Hamburg. Dirk Seifert, Sprecher von (N)Olympia, rechnet mit großem Zulauf für seine Bewegung. Kritik an Kosten und zu geringer Transparenz.

Kritische Töne zur Hamburger Olympia-Bewerbung waren in den vergangenen Wochen eher leise zu vernehmen. Die Linke positionierte sich zwar als einzige Partei der Bürgerschaft klar dagegen, Umweltverbände fragten nach, doch lautstarker Protest blieb aus. Bisher. „Die kritischen Geister der Stadt erwachen erst jetzt so richtig“, sagt Dirk Seifert, Politikwissenschaftler, Umweltaktivist und Kopf eines olympiakritischen Netzwerks in Hamburg. (N)Olympia, so nennt sich die Bewegung, die auch in Berlin aktiv war. Möglicherweise sogar aktiver als in Hamburg. „Viele hier haben nicht geglaubt, dass Hamburg den Zuschlag bekommt, die wachen nun erst richtig auf“, sagt Seifert. Die Situation würde sich aktuell aber ändern. „Auf Facebook rührt sich viel, wir bekommen mehr Mails und Anfragen“, sagt Seifert, der im Bundestag für den Linke-Abgeordneten Hubertus Zdebel arbeitet.

Tatsächlich hat die Online-Petition von (N)Olympia bereits rund 6400 Unterzeichner, Unterstützer kommen oft aus Bereichen, die sich auch sonst kritisch mit der Stadtentwicklung auseinandersetzen und bisher eher der linken Szene zuzuordnen sind. Die Kritikpunkte sind dabei oft gleich und lassen sich auf drei Kernpunkte zusammenfassen: Bewerbung und Ausrichtung der Spiele würden viel zu viel Geld kosten. Zudem würde sich das Interesse vieler Investoren auf die Stadt richten und das Leben hier verteuern. Mietkosten würden steigen, die soziale Spaltung vergrößern und am Ende den Kitas, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen Geld fehlen. Was auch immer wieder von den Kritiker zu hören ist: Die Hamburger Verwaltung sei bereits mit der Elbphilharmonie überfordert gewesen.

Allerdings ist der Protest gegen Olympia in Hamburg lange noch nicht einheitlich. Es gibt da eine Spannbreite aus kritischen Nachfragen bis hin zur Ablehnung, sagt auch Seifert.

Bis zur möglichen Volksabstimmung in Hamburg werde man nun alle Fragen bündeln, Nachfragen präziser formulieren und sich wohl auch vernetzen. „Wir sind nicht gegen Sport, auch nicht gegen den großen Sport“, sagt er. Aber bei Kosten von wahrscheinlich einigen Milliarden Euro müssten „gepflegte Nachfragen“ erlaubt sein. (N)Olympia verstehe sich da als eine Art Gegenbewegung zu den Befürwortern in der Stadt, die mit „viel Budenzauber und PR“ versucht hätten, eine Pro-Olympia-Stimmung zu erzeugen.

Aus Sicht von Seifert bedeutet die Entscheidung für Hamburg als offizieller deutscher Kandidat für die Spiele 2024 aber zu viel Hektik. Besser wäre gewesen, wenn sich der Deutsche Olympische Sportbund DOSB für eine Ausrichtung der Spiele erst im Jahr 2028 entschieden hätte. Nur dann hätte es eine Chance für eine Veränderung und Verabschiedung vom bisherigen Gigantismus gegeben. „Wir wollen doch ein neues Olympia. Wenn das Internationale Olympische Komitee tatsächlich eine tiefgreifende Veränderung will, wie es behauptet, dann kann es einen Bewerbungsmarathon, der Geld und andere Ressourcen kostet, nicht ernsthaft wollen“, sagt Seifert. Nur eine Bewerbung für 2028 hätte die Möglichkeit für eine wirklich durchdachte Planung sowie tiefgreifende Diskussionen und Analysen ermöglicht. Seifert: „Jetzt muss bis September schnell eine Volksbefragung her und zunächst die dafür notwendige Gesetzesgrundlage geschaffen werden. So wird unnötiger Druck aufgebaut.“

Ob Hamburg tatsächlich von Olympia profitiert, ist für den (N)Olympia-Sprecher eben weiter zweifelhaft: „Den Menschen muss erklärt werden, dass ihre Stadt für viele Jahre komplett umgebaut wird“ sagt Seifert und erinnert an die Münchner Bewerbung für die olympischen Winterspiele 2022, die 2013 schließlich bei einem Bürgerentscheid in Bayern gescheitert war.

Seifert: „Nachdem der DOSB eine Vollklatsche mit München erlitten hat, hätte er sich eigentlich so schnell nicht mehr auf den Weg gemacht.“ Aber der Druck aus der Wirtschaft sei immens groß geworden. „Durch diese Eile werden tatsächliche Reformen nun blockiert.“

Kritisch zu der Hamburger Bewerbung äußerte sich am Tag nach der DOSB-Entscheidung für Hamburg auch die Umweltorganisation BUND „Jetzt muss alles auf den Tisch. Vom Abfallkonzept bis zum Zubringerverkehr ist nachzuweisen, ob das Versprechen nachhaltiger Olympischer Spiele tatsächlich umsetzbar ist“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. „Neben der Frage klimaneutraler Spiele und der Nachnutzung des olympischen Dorfes ist zentral, wie das Flächenkonzept im Detail aussieht.“

Wenn das Großereignis überhaupt einen Schub für die Hamburger Stadtentwicklung bringen solle, dann müsse der neue Stadtteil auch nach Olympia für die Menschen nutzbar bleiben. „Hier muss der modernste Stadtteil Hamburgs entstehen: autofrei, regenerativ und sozial ausgewogen“, betont Braasch.