Hamburg. Volksabstimmung über die Bewerbung ist komplizierter als gedacht, denn es muss ein neues Gesetz her. Und darum gibt es jetzt Streit.

Eigentlich ist es doch ganz einfach: Die Politik befragt das Volk, ob es Olympia will oder nicht. Mit Wahlbenachrichtigungen, Abstimmungstag und festen Hürden der Zustimmung für Erfolg oder Misserfolg – ganz so wie bei einem Volksentscheid. Ja, wenn alles wirklich so einfach wäre, gäbe es wahrscheinlich schon längst ein Referendum als zusätzliches Instrument der direkten Demokratie in der Hamburgischen Verfassung.

Tatsächlich gibt es in Sachen Referendum als eine Art „Volksbefragung von oben“ seit Monaten eine Hängepartie im zuständigen Verfassungsausschuss der Bürgerschaft. Nicht nur das Thema ist juristisch kompliziert, die Meinungen zu diesem plebiszitären Element gehen quer durch die Fraktionen der Bürgerschaft ziemlich weit auseinander.

Das ist die Ausgangslage: Bislang gibt es keine Möglichkeit für Bürgerschaft oder Senat, dem Volk eine Frage zur Entscheidung vorzulegen. Es geht nur umgekehrt: Aus dem Volk heraus kann sich eine Initiative bilden, die dann am Ende zum Volksentscheid führt, der verbindlich ist, also im Erfolgsfall Gesetzeskraft hat. Für eine Volksabstimmung über die Ausrichtung Olympischer Spiele in Hamburg, die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als Voraussetzung für eine Bewerbung auf internationaler Ebene fordert, muss der Stadtstaat also justizpolitisches Neuland betreten.

Vier Varianten sind grundsätzlich denkbar. Erstens: eine allgemeine Volksbefragung. Sie kann im Rahmen eines Volksabstimmungsgesetzes mit einfacher Mehrheit unterhalb einer Verfassungsänderung beschlossen werden. Eine Volksbefragung wäre allerdings nicht verbindlich, sie würde nur ein Meinungsbild ergeben, dem die Bürgerschaft folgen kann, aber nicht muss. Bereits im Mai des vergangenen Jahres hat die CDU diesen Vorschlag vorgelegt. „Damit der enge Zeitplan bis zur offiziellen Bewerbung beim Internationalen Olympischen Komitee im Herbst eingehalten werden kann, beantragen wir eine Selbstbefassung des Verfassungsausschusses zu unserem Vorschlag“, sagte CDU-Fraktionschef André Trepoll am gestrigen Dienstag.

Variante zwei ist gewissermaßen eine „Lex Olympia“, also eine einmalige Volksbefragung nur zu den Spielen. Diese Lösung wird von denen bevorzugt, denen der Ausbau plebiszitärer Elemente grundsätzlich suspekt ist. Der Nachteil: Diese Variante wirft die Frage nach der Gleichbehandlung auf. Konkret: Warum soll nur einmalig über Olympia abgestimmt werden und nicht auch über andere Fragen?

Die unverbindliche Volksbefragung, egal welcher Spielart, hat einen grundsätzlichen Nachteil: Sie birgt die Gefahr, dass ein Volksentscheid in entgegengesetzter Richtung gestartet werden kann. Das Horrorszenario aus Sicht der Olympia-Befürworter: Erst stimmt das Volk in einer Befragung für Olympia, dann wird ein, zwei Jahre später ein Volksentscheid gegen die Ausrichtung der Spiele gestartet und ist vielleicht erfolgreich, weil die Akzeptanz für die Spiele in den „Mühen der Ebene“ gesunken ist. Der weltweite Eindruck, den die Stadt abgeben würde, wäre verheerend.

Dieser Nachteil wird bei einem verbindlichen Referendum mit Verfassungsrang vermieden. Variante drei ist ein allgemeines Referendum zu grundsätzlichen Fragen der Landespolitik. Die SPD hat im Dezember einen entsprechenden Vorschlag den damals vier anderen Fraktionen präsentiert. Danach soll ein Referendum nur dann abgehalten werden, wenn zwei Drittel der 121 Bürgerschaftsabgeordneten dies beschließen und der Senat dem zustimmt. Diese hohen Hürden sollen voraussetzen, dass sich Regierung und Opposition auf eine Fragestellung verständigen. Ausgeschlossen wäre, dass nach einem verbindlichen Referendum eine Gegeninitiative mit dem Ziel eines Volksentscheids gestartet wird.

Variante vier ist ein einmaliges Olympia-Referendum, gegen das dieselben Bedenken geltend gemacht werden wie gegen eine einmalige Volksbefragung zu Olympia. In der SPD ist das Thema durchaus umstritten. Es gibt Sozialdemokraten, die den CDU-Vorschlag einer Volksbefragung für ausreichend halten. Dass die SPD die Beratung in der vergangenen Legislaturperiode verzögert hat, ist auch dem Umstand geschuldet, dass sich die ganze Diskussion erledigt hätte, wenn sich der DOSB gegen Hamburg und für Berlin ausgesprochen hätte.

Doch auch ein Referendum ist nicht unproblematisch. Während bei einem Volksentscheid (aus der Mitte des Volkes) die Bürgerschaft einen Gegenvorschlag zur Abstimmung stellen kann, ist dies beim SPD-Vorschlag eines Referendums nicht vorgesehen. Ist das gerecht? Von Seiten der Grünen wird daher in die Diskussion die Überlegung eingebracht, auch bei einem Referendum einen Gegenvorschlag zuzulassen. Das Argument: So ließe sich politisch umso überzeugender die Auffassung vertreten, dass nach einem Referendum ein gegenläufiger Volksentscheid nicht mehr möglich ist.

Manch einer im Rathaus ist alarmiert, weil ausgerechnet der Verein „Mehr Demokratie“ in seiner neuen Volksinitiative zum Ausbau der direkten Demokratie die Schaffung eines Referendums mit der Möglichkeit eines Gegenvorschlags aus dem Volk ins Spiel gebracht hat. Die Sorge: Der kampagnenerfahrene Verein könne daraus mit dem Vorwurf mangelnder Demokratie Stimmung gegen Olympia machen.

SPD und Grüne haben bei den Koalitionsverhandlungen SPD-Fraktionschef Andreas Dressel und Ex-Justizsenator Till Steffen (Grüne) beauftragt, einen breit getragenen Vorschlag zur Lösung aller Probleme beim Referendum zu entwickeln. Schließlich ist Rot-Grün auch auf Teile der Opposition angewiesen, um die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Verfassungsänderung zu erreichen.