Michael Vesper, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes, über die Gründe der Entscheidung für Hamburg.

Beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) haben nach der einmütigen Empfehlung des Präsdiums an die Mitgliederversammlung am Sonnabend (11 bis 14 Uhr) in der Frankfurter Paulskirche, sich mit Hamburg für die Olympischen und Paralympischen Sommerspiele 2024 und 2028 zu bewerben, die Vorbereitungen auf die internationale Kampagne begonnen. Das Abendblatt sprach am DOSB-Sitz in Neu-Isenburg mit dem Vorstandsvorsitzenden Michael Vesper über das anstehende Referendum und den Wunsch des Sportbundes, dass Hamburg sich künftig um mehr internationale Großveranstaltungen bewerben soll.

Hamburger Abendblatt: Herr Dr. Vesper, konnten Sie nach der Entscheidung für Hamburg gut schlafen?
Michael Vesper: Nur kurz, aber sehr gut.

Was hat am Ende den Ausschlag für Hamburg gegeben?
Vesper: Wir haben das Gefühl, Olympische und Paralympische Spiele sind in Hamburg sehr willkommen. Das war vielleicht der entscheidende Punkt. Auch die stabile politische Lage Hamburgs spielte eine Rolle. Es war ein kluger Schachzug, dass die Hamburger Grünen-Chefin Katharina Fegebank Teil der Hamburger Delegation war und mit Senator Michael Neumann zur Präsentation nach Frankfurt gekommen ist. Berlin hatte ebenfalls ein hervorragendes Konzept und bis zum Schluss großes Engagement gezeigt, da haben sich beide Seiten kaum unterschieden. Auch die Hauptstadt wäre ein würdiger Olympiabewerber gewesen. Letztlich mussten wir eine Stadt auswählen.

Die, die Olympia mehr wollte?
Vesper: Hamburg schien uns hungriger auf etwas Neues zu sein. Die Stadt hat eine Vision entworfen mit einem neuen, hochattraktiven Stadtteil mitten im Hafen, für dessen Entstehung Olympische und Paralympische Spiele zum Katalysator werden sollen. Das entspricht genau den Vorstellungen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die im Dezember in der Reformagenda 2020 formuliert wurden. Die Spiele sollen zur Ausrichterstadt passen, ihr helfen, sich zu entwickeln.

Zuletzt war wiederholt Kritik an Ihrem Auswahlverfahren zu hören. Ihnen wurde vor allem mangelnde Transparenz vorgeworfen. Die Grünen haben deshalb nicht am Montag in Frankfurt an der Expertenrunde teilgenommen.
Vesper: Wer uns fehlende Transparenz und fehlenden Dialog vorwirft und dann zu einem Treffen, zu dem wir Vertreter vieler gesellschaftlicher Bereiche genau zu diesem Zweck eingeladen haben, nicht erscheint, der widerspricht sich doch selbst.

Aber waren Ihre Entscheidungskriterien wirklich so klar, wie Sie behaupten?
Vesper: Wir haben jedes Kriterium, jedes Unterkriterium klar definiert und die Antworten der beiden Städte mit unseren Experten auswertet. Die Ergebnisse haben wir Anfang März veröffentlicht. Die Entscheidung über den deutschen Olympiabewerber war keine Mathematikaufgabe, die man nach einem bestimmten Punkteschlüssel ausrechnen könnte. Jedes Präsidiumsmitglied, jeder Verbandsvertreter hat seinen persönlich geprägten, auch kulturellen und fachlichen Blickwinkel. Und das ist gut so. Ich halte unsere gesamte Vorgehensweise auch im Rückblick für das richtige Verfahren.

Was erwarten Sie jetzt von Hamburg?
Vesper: Dass die Stadt genauso ehrgeizig bleibt wie bisher und weiter genau diese hanseatische Mischung aus Bescheidenheit und Selbstbewusstsein zeigt.

Erwarten Sie von Hamburg auch, dass die Stadt verstärkt Geld ausgibt, um internationale Meisterschaften auszurichten. In der Vergangenheit hat Hamburg gefühlt mehr Titelkämpfe zurückgegeben als ausgetragen.
Vesper: Ein Manko von Hamburg ist, dass hier bislang wenige internationale Großveranstaltungen stattgefunden haben. Dieser Eindruck muss in den nächsten zwei Jahren verändert werden. Eines der Entscheidungskriterien der IOC-Mitglieder wird sein: Fühlt sich der internationale Sport in dieser Stadt zu Hause?

Bis zum Sommer 2017 wird in Hamburg keine EM oder WM mehr stattfinden können, weil für diesen Zeitraum diese Veranstaltungen längst vergeben sind.
Vesper: Hamburg wird nicht in zwei Jahren zur Welthauptstadt des Sports, aber es muss den Weg zu einer Sportmetropole in Angriff nehmen. Die Bewerbung um die Ruder-WM 2019 ist ein erster Schritt. Jetzt muss man sehen, welche Meisterschaften noch infrage kämen. Die Stadt weiß, dass hier ein Paradigmenwechsel nötig wird.

Wie schwer wird es bei diesen Defiziten, Hamburg im IOC zu kommunizieren?
Vesper: Hamburg ist in der Welt bekannt, aber noch nicht weltberühmt. Man muss Hamburg also erklären. Und das wird uns gelingen, weil diese Stadt sehr viel zu bieten hat. Wir sehen das Ganze aber ohnehin als deutsche Bewerbung. Hamburg trägt die Fahne, und Deutschland versammelt sich dahinter. Nur so können wir Erfolg haben.

Zunächst müssen Sie Olympia den Hamburgern erklären. Wann muss aus Sicht des DOSB das geplante Referendum über die Hamburger Bewerbung stattfinden?
Vesper: Das werden wir in der nächsten Woche mit der Stadt besprechen. Die Aufgabe wird sein, einerseits der Bevölkerung möglichst viele Informationen vorab zu geben, andererseits aber so wenig wie möglich zu präjudizieren.

Bis zum 15. September muss Hamburg beim IOC sein Interesse zur Austragung der Sommerspiele 2024 bekunden. Wäre danach noch eine Volksabstimmung denkbar?
Vesper: Ich halte einen Termin im Herbst für richtig. Dann sind weite Teile der Bewerbungsunterlagen, des Bid Books, fertig, die Kosten geschätzt und der sogenannte Host-City-Vertrag mit dem IOC veröffentlicht.

Mit dem Eintritt in das Bewerbungsverfahren wird am 15. September ein sechsstelliger Betrag als Bearbeitungsgebühr an das IOC fällig, zuletzt waren es 150.000 US-Dollar. Das Geld wäre bei einem negativen Ausgang des Referendums verloren.
Vesper: Wir sind zuversichtlich, dass die Hamburger die Spiele mehrheitlich wollen. Im Übrigen ist der DOSB auf keinen Zeitpunkt festgelegt, von uns aus könnte auch später abgestimmt werden.

Wann würde denn der Bürger Vesper am liebsten abstimmen?
Vesper: Wenn er sich gut informiert fühlt, und das kann in diesem November der Fall sein. Im Interesse der Bewerbung ist zu bedenken: Wir müssen im nächsten halben Jahr das Konzept weiterentwickeln, unzählige Formalien einholen wie zum Beispiel Garantieerklärungen des Bundes. Und gleichzeitig müssen wir jeden Tag überlegen, wie wir die Bevölkerung mitnehmen können. Daher spricht schon einiges dafür, das Referendum so früh wie möglich abzuhalten.

Haben Sie als ehemaliger führender Grünen-Politiker keine Bedenken, Olympische Spiele nach Deutschland zu holen?
Vesper: Nein, im Gegenteil. Ökologisch sind Sommerspiele weit weniger umstritten als Winterspiele. In Hamburg würde eine bislang versiegelte Fläche zum Teil begrünt. Und es würden mit dem neuen Stadtteil in einer begehrten Lage neue Wohnungen entstehen, ein Drittel davon Sozialwohnungen. Olympia wird die Stadt nicht spalten, sondern einen. Ich gehe davon aus, dass die Hamburger Grünen als Regierungspartei das Projekt unterstützen werden. Auch die Bundespartei wird sich meiner Überzeugung nach nicht gegen eine Bewerbung aussprechen.

An welchen Punkten wäre das Hamburger Konzept noch zu verbessern?
Vesper: Auch das werden wir nächste Woche mit der Stadt besprechen. Sicherlich ist das Transport- und das Unterbringungskonzept noch zu optimieren. Auch die Anordnung der Module Olympiastadion, Schwimm- und Olympiahalle und olympisches Dorf auf dem Kleinen Grasbrook müssen überprüft werden, was in dieser Phase völlig normal ist. Das sind alles lösbare Aufgaben. Mit beiden Städten haben wir bewusst Wert darauf gelegt, dass vor einer endgültigen Entscheidung über die Bewerbung nicht zu viel Geld ausgegeben wird. Deshalb können Sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht verlangen, dass alles bis ins Detail geplant ist. Das hätte deutlich mehr Kosten verursacht und wahrscheinlich Kritik ausgelöst.