Hamburg. Hamburg muss sich im Rennen um die Spiele gegen bis zu zehn Konkurrenten behaupten – Überraschungsbewerber sind nicht ausgeschlossen.

Spötter meinen ja, das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) habe am Montag lediglich darüber entschieden, welche Stadt im Rennen um die Spiele 2024 den besseren Verlierer abgeben würde. Tatsächlich gilt Deutschland nicht unbedingt als Favorit auf den Sieg, wenn am 15. September 2017 in Perus Hauptstadt Lima die Ausrichterstadt bekannt gegeben wird. Die USA etwa haben letztmals 1996 (Atlanta) Sommerspiele ausgerichtet, Europa kam dagegen erst 2012 mit London zum Zuge, das sich unter anderem gegen New York durchgesetzt hatte.

Diesmal treten die Amerikaner mit Boston an. Diese Entscheidung gab das Nationale Olympiakomitee Anfang Januar bekannt. Die Hauptstadt des Bundesstaats Massachusetts hatte sich gegen Los Angeles (Ausrichter 1932 und 1984) sowie die Bundeshauptstadt Washington durchgesetzt. Zuvor hatte im Dezember bereits Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi verkündet, mit der Hauptstadt Rom für 2024 zu kandidieren. Weitere Bewerbungen wurden bisher zwar noch nicht offiziell gemacht. Doch man darf annehmen, dass es weit mehr als nur drei Städte sein werden, die bis zum Stichtag am 15. September dieses Jahres beim Internationalen Olympischen Komitee benannt werden.

Der DOSB geht derzeit von zehn möglichen Mitbewerbern aus: neben Rom und Boston noch Budapest (Ungarn), Istanbul (Türkei), Paris (Frankreich), Melbourne (Australien), die südafrikanische Hauptstadtregion Gauteng sowie aus Asien Baku (Aserbaidschan), Doha (Katar) und Dubai (Vereinigte Arabische Emirate). Diese wahrscheinlichsten Konkurrenten stellen wir auf dieser Seite vor. Allerdings sind weitere Überraschungskandidaten nicht auszuschließen. So haben mehrere russische Politiker eine Bewerbung von Hamburgs Partnerstadt Sankt Petersburg ins Spiel gebracht. In der marokkanischen Großstadt Casablanca wurde 2011 mit dem Bau eines Stadions für 80.000 Zuschauer begonnen, das Kernstück einer möglichen Olympiabewerbung für 2024 oder 2028 sein könnte.

Um dieses Vorhaben ist es seitdem allerdings ruhiger geworden. Ähnlich verhält es sich mit der Kandidatur Nairobis, die Kenias damaliger Ministerpräsident Raila Odinga 2012 angekündigt hatte. Bereits verworfen oder verschoben wurden die Olympiapläne für Madrid (Spanien), Busan (Südkorea), Toronto (Kanada), Guadalajara (Mexiko), Taipeh (Republik China) und Lima (Peru).

Boston

Die Hauptstadt des Bundesstaats Massachusetts gilt als Favorit, weil die letzten Sommerspiele in den USA dann bereits 28 Jahre zurücklägen (Atlanta 1996). Sie hat für Olympia ein Budget von 4,5 Milliarden Dollar veranschlagt, nicht einmal ein Zehntel der Summe, die die Winterspiele 2014 in Sotschi verschlungen haben. Allerdings rechnen Experten mit weit höheren Kosten. Das Konzept setzt auf kompakte, nachhaltige Spiele.

Viele Sportstätten sind vorhanden, 28 von 33 befänden sich in einem Radius von zehn Kilometern vom Athletendorf. Boston gilt als sportbegeistert und ist einer der führenden Wissenschaftsstandorte der Welt. Schwachpunkt ist der mangelnde Rückhalt in der eigenen Bevölkerung. Laut einer Umfrage sank die Zahl der Befürworter zuletzt von 51 auf 44 Prozent. Einwohner: 617.000, 4,55 Millionen in der Metropolregion. Bewerbungen: keine. Ausrichtungen: keine.

Dubai

Die größte Stadt der Vereinigten Arabischen Elemente hatte bereits für 2016 eine Bewerbung erwogen, letztlich aber nicht eingereicht. Eine konkrete Bewerbung liegt auch für 2024 noch nicht vor, ebenso wenig wie ein Konzept. Allerdings entsteht derzeit für vier Milliarden Dollar eine olympiataugliche Sportthemenwelt, die Dubai Sports City. Gegen den Standort spricht neben dem Klima die geringe Zahl von Spitzensportlern in der Region.

Zudem verzichtete das Emirat auf die Austragung der Schwimm-WM 2013, um die sich auch Hamburg bemüht hatte. Zuletzt schlossen örtliche Funktionäre eine Bewerbung um die Spiele 2024 nicht aus. Wahrscheinlich wird Dubai aber erst für 2028 wieder antreten, nachdem es anlässlich der Weltausstellung 2020 nachgewiesen hat, ein Großprojekt ausrichten zu können. Einwohner: 2,1 Millionen. Bewerbungen: keine. Ausrichtungen: keine.

Rom

Für 2020 hatte die italienische Hauptstadt ihre Bewerbung noch zurückgezogen, für 2024 trat sie als erster Kandidat an – trotz Wirtschaftskrise und einer Infrastruktur im Niedergang. Premierminister Matteo Renzi sieht die Spiele als Chance, dem Land einen Impuls zu geben. Für 2004 war Rom als hoher Favorit an Athen gescheitert. IOC-Präsident Thomas Bach würdigte Rom als „einen sehr starken und angesehenen Kandidaten“.

An der Spitze des Bewerbungskomitees steht der populäre langjährige Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo. Das Konzept ist dezentral angelegt. So sollen auch Wettbewerbe in Florenz, Neapel und auf Sardinien stattfinden. Rom sieht sich damit im Einklang mit den neuen IOC-Maßgaben. Gegen Rom sprechen die wirtschaftliche Situation und die Korruption im Land. Einwohner: 2,8 Millionen. Bewerbungen: 1924, 1936, 1940, 1944, 2004. Ausrichtungen: 1960.

Doha

Zweimal hat es Katar bereits versucht, ist jedoch bereits in der Vorauswahl gescheitert. Ob es schon für 2024 einen dritten Anlauf nimmt, ließen Politiker des Emirats zuletzt offen. Die bereits erworbenen Großveranstaltungen wären eine zweifelhafte Empfehlung. Die Vergabe der Fußball- WM 2022 steht unter Korruptionsverdacht, die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen sind skandalös, für die Handball-WM im vergangenen Januar wurden Spieler und sogar Fans zusammengekauft.

Ungeachtet dessen hat der Leichtathletik- Weltverband im Dezember der Hauptstadt Doha die WM 2019 zugesprochen. Würde das öl- und gasreiche Land auch für Olympia den Zuschlag bekommen, müssten die Spiele aufgrund des Klimas in die Herbst- oder Wintermonate verlegt werden. Einwohner: 796.000. Bewerbungen: 2016, 2020. Ausrichtungen: keine.

Melbourne

Die australische Metropole hatte, wie auch Brisbane, eine Bewerbung um die Spiele 2024 erwogen. Derzeit erscheint jedoch eine Kandidatur für 2028 und 2032 wahrscheinlicher. Dem Selbstverständnis nach hat keine andere Stadt weltweit derart viele Sportstätten in zentraler Lage zu bieten. Melbourne ist Schauplatz der Australian Open, eines von vier Grand- Slam-Turnieren der Tennisprofis, sowie des Großen Formel-1-Preises von Australien. 2006 richtete die Stadt die Commonwealth Games aus.

Am 29. März findet in der 100.000-Zuschauer- Arena von Melbourne das Finale der Cricket-WM statt, die Australien gemeinsam mit Neuseeland ausrichtet. Melbourne war 1956 die erste olympische Gastgeberstadt in der südlichen Hemisphäre. Im Rennen um die Spiele 1996 scheiterte sie an Atlanta. Einwohner: 4,25 Millionen. Bewerbungen: 1996. Ausrichtungen: 1956.

Blick auf den Burgberg in Budapest
Blick auf den Burgberg in Budapest © pa

Budapest

Sechsmal schon hat sich die ungarische Hauptstadt um die Ausrichtung Olympischer Spiele bemüht, nie hat sie den Zuschlag bekommen. Für 1920 galt Budapest sogar als Favorit, aber Coubertin wünschte sich mit Belgien (Antwerpen) ein Gastgeberland, das im Ersten Weltkrieg besonders schwer unter den Kriegshandlungen gelitten hatte. Diesmal glaubt Budapest, gute Argumente zu haben. So seien seit 2010 zahlreiche neue Sportstätten errichtet worden.

Zudem soll Budapest in den nächsten Jahren ein zeitgemäßes Stadion und weitere moderne Austragungsstätten erhalten, die die alten, zum Teil heruntergekommenen Bauten im Herzen der Stadt ersetzen sollen. Darüber hinaus erfreuten sich Olympische Spiele laut Verbandsangaben eines großen Zuspruchs in der Bevölkerung. Einwohner: 1,7 Millionen. Bewerbungen: 1916, 1920, 1936, 1940, 1944, 1956. Ausrichtungen: keine.

Baku

Aserbaidschans Hauptstadt ist im Juni Schauplatz der ersten Europaspiele. Sie gelten als wichtiger Testlauf im Hinblick auf die Organisation Olympischer und Paralympischer Spiele, um die sich Baku schon zweimal beworben hat, ohne in die Endausscheidung vorzustoßen. 2011 konnte sich die Stadt als Ausrichter der Amateurbox-WM hervortun, vier Jahre zuvor bei der WM im Ringen, zwei Sportarten, die hier große Tradition haben. 2016 soll in Baku erstmals ein Formel- 1-Rennen stattfinden.

Um die gemeinsame Ausrichtung der Fußball- EM 2020 mit Georgien hatte sich das autoritär geführte Erdölland vergeblich beworben. 2012 ergab eine Umfrage in der Bevölkerung eine angebliche Zustimmung von 95 Prozent für die Ausrichtung Olympischer Spiele. Einwohner: 2,18 Millionen. Bewerbungen: 2016, 2020. Ausrichtungen: keine.

Gauteng

Olympische und Paralympische Spiele in Afrika hat es bislang noch nicht gegeben – trotz Bewerbungen aus Kairo und Kapstadt. Dass die südafrikanische Provinz Gauteng mit der Metropole Johannesburg und der Hauptstadt Pretoria den Kontinent schon 2024 auf die olympische Landkarte hieven könnte, erscheint fraglich. Zuletzt kündigte Sportminister Fikile Mbalula an, dass sich das Land auf die Kandidatur Durbans für die Commonwealth-Spiele 2022 konzentrieren wolle und von einer Olympiabewerbung deshalb vorerst absehe. Eine Kandidatur für 2024 sei „ziemlich unrealistisch“. Die grundlegenden Infrastrukturvoraussetzungen wären wohl vorhanden. Johannesburg hat den größten Flughafen des Landes, Gauteng ist das ökonomische Zentrum des Landes. Einwohner: 12,2 Millionen. Bewerbungen: keine. Austragungen: keine.

Paris

Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat sich zuletzt verhalten zu einer Kandidatur der französischen Hauptstadt geäußert. Ihr Herz schlage für den Sport, aber es habe bislang „keine Stadt gegeben, die aus den Olympischen Spielen wirtschaftlichen Nutzen ziehen konnte“. Zudem würde die Bewerbung mit der um die Weltausstellung 2025 konkurrieren – die Entscheidung hierüber fällt bereits 2016. Hidalgo regte stattdessen eine Olympiabewerbung für 2028 an. Seit Albertville 1992 waren französische Olympiakandidaturen nicht von Erfolg gekrönt. Für 2020 zog sich Paris zugunsten von Winterspielen in Annecy 2018 zurück – den Zuschlag bekam jedoch Pyeongchang. Für Paris spräche, dass die letzte Austragung dann exakt 100 Jahre zurückläge. Einwohner: 2,24 Millionen, 12,2 Millionen in der Metropolregion. Bewerbungen: 1956, 1992, 2008, 2012. Austragungen: 1900, 1924.

Istanbul

Im Bewerberrennen um die Spiele 2020 erst im zweiten Wahlgang an Tokio gescheitert, hat sich die türkische Metropole noch nicht festgelegt, ob sie für 2024 erneut antreten will. Seit 2000 hat die Stadt bereits fünf Anläufe gemacht, 2004 und 2012 reichte es nicht für die Finalrunde. Im Konzept für 2020 waren die olympischen Sportstätten in vier Zonen über die Stadt verteilt, wobei das Olympiazentrum auf der europäischen Seite entstehen sollte. Istanbul hat als Sportstandort einen klangvollen Namen, viele der notwendigen Austragungsstätten wären bereits vorhanden. Die Stadt beheimatet mehrere große Fußballvereine. Seit 2005 ist sie Schauplatz eines jährlichen Formel-1-Rennens. Vor fünf Jahren richtete die Stadt die Endrunde der Basketball-WM aus. Einwohner: 14,3 Millionen. Bewerbungen: 2000, 2008, 2020. Austragungen: keine.