeht.“
Bei der Erstattung der Elternbeiträge herrscht bei den Trägern keine einheitliche Linie. Während einige Träger die Beiträge wegen des Streik zurück zahlen wollen und andere das Ganze juristisch prüfen lassen, lehnt die Rudolf-Ballin-Stiftung das zum jetzigen Zeitpunkt ab. In einem Schreiben an Angelika Bock vom Landeselternausschuss Kindertagesbetreuung (LEA) stellt Harald Clemens klar: „Da wir in allen Einrichtungen bisher die notwendigen Betreuungsleistungen erbracht haben, wurden bzw. werden keine Elternbeiträge zurückerstattet.“